Читать книгу Der Palast der unsterblichen Dichter. Das größte Abenteuer seit Dumas' Monte Christo - Heinz-Joachim Simon - Страница 7
Оглавление»Wie fangen wir es an?« George Sand sah fordernd in die Runde. »Wo habt ihr nur den scheußlichen Totenkopf her?«, setzte sie hinzu und kräuselte indigniert die Nase.
»Das ist der Schädel des großen François Villon, der treffliche Sänger und Vagant, der uns manch schönen derben Vers geschenkt hat«, erklärte Balzac mit dem ihm eigenen Pathos.
»Das beantwortet nicht meine Frage.«
»Ich habe ihn bei dem Trödler Archantes entdeckt. Er versichert mir mit Expertise, dass es der Originalschädel des großen Villon ist.«
»Hauptsache, du glaubst daran«, gab George Sand schnippisch zurück. »Schlepp aber nicht mehr von dem Zeug an.«
»Er wird eines Tages noch mit dem Jochbein des großen Homer auftauchen«, lästerte Dumas grinsend.
»Hört auf! Fangen wir endlich an. Ich denke, die Geschichte sollte mit meinem Tod enden«, schlug Zola vor.
Bis auf Flaubert nickten alle traurig.
»Nein. Wir sollten das nicht gleich am Anfang festlegen. Lassen wir die Geschichte sich entwickeln.«
»Wir sollten gleich stürmisch in die Geschichte einsteigen«, schlug Balzac vor. »Ich hätte zur Anfeuerung meiner Fantasie gern noch einen Mokka.«
Daraufhin tauchte ein Diener auf und stellte den Mokka vor ihn hin.
»Das ist doch Vater Goriot aus meinem gleichnamigen Roman!«, staunte Balzac.
»Wir sind im Palast der Unsterblichkeit, mein Guter«, erwiderte George Sand mit maliziösem Lächeln.
»Wir sollten endlich anfangen«, drängte Flaubert.
»Du meinst, wir sollten mit den Tagen der Kommune beginnen?«, fragte Hugo.
»Ja, mein Lieber. Um zu erklären, warum man Zola umbrachte, müssen wir zu den Tagen der Schande und Ehre zurückgehen«, pflichtete George Sand bei.
»Zu den Tagen, als die Elenden gegen ihr Unglück aufbegehrten? Da bin ich dabei«, stimmte auch Zola zu.
Balzac zupfte sich die Kutte zurecht und nahm einen Schluck Mokka.
»Ganz vorzüglich! Die richtige Stärke«, stellte er fest.
»Wie machen wir es?«, drängte die Sand.
»Ich denke mir das so«, sagte Dumas nachdenklich. »Jeder erzählt ein Kapitel. Der nächste muss dann die Geschichte fortführen. Ich denke, Dickens sollte anfangen. Er hat über Kinder ein paar hervorragende Sachen geschrieben. Ich bewundere dich für deinen Oliver Twist und den … Dings Copperfield. Gute Literatur!«
»David Copperfield«, korrigierte Dickens indigniert.
»Schon gut, alter Freund. Ich lege danach mit dem nächsten Kapitel los und dann greift Zola den Faden auf und so weiter. Bei den Eiern des François Villon, wir, die Unsterblichen, basteln eine Geschichte unserer Geschichten zusammen. Das wird ein Spaß!« Balzacs Gesicht glühte vor Begeisterung.
»Wir werden die Gestalten aus unseren Büchern mitspielen lassen. Wir werden die Schwierigkeit haben, die unterschiedlichen Stile zu einer Einheit zu verschmelzen.«
»Ach was, George Sand kann alles mitschreiben. Sie wird schon darauf achten, dass wir die Kapitel nicht zu unterschiedlich erzählen«, schlug Dumas vor.
»Du hast wohl mit Porthos zu viel Wein gebechert? Ich bin eine genauso gute Erzählerin wie ihr. Nein, ich bin nicht eure Schreibmadame.«
»Wir werden Vater Goriot bitten, alles aufzuschreiben. Er liebt auch gute Geschichten«, schlug Flaubert beschwichtigend vor.
»Warum eine Gestalt von Balzac?«, protestierte Dumas. »Immer steht Balzac im Mittelpunkt.«
»Bleibt friedlich!«, mahnte Flaubert. »Habt ihr alle verstanden, wie die Regeln sind?«
»Klar doch«, winkte Hugo ab. »Jeder muss mit seiner Erzählung an die vorherige anschließen und dann den Stab weitergeben.«
»Richtig. Aber es muss glaubwürdig abschließen. Nur so wird ein Buch draus, das ein guter Verlag veröffentlichen wird.«
»Wir müssen in die Figuren hineinkriechen, damit der Erzählstil nicht zu unterschiedlich wird.«
»Ich finde, wir haben genug geredet, wir sollten beginnen«, drängte Dumas. »Unser Epos endet mit dem Verbrechen an Zola und mit der Aufdeckung, wer das Verbrechen begangen hat. Genau so dramatisch würde ich gleich einsteigen.«
»Du hast die Trommel laut genug geschlagen. Dickens, fang endlich an!«, sagte die Sand und stieß Rauchkringel aus, die sich langsam auf Dumas zubewegten. »Sonst wird er uns gleich wieder daran erinnern, dass seine Bücher weltweit die größte Verbreitung gefunden haben.«
»Stimmt das etwa nicht?«, fauchte Dumas. »Vor mir liegt auflagenmäßig nur die Bibel.«
»Gib nicht so an«, grollte Balzac. »Du hast eine Menge Schinken für kleine Dienstmädchen und gelangweilte Bürgersfrauen verzapft. Große Literatur ist was anderes.«
»Große Literatur? Was ist das?«, brauste Dumas auf. »Meine Bücher liest man in Amerika und in Argentinien. Selbst im fernen Australien kennt man den Namen Alexandre Dumas. Der große Garibaldi war ein Verehrer von mir. Es gibt wohl kein Buch, das häufiger verlegt wurde als ›Die drei Musketiere‹. Da kommt ihr alle nicht mit. Selbst wenn ihr eure Auflagen zusammenlegt.«
»Angeber! Du bist mal wieder unerträglich«, fauchte Balzac.
»Hört auf zu streiten!«, fuhr die Sand dazwischen. »Ihr benehmt euch wie kleine Jungs. Also, wir sind uns einig, dass Dickens beginnt. Er ist der Gast und ihm gebührt die Ehre anzufangen. ›Oliver Twist‹ ist wirklich ein feines Buch. Und mit Revolutionen kennt er sich aus, was sein Roman ›Die zwei Städte‹ beweist.«
»Also los! Genug geredet. Fangen wir an«, sagte Hugo ungeduldig.
»Wieso genug geredet? Es geht doch ums Reden«, sagte Dumas mit selbstgefälligem Blinzeln.
»Ja, Englishman, lass deine Pickwickier aufmarschieren.«
»He, unsere Geschichte spielt in Paris«, meldete sich Zola.
»Wir haben Azincourt vergeben und vergessen. Erzähl es so authentisch wie möglich«, forderte Dumas.
»Hör auf!«, blaffte Balzac. »Schon seit der Eroberung von Orléans durch die Heilige Jungfrau Jeanne d’Arc ist diese Schmach getilgt.«
»Die die Engländer verbrannt haben«, keilte Dumas zurück.
»Es waren Franzosen, die sie verurteilten«, erinnerte Zola.
»Ja. Bei uns gibt es immer wieder mal ein paar vortreffliche Kanaillen«, gab Flaubert zu.
»Ich stelle es mir so vor: Julien Morgon steht auf den Champs Elysées und sieht zu, wie die Armee vorbeidefiliert. Und das Volk schreit begeistert: ›Krieg!‹. Nie hatten die Regimenter des Kaiserreiches prächtiger ausgesehen …«