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2 – Der Kaiser mit der falschen Frau

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(Charles Dickens erzählt)

Julien Morgon stand im hellen Sommerlicht auf den Champs Elysées und sah den stolz vorbeimarschierenden Regimentern zu. Nie hatte eine Armee prächtiger ausgesehen. Die Sonne schien heiß auf die Truppen und viele wähnten, dass es die Sonne von Austerlitz war. Julien Morgon stand inmitten des jubelnden Publikums und schrie mit den tausenden von Zuschauern: »Hoch lebe der Kaiser!«

Gewiss, die Soldaten sahen prächtig aus. Die Säbel blitzten, die Brustharnische der Kürassiere glänzten, die roten Federn an den Helmen hüpften im Takt der Marschmusik. Man war überzeugt, dass man bald durch das Brandenburger Tor marschieren würde.

»Verhaut die Preußen! Verhaut die Preußen!«, stieg es aus tausendfachen Kehlen in den Himmel.

Julien Morgon war an einer Laterne hochgeklettert, so dass er einen guten Blick auf die marschierenden Truppen hatte. Die Adlerstandarten glänzten golden, die Kaiserfahne blähte sich im Wind. Dumpf dröhnten die Stiefel auf dem Kopfsteinpflaster des Boulevards.

»Hat man je so prächtige Truppen gesehen?«, rief unter ihm ein wohlbeleibter Kleinbürger in einem speckigen Rock und mit einem Zylinder auf dem Kopf, der auch nicht viel besser aussah. Beifall heischend sah er um sich. Ein Hagestolz neben ihm, mit ausgezehrtem Gesicht und einer Hakennase und langen Koteletten, nickte bestätigend.

»Jawohl, General MacMahon hat versichert, dass in unseren Truppen der gleiche Siegeswille herrscht wie bei der glorreichen Armee, die bei Arcole, Jena und Borodino siegte. Die Preußen werden ein Desaster erleben.«

Der Wohlbeleibte neben ihm riss den Zylinder vom Kopf und schrie: »Hurra! Keine Gnade für die Preußen. Hoch lebe die Armee!«

»Hoch lebe der Kaiser!«, setzte der Hagere hinzu.

Es gab keinen Zweifel, Paris vertraute den Soldaten und dem Genie des Kaisers. Sie wussten nicht, dass Eugenie, die Frau des Kaisers, Napoleon III. zu diesem Abenteuer getrieben hatte.

Julien Morgon stutzte. Er sah eine Gruppe Jungen in seinem Alter herankommen. Keiner war älter als siebzehn Jahre. Er kannte sie. Sie waren aus seiner Klasse. Nun bemerkte er, dass sie ein überirdisches Wesen begleitete, das der Kaiserin gleichkam. Im Gegensatz zu dieser war sie blond. Ihre Haare fielen ihr reich auf den Rücken. Er hasste die jungen Männer um sie herum. Nicht, weil sie die Schönheit begleiteten, sondern weil sie ihn verachteten, auf ihn herabsahen, ihn nicht für würdig erachteten, eines Tages eine Grande Ecole absolvieren zu dürfen. Was hatte der Sohn eines Druckers und Papierhändlers neben den Söhnen der Väter zu suchen, die sich zur Elite des Kaiserreiches zählten.

Ihr Anführer war Auguste Mercier, sein Vater war Minister im Kabinett des Kaisers. Ein schwarzhaariger Junge mit einem scharfen Gesicht, mit dem Spitznamen ›der Husar‹, weil er unbedenklich jeden Streich anführte. Sein Vater sorgte schon dafür, dass sie keine ernsten Konsequenzen hatten. Neben ihm ging Hubert Henry, dessen Vater – ursprünglich ein Großbauer – sich durch glückliche Spekulationen einen Namen gemacht und dem Sohn die Gabe mitgegeben hatte, mit Zahlen jonglieren zu können. Er stimmte Auguste servil in allem zu, achtete aber darauf, dass er sich nicht zu sehr exponierte. Der dritte in der Gruppe war der schöne Charles-Ferdinand Esterhazy, der wie ein griechischer Gott aussah und der Schwarm aller Mädchen war und sich darauf eine Menge einbildete. Sein Vater war im Generalstab, sein Großvater General bei den Österreichern gewesen. Aufgrund mysteriöser Verdienste war er nach dem Wiener Kongress von den Franzosen ausgezeichnet und schließlich französischer Baron geworden. Der vierte war Jean Sandherr. Sein Vater war Textilfabrikant. Er hatte die Uniformen geliefert, in denen die Truppen paradierten. Insgeheim verachteten ihn die anderen, da er ein notorischer Schummler war und ständig von den anderen abschrieb. Dazu stieß manchmal Armand du Paty de Clam, dessen Arroganz selbst Auguste auf die Nerven ging. Aber man akzeptierte den stets elegant gekleideten Jüngling, da er einem der vornehmsten Adelsgeschlechter angehörte. Sie nannten sich die glorreichen Fünf. Sie wussten, dass auch sie eines Tages zur Elite gehören würden und ausersehen waren, eine herausragende Stellung im Kaiserreich einzunehmen.

Julien dagegen konnte nur durch das Stipendium des Baron Edmond de Savigny die Vorbereitungsschule zur Grande Ecole besuchen. Der gute Baron, wie man ihn in der Familie nannte, wohnte auch in der Avenue Bugeaud. Julien war ihm durch seinen Eifer und sein fröhliches Wesen aufgefallen, als er ihm voller Enthusiasmus im Papiergeschäft die verschiedenen Papiersorten für seine Geschäftsausstattung vorgestellt und die unterschiedliche Qualität erklärt hatte. Julien wusste über Edmond Savigny, dass er ein überzeugter Bonapartist war und sich den Spruch des großen Bonaparte zu eigen gemacht hatte, dass jeder einen Marschallstab im Tornister habe. Man munkelte, dass der Kaiser auf ihn höre und er mehr Macht habe als ein Minister. Sein Einfluss, so hieß es, sei in letzter Zeit zurückgegangen, da er sich nicht mit der Kaiserin verstünde. Trotzdem sah man ihn in den Tuilerien ein- und ausgehen.

Juliens Vater war stolz darauf, den guten Baron nicht nur als Kunden, sondern auch als Förderer seines Sohnes bezeichnen zu können. Der gute Baron schien Julien ins Herz geschlossen zu haben und in ihm jemand zu sehen, der es auch ohne entsprechenden Familienhintergrund zu etwas bringen könne.

Nun hatten auch die glorreichen Fünf Julien entdeckt.

»Seht mal, da ist doch der Papierhändler!«, schrie Auguste und wies auf Julien, der sich oben an der Laterne festhielt.

»Wie frech er dort oben auf uns herabblickt. Dieser Niemand nimmt sich heraus, unseren tapferen Soldaten zuzujubeln. Kommt, bringen wir dem Kerl Demut bei.«

Er nahm Pferdeäpfel auf, die seit dem Vorbeiritt der Kürassiere reichlich auf der Straße lagen und schleuderte sie zur Laterne hoch. Schon taten es ihm die anderen nach und Julien wurde mit Pferdeäpfeln eingedeckt. Doch diese trafen nicht nur ihn, sondern auch die am Straßenrand jubelnden Zuschauer.

»Nichtsnutzige Bengel!«, empörten sie sich.

»Ihr seid unfair«, rief das überirdische Wesen. Ihr Blick traf Julien tief ins Herz. Für diese Parteinahme hätte er noch ganz andere Beschwernisse in Kauf genommen.

»Hört auf! Ihr seid so feige«, erregte sich das Mädchen in dem weißen Kleid und schlug mit ihrem zierlichen Sonnenschirm Armand auf die Hand, sodass diesem das Wurfgeschoss entfiel.

»Was ist denn mit dir los, Mercedes?«, empörte sich Armand. »Das ist doch nur der Papierfatzke.«

»Er hat euch doch nichts getan. Also hört auf damit. Die guten Leute hier sind zurecht empört. Ihr stört ihre Freude am Anblick unserer tapferen Armee.«

»Auch ich bin ein Gefolgsmann des Kaisers«, rief Julien – obwohl ihm dieser bisher herzlich gleichgültig gewesen war – nur um dem Mädchen zu gefallen. Er rutschte von der Laterne hinunter, drängte sich durch die Zuschauer, lief auf den Boulevard und marschierte im Takt der Trommeln im Gleichschritt neben dem Fahnenträger mit.

»Es lebe die glorreiche Armee des Kaisers!«, rief Julien.

Die Menge am Straßenrand klatschte Beifall. Der Fahnenträger zog die Rose, die man ihm aus der Menge zugeworfen hatte, vom Revers und gab sie Julien.

»Bewahre sie gut auf. Sie wird dich an den Tag erinnern, an dem die große Armee auszog, um die Preußen zu besiegen.«

Julien schwenkte die Rose und ließ die Armee hochleben und die Menge am Straßenrand nahm seinen Ruf auf. Einen winzigen Augenblick lang war Julien ein Held auf den Champs Elysées. Jauchzend lief er zum Straßenrand und drängte sich durch die Menge. So mancher gab ihm einen gutmütigen Klaps auf den Kopf. An der Laterne angelangt, traf er nur noch das Mädchen an.

»Wo sind Auguste und die anderen?«, fragte er erstaunt.

»Ach, den guten Leuten hier wurde ihr Treiben zu bunt und sie haben sie vertrieben.«

»Darf ich dir die Rose der Grande Armée übergeben?«, sagte Julien mit einer Verbeugung, die auch Napoleons Hofmarschall nicht besser hinbekommen hätte.

»Für mich?«, fragte das Mädchen überflüssigerweise, knickste und nahm die Blume.

»Eine Rose für eine Rose«, gab Julien zurück und staunte über sich selbst. Nie hätte er angenommen, sich in solch einer Situation so weltgewandt ausdrücken zu können.

»Sieh mal an, dabei erzählte mir Armand, dass du nur ein kleiner Ladenschwengel bist.«

»Du weißt, wer ich bin«, sagte er unzufrieden.

Es stimmte. Sie kannten sich. Auch sie wohnte in der Rue Bugeaud. Doch bisher hatte sie ihn nicht beachtet oder so getan, als wäre er Luft. Denn sie wohnte im Gegensatz zu ihm in einem Palais auf der anderen Straßenseite.

»Deine Freunde mögen mich nicht. Sie sind der Meinung, dass ich nichts auf einer Grande Ecole zu suchen habe. Mein Vater, wie du weißt, hat nur die kleine Druckerei und den Papierhandel in der Rue Bugeaud.«

»Ach, tatsächlich. Du bist der Junge aus dem Papiergeschäft«, sagte sie, legte die zierliche behandschuhte Hand auf das Kinn und sah ihn nachdenklich an.

»Du hast mich doch schon gesehen«, erinnerte er sie unwillig an ihre kurzen Begegnungen.

»Ach, ich achte nicht so darauf, wer mich ansieht«, erwiderte sie hochmütig.

Sie ist ganz schön schwierig, dachte er ernüchtert. Sie bemerkte seine Enttäuschung und legte ihm die Hand leicht auf den Arm.

»Aber mir ist egal, von wem jemand abstammt. Mein Vater war einst auch nur ein einfacher Weinbergbesitzer bei Amboise, ehe ihn der Kaiser zum Baron ernannte. Ich heiße Mercedes Montaigne, du kannst mich aber Mercedes nennen.«

»Aus der Gegend, wo man Krammetsvögel isst und die Könige ihre schönsten Schlösser gebaut haben«, sagte er beeindruckt.

»Bist du ein Royalist?«, fragte sie stirnrunzelnd. »Meine Familie ist streng bonapartistisch.«

»Meine Familie ist fürs Volk. Mein Vater hält es mit der Republik.«

»Das will ich gelten lassen. Aus der Republik wurde schließlich das Kaiserreich. Der Kaiser vollendet den Willen des Volkes«, fügte sie altklug hinzu.

»Darf ich dich nach Hause begleiten?«

»Wir haben ja denselben Weg«, willigte sie ein. »Mein Vater kauft auch sein Briefpapier bei euch. Auch ich war schon öfter in dem hübschen kleinen Laden, in dem es so angenehm nach Papier riecht. Aber an dich erinnere ich mich nicht.«

»Ich bin auch nicht jeden Tag im Geschäft, sondern helfe nur hin und wieder aus. Lange wohnst du noch nicht in unserer Straße, nicht wahr?«

»Richtig. Wir sind erst seit zwei Monaten hier. Vater sagte, dass man in Paris präsent sein muss, wenn man mit der Heeresverwaltung Geschäfte machen will. Der Wein, den die Offiziere des Heeres trinken, stammt von unseren Weinbergen.«

»Dann muss es ein guter Wein sein.«

»Man lobt ihn allgemein«, sagte sie leichthin. Sie kam ins Stolpern, fiel gegen ihn und er stützte sie ab, hielt sie länger, als dies nötig war und sie ließ es zu. Eine feine Röte überzog ihr Gesicht.

»Wie hast du die glorreichen Fünf kennengelernt?«, fragte er und gab sich Mühe, seiner Stimme nicht anmerken zu lassen, dass ihm diese Bekanntschaft Sorgen machte.

»Ach, Augustes Vater hat meinem Vater beim Heeresamt geholfen. Als Minister hat er natürlich erheblichen Einfluss. Wir waren heute in dessen Haus in der Rue Rivoli zu Gast und Auguste fragte mich, ob ich mitkommen will. Natürlich wollte ich die Parade der Armee nicht versäumen. Seine fürchterlichen Kameraden stießen erst später dazu. Feine Kavaliere sind das! Sie haben sich von einem alten Hagestolz vertreiben lassen, als dieser mit dem Spazierstock auf sie einprügelte.«

Mittlerweile waren sie am Eingang zur Rue Bugeaud angelangt. Viel zu kurz war ihm die Wegstrecke vorgekommen.

»Darf ich dich wiedersehen?«

»Warum nicht?«, fragte sie lachend. »Ich werde morgen mit meiner Freundin Diane du Plessis den Jardin du Luxembourg besuchen. Vielleicht treffen wir uns dort rein zufällig?«

Sie lachte kokett, drehte den Sonnenschirm in ihrer Hand und zwinkerte ihm zu. Er hätte sie lieber allein getroffen, wagte aber keinen Einwand und antwortete, dass er sich freuen würde, sie wiederzusehen. Sie verabredeten sich zur Zeit des Mittagskonzerts. Er versuchte es beim Abschied mit einem Handkuss, aber sie entzog sich diesem.

»Aber nein. Du musst nicht galant sein. Bleib so, wie du bist.«

»Danke noch einmal, dass du mir beigesprungen bist.«

»Das war doch selbstverständlich. Fünf gegen einen ist einfach nicht anständig. Auguste ist manchmal ein Flegel.«

Sie nickte ihm zu und ging in den Hof des Palais. Er sah ihr nach, bis sie das Haus betreten hatte. Frohgemut ging er zum Papiergeschäft seines Vaters, der wie oft an Feiertagen vor der Tür stand und sich die Abendsonne ins Gesicht scheinen ließ.

»Was sehe ich? Mein Sohn in Begleitung der vornehmen Demoiselle de Montaigne«, empfing er ihn schmunzelnd.

»Ich habe sie bei der Parade auf den Champs Elysées getroffen. Und da wir den gleichen Weg haben …«

»Lässt sich eine Montaigne von einem einfach Morgon nach Haus begleiten. Sie sind wohl eine republikanische Familie?«

»Nein. Sie sind Bonapartisten.«

»Na, wenigstens keine Bourbonenanhänger.«

Sein Vater war ein sich gebückt haltender Mann in den Fünfzigern mit langen grauen Koteletten. Stets trug er eine blaue Schürze. Er sah älter aus, als er tatsächlich war. Arbeit und Sorgen hatten tiefe Falten in sein Gesicht gegraben. Die kräftige Nase, die allen Morgons zu eigen war, erinnerte daran, dass er aus der Gascogne stammte. Schon der Großvater war während der großen Revolution nach Paris gezogen und hatte den Jakobinern angehangen und sich stets gerühmt, mit Robespierre im Procope gegessen zu haben. Unter dem Konsul Bonaparte hatte er dem mosaischen Glauben abgeschworen. Von diesem Familiengeheimnis zeugte nur noch ein siebenarmiger Leuchter. Julien hatte den Verdacht, dass sein Vater nur einen Gott hatte: das Volk von Paris.

»Hast du dich für die neuen Prüfungen ordentlich vorbereitet?«, fragte der Vater, der stolz darauf war, dass sein Sohn eine Grande Ecole besuchen würde.

»Aber ja doch. Keine Schwierigkeiten.«

Das war keine Beschwichtigung. Julien fiel das Lernen leicht, weil er ein Gedächtnis hatte, das die Lehrer die Köpfe zusammenstecken ließ. Er brauchte nur etwas zu überfliegen und schon hatte er es im Kopf gespeichert und konnte es mühelos, selbst nach Wochen oder Monaten, abrufen.

»Setz dich ruhig noch einmal hin und lies alles durch. Unsereiner muss doppelt so gut sein wie die Abkömmlinge aus den großen Familien. Wir können dem guten Baron wirklich dankbar sein, dass er sich für dich beim Direktorium eingesetzt hat. Du darfst Monsieur Savigny keine Schande machen, hörst du? Und noch etwas: Lass nie verlauten, dass du eine jüdische Großmutter hattest. Der Baron, dies habe ich aus einigen Bemerkungen entnommen, ist kein Freund der Juden. Wo Licht ist, ist auch Schatten.« Er seufzte.

»Aber ja doch, Vater«, murmelte Julien gelangweilt. »Ich weiß doch, dass es genug Franzosen gibt, die einen seltsamen Hass auf die Juden haben. Warum eigentlich? Die Juden, die ich kenne, sind wie du und ich.«

»Woher kennst du Juden?«, fragte der Vater erstaunt.

»Ach, die Weißenburgs sind auch Juden. Lambert, der Sohn des Antiquitätenhändlers, ist mein Freund.«

»Du solltest dir lieber Freunde unter deinen Schulkameraden suchen.«

»Ach, Vater, für die bin ich doch nur der Ladenschwengel, der eigentlich nicht auf eine Grande Ecole gehört. Sie schneiden mich wie einen Aussätzigen.«

»Das tut mir leid. Vielleicht haben wir eines Tages wieder eine Republik und alle sind gleich.«

»Das wird so schnell nicht passieren. Schon gar nicht, wenn der Kaiser siegreich aus dem Krieg zurückkommt. Ich habe die Soldaten gesehen. Es sind die besten der Welt.«

»Da bin ich mir nicht so sicher. Mit den Deutschen muss man immer rechnen. Doch nun geh hinein. Mutter wartet schon auf dich.«

»Junge, wo bist du so lange gewesen?«, empfing ihn die kleine rundliche Frau mit dem rosigen Gesicht einer Bäuerin.

Eine Schönheit war sie selbst in ihrer Jugend nicht gewesen. Aber dies machte sie mit einer gütigen Art wieder wett, so dass sie in der ganzen Nachbarschaft beliebt war. Ihre elsässische Herkunft war nicht nur an ihrer Aussprache zu erkennen, sondern auch an der deftigen Küche, zu der sie gern einlud. Julien war ihr einziges Kind und sie begluckte ihn gern und hingebungsvoll.

»Ich habe dir ein paar schöne Fleischklößchen gemacht. Iss, damit du gut lernst. Wer dem Körper nicht gibt, was er braucht, wird durch schlechtes Lernen bestraft.«

Nach dem Essen ging er auf sein Zimmer unter dem Dach. Der Vater hatte die Mansarde daneben, um zusätzliche Einkünfte zu erschließen, an einen Abbé vermietet, einen kräftigen Mann in mittleren Jahren, der in der naheliegenden Kirche als Aushilfspfarrer sein Brot verdiente. Nicht nur, weil er durch seine Größe und seinen mächtigen Körperbau so gar nicht einem Geistlichen glich, auch weil er – wie Julien bald erfuhr – eine ganz eigene Auslegung des christlichen Glaubens predigte, wurde er im Arrondissement mit scheelen Blicken bedacht. Seine wahre Leidenschaft konnte man mit dem Glauben an die Phrygische Mütze umschreiben. Er war also in vielem sehr jakobinisch und immer schnell dabei, das Paradies im Diesseits zu fordern.

Die Wohnung des Abbé Leon Flamboyant war vollgestopft mit Büchern, die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit forderten. Voltaire, Diderot, Rousseau waren die Autoren, doch auch Feuerbach, Bakunin und … Marx. Alles was er erzählte, lief darauf hinaus, die Gesellschaft umzustürzen, um nach einem Weltenbrand zu einer Gesellschaft zu kommen, wo der Löwe friedlich neben dem Lamm lagert. Julien war gern mit ihm zusammen, nicht weil er dessen Gedanken teilte, sondern weil Flamboyant ihm beibrachte, nach dem Grund aller Dinge zu fragen. Was bewegt die Welt? Was bedeutet Freiheit? Warum sind auch bei Gleichheit nicht alle gleich? Ist auch der Kaiser unser Bruder? Er mochte den Abbé und der Abbé mochte ihn. Julien war durchaus bewusst, dass dessen Zuneigung daraus resultierte, in ihm einen Samen zu pflanzen. Dagegen hatte Julien nichts einzuwenden, denn die Ausführungen des guten Abbés blieben doch sehr im Theoretischen.

Als er die Tür zu seinem Zimmer öffnete, kam der Abbé aus seiner Wohnung, als hätte er die ganze Zeit auf ihn gewartet. Julien kannte dies längst und akzeptierte es.

»Du warst also bei der Parade«, stellte der Abbé fest.

Wie immer trug er die fleckige Soutane, die ihm an den Ärmeln viel zu kurz war. Wenn er durch die Straßen ging, sah man ihm hinterher, weil er die Menschen meist um mehr als eine Kopflänge überragte. Ein länglicher Kopf mit Pferdezähnen, die ihm ein wildes Aussehen gaben – zumal er sie bei Zorn oder Wut fletschte –, machten ihn zu einem Gesprächsthema im Viertel. Da er oft zornig war, auf die Bonapartisten, auf die Bourbonen, floss dies mit gewagten Gleichnissen in seine Predigten ein, über die man sich oft beschwerte, so dass man ihm schließlich nur noch die Frühmessen zuteilte. Allein die Republikaner ließ er gelten, zumal wenn sie aus dem Faubourg St. Antoine kamen und an die glorreichen Tage von 1789 erinnerten.

»Was für ein grandioser Anblick! Auf den Champs Elysées marschierte die stolzeste Armee der Welt.«

»Alles Todgeweihte. Dieser sogenannte Kaiser schickt sie ins Verderben. Wie kann man nur so dumm sein, auf die Provokationen der Preußen hereinzufallen. Nun, auch gut. Er wird seine Herrschaft ruinieren und dann schlägt die Stunde der Wahrheit und aus den Vorstädten werden die Erniedrigten hervorbrechen und die Tuilerien besetzen. Dem Volk wird die Macht gehören. Die Reichtümer Frankreichs werden gleichmäßig verteilt werden.«

Julien wusste, dass Flamboyant, wenn er erst einmal in Fahrt gekommen war, seine Tiraden stundenlang ausweiten konnte und so versuchte er, das Gespräch mit dem Hinweis abzukürzen, dass er noch zu lernen habe.

»Was musst du pauken?«, fragte der Abbé eifrig.

»Latein. Den gallischen Krieg. Ich muss Cäsars Eigenlob wenigstens mal überflogen haben.«

»Eigenlob? Einverstanden. Aber er war wenigstens kein Blender. Veni, vidi, vici ist unserem Kaiserdarsteller nicht gegeben. Ich werde dich abhören.«

»Na gut«, gab sich Julien geschlagen. Es war nicht so einfach, den Abbé abzuschütteln.

Sie gingen zusammen in die Mansarde, von deren Decke ein Segelschiff hing. Er hatte sich mit dem Sohn eines Seineschiffers angefreundet, der die beiden Jungen gern mitnahm, wenn er auf der Seine fischte. Von ihm hatte er nicht nur das Segelschiff bekommen, sondern auch Segeln gelernt und manch anderes über das Meer, denn der Fischer hatte einst, wie er nicht müde wurde zu betonen, die Weltmeere befahren und den Äquator überquert, was sich bei ihm nach einer bedeutenden Sache anhörte.

An der Wand über dem Bett hing ein Säbel, den ihm sein Freund Lambert Weißenburg geschenkt hatte, der ihn unter dem unverkäuflichen Gerümpel seines Vaters fand. Angeblich hatte er einst Danton gehört. Doch die Jakobiner waren in kaiser­lichen Zeiten nicht sehr en vogue. Der Säbel Napoleons dagegen hätte ein Vermögen gebracht.

Sie setzten sich an den kleinen Tisch, der Abbé nahm das Lateinlexikon und begann, nachdem Julien eine Weile das Bellum Gallicum überflogen hatte, ihn abzufragen. Zu des Abbés Verdrusses vermochte Julien jede Frage zu beantworten. Nachdem sie eine Weile gearbeitet hatten, hielt der Abbé die Lehrerrolle nicht mehr durch.

»Wusstest du, dass Marc Anton dem verflixten Octavian das Leben gerettet hat?«

Julien sah hoch. Was sollte das denn wieder?

»Octavian, der spätere Augustus, hat doch Marc Anton bei Actium besiegt.«

»Die Lebensrettung passierte vorher, als sie sich noch als Triumvirat verstanden und gegen die Republikaner einig waren. Der dumme Bengel Marc Anton bewahrte Octavian vor dem Zorn des Volkes, das ihn wegen der schlechten Lebensmittellage in den Tiber werfen wollte. Marc Anton war ein naiver Schlagetot, Octavian dagegen eine Schlange. Seine Gemeinheit verbarg er hinter seinem Jünglingsgesicht.«

»Aber er wurde doch später der vielgeliebte Augustus.«

»Ja. Ein Heuchler durch und durch. Wusstest du, dass er in Perugia dreißigtausend Menschen umbringen ließ?«

»Auf was willst du hinaus?«, fragte Julien ratlos.

»Merke dir: Die Welt ist nie so, wie sie scheint. Was siehst du in mir? Einen kleinen Abbé, der sich mühsam durchschlagen muss, von den Kirchenoberen verächtlich behandelt, von den Kirchgängern belächelt. Doch ich sage dir, ich bin ein Teil der Macht, die darauf drängt, die Menschheit vom Kopf auf die Füße zu stellen. Man wird noch von mir hören.«

Julien hatte Mühe, ein Lächeln zu unterdrücken. Immer wieder kam der Abbé mit so seltsamen Bemerkungen, dass er, der so armselig, fast abgerissen wirkte, in Wirklichkeit jemand von Bedeutung sei. Irgendwie bekam er immer die Kurve, darauf hinzuweisen.

»Also, Augustus war ein Schleimer, Heuchler und Intrigant«, stöhnte Julien. »Und was nun?«

»Und ein Mörder«, ergänzte der Abbé. »Aber der Kerl mit dem Unschuldsgesicht wusste, was er wollte und er tat alles für seine Machterhaltung. Alles, Julien. Er war genauso, wie sich Macchiavelli einen Fürsten wünscht. Wenn man ein Omelett haben will, muss man die Eier zerschlagen.«

»Und?«, fragte Julien ratlos.

»Du musst so werden wie er«, sagte der Abbé mit Aplomb.

»Ha? Ich habe keine Lust, ein Schleimer, Heuchler und Mörder zu werden«, protestierte Julien.

»Junge, du hast viele großartige Anlagen. Du kennst nur das Leben noch nicht. Aber wir Phrygier von der Loge des höchsten Wesens wissen, warum Danton die Verantwortung für die Septembermorde auf sich nahm.«

»Er hat dafür mit der Guillotine bezahlt.«

»Nicht dafür. Er war schwach geworden und kungelte mit der Bourgeoisie. Der große Robespierre und Saint Just taten recht ihn zu verurteilen.«

»Leon, für einen Geistlichen bist du ganz schön blutrünstig.«

»Ich sagte doch schon: Ich bin nicht der, der ich zu sein scheine.«

»Und wer bist du? Ich habe außer von dir nie von den Phrygiern oder von der Loge des höchsten Wesens gehört.«

»Wir sind wie die Freimaurer, Templer, Rosenkreuzer und Illuminaten, nur auf der anderen Seite der Barrikade.«

»Als Abbé bist du eine Fehlbesetzung«, erwiderte Julien lachend, der dessen Gerede schon lange nicht mehr ernst nahm.

»Warte ab, Julien, warte nur ab. Wenn die Soldaten des Kaisers geschlagen aus dem Krieg zurückkommen, wenn sie begreifen, wie sehr man sie benutzt hat, wie verlogen das Gerede vom Vaterland ist, schlägt unsere Stunde. Wir Phrygier werden aus dem Dunkel ins Licht treten und es wird sein wie beim Jüngsten Gericht. Wir werden die herrschende Klasse das Fürchten lehren. Die Aristokraten, die Geschäftemacher, die Bankiers und ihre Spekulanten werden der gerechten Strafe zugeführt. Monsieur Guillotine wird wieder zu Ehren kommen.«

»Du willst ein Blutbad?«, entsetzte sich Julien.

»Das Alte, das Verrottete, das Verfaulte muss weg! Wir werden einen neuen Menschen schaffen. Alle werden gleich und frei und Brüder sein, wie es Robespierre und Saint Just einst forderten. Der Menschheitstraum wird wahr werden!«

»Brüderlich kommt mir das Ganze nicht gerade vor.«

»Es ist ein steiniger Weg zum Reich der Freiheit. Von allein stellt sich die klassenlose Gesellschaft nicht ein. Je reicher jemand ist, je mehr Güter er besitzt, umso erbitterter wird sein Widerstand sein. Er wähnt sich im Recht, glaubt, dass sein Reichtum von Gott kommt und er auserwählt ist. Sie werden uns bis aufs Messer bekämpfen. Aber wir werden siegen und sie umerziehen.«

»Heiliger Franziskus. Du bist aber heute mal wieder scharf drauf, da kann einem ja angst und bange werden. Ich glaube, ich muss noch einmal an die frische Luft.«

Julien sprang auf, denn er wusste, dass der Abbé sonst noch stundenlang bei seinem Lieblingsthema verweilen würde.

»Na gut, geh nur. Aber wisse, ich werde meine Hand über dich halten, wenn die großen Tage kommen, und dafür ein­stehen, dass man dich bei den Phrygiern aufnimmt und erst zufrieden sein, wenn du der Loge des höchsten Wesens angehörst. Tod der Bourgeoisie! Tod allen Aristokraten, Bonapartisten und Royalisten!«

»Ja doch, Abbé Leon. Tod allen Gegnern der Freiheit!«, erwiderte Julien genervt und schob den Abbé aus dem Zimmer. Er sammelte die Bücher ein und steckte sie für den nächsten Tag in den Tornister. Pfeifend verließ er das Zimmer.

Mittlerweile war es draußen dunkel geworden. Eine schöne helle Mondnacht. Er ging die Avenue Bugeaud hinunter. Es war nicht die Luft, nach der er Verlangen hatte, sondern die blauen Augen, das blonde Haar, das so reich auf die Schultern fiel. Er ging bis zum Ende der Straße und sah sehnsuchtsvoll zu den hell erleuchteten Fenstern des Palais hinüber. In welchem Zimmer mochte sich Mercedes aufhalten? Dachte sie an ihn? Er wünschte es sich sehr. Er sah nur einen Schemen. Sein Herz schlug schneller. Grüßend hob er die Hand. Dann war der Schatten fort. Vielleicht hatte er nur das gesehen, was er hatte sehen wollen.

»Hat sich der Ladenschwengel etwa in Mercedes Montaigne verknallt?«, riss ihn eine höhnische Stimme brutal aus seinen Wunschträumen.

Auguste stand breitbeinig nur wenige Schritte von ihm entfernt. Hinter ihm grinsten Hubert, Armand, Charles und Jean.

»Was macht ihr denn hier?«

»Wir haben uns nur erkundigt, ob die schöne Mercedes gut nach Hause gekommen ist. Und was hören wir? Der Ladenschwengel maßte sich an, sie zu begleiten. Und als wir uns gerade nach Hause verdrücken wollen, was sehen wir da? Der Streber schmachtet vor ihrer Tür.«

»Ich habe nur das getan, was sich gehört, nachdem ihr euch verdrückt habt.«

»Verdrückt?«, empörte sich Auguste. »Wir wollten nur keinen Skandal verursachen, während unsere stolze Armee vorbeimarschierte. Deswegen haben wir uns zurückgezogen, nachdem du die Zuschauer gegen uns aufgehetzt hattest.«

»Unsinn. Die Menge war nur wütend, weil eure Pferdeäpfel nicht nur mich, sondern mehr noch die vielen Zuschauer getroffen hatten. Ihr habt Angst bekommen und Mercedes im Stich gelassen.«

»Du vergisst, wer du bist«, wütete Auguste. »Mercedes ist eine Montaigne und du bist ein Niemand. Was maßt du dir an, einer Dame das Geleit zu geben?«

Julien hatte vom Vater genug gascognisches Blut mitbekommen, um vor einer Übermacht nicht zu kapitulieren. Aber er war auch klug genug, die glorreichen Fünf nicht weiter zu provozieren.

»Was wollt ihr von mir? Ich will keinen Streit mit euch. Ich wohne hier und habe alles Recht, in dieser Straße spazieren zu gehen.«

»Er versucht eine Poussiererei mit Mercedes«, hetzte Hubert.

»Auguste, lass dir das nicht gefallen.«

»Der Sohn eines Papierhändlers, der sich nur durch Protektion auf die Grande Ecole vorbereiten kann, will sich mit unsereinem vergleichen«, stimmte der schöne Charles ein.

»Mercedes scheint aber etwas für ihn übrig zu haben. Immerhin versuchte sie, uns davon abzuhalten, ihn mit Pferdeäpfeln zu bewerfen«, fügte Jean hinzu, blickte gespannt auf Auguste und wartete darauf, welche Reaktion diese Bemerkung auslösen würde.

»Stimmt. Sie war auf seiner und nicht auf unserer Seite«, stimmte Armand mit verschwörerischem Blick zu.

»Ich werde ihm austreiben, sich an Mercedes ranzuschmeißen!«, brüllte Auguste. »Auf ihn, Kameraden! Es lebe das Kaiserreich!«

Was seine Eifersucht mit dem Kaiserreich zu tun hatte, erschloss sich niemandem, aber alle fünf stürzten sich nun auf Julien. Auguste vermochte er noch zurückzustoßen, aber dann warfen ihn die anderen zu Boden und prügelten auf ihn ein. Er versuchte den Kopf abzudecken, aber es half ihm nicht viel. Sie traktierten ihn obendrein mit Füßen. Julien brüllte seine Wut und seine Scham heraus. Seine Widersacher lachten höhnisch.

»Dir wird die Lust vergehen, den Blick auf eine Demoiselle von Stand zu werfen«, kreischte Auguste.

»Was geht hier vor?«, meldete sich eine Stimme aus der Dunkelheit.

Leon Flamboyant fuchtelte mit seinem Spazierstock und widerstrebend ließen die Jungen von Julien ab.

»Macht, dass ihr fortkommt, ihr Pack, sonst …!«, rief der Abbé.

»Wer ist denn der Kerl? Ein Bettlerabbé?«, höhnte Auguste. »Wisse, dass mein Vater Minister im Kabinett des Kaisers ist.«

»Ach so! Auch einer dieser Lumpen, die Frankreich ins Verderben führen. So einer gehört auf die Guillotine«, erwiderte Flamboyant mit bösem Lächeln.

Auguste erstarrte. Fassungslos drehte er sich zu seinen Freunden um, hatte er doch noch gehört, wie sein Vater geschmäht wird.

»Lump nennt er meinen Vater? Habt ihr gehört, dieser seltsame Abbé spricht von der Guillotine? Das dürfen wir nicht zulassen, dass man die Obrigkeit schmäht. Diesem Kerl müssen wir es geben, was, Freunde?«

Aber die Freunde hatten nicht viel Lust, sich mit einem ausgewachsenen Mann, der zudem sehr energisch aussah und einen Stock hatte, auseinanderzusetzen.

»Lass es gut sein, Auguste. Julien hat sein Fett abbekommen«, sagte Jean.

»Feiglinge!«, keuchte Auguste. »Wenn ihr kneift, dann werde ich dem Abbé eben allein eine Tracht Prügel verabreichen.«

Er bückte sich schnell, hob einen Stein auf und wollte das wiederholen, was er auf den Champs Elysées mit den Pferdeäpfeln vorgeführt hatte. Doch der Abbé zog einen Degen aus dem Stock.

»Komm, Bürschchen, komm nur, Herrenjüngelchen!«, sagte Leon Flamboyant und hielt Auguste den blitzenden Stahl entgegen. Auch im Funzellicht der Gaslaterne blinkte dieser gefährlich und unheilverkündend. Auguste machte ein paar Schritte zurück.

»Auguste, nichts wie weg!«, kreischte der schöne Charles.

Dieser sah ein, dass seine Aussichten, unverletzt davonzukommen, nun nicht mehr sehr erfolgversprechend waren und nickte. Die Jungen gaben Fersengeld, liefen aus der Straße hinaus und verschwanden im Dunkel.

Julien rappelte sich hoch.

»Wie geht’s, mein Junge?«, fragte der Abbé und zog Julien hoch.

»Mir tun alle Rippen weh.«

»Ist doch gut, dass ich plötzlich Lust verspürte, noch ein wenig frische Luft zu schnappen. Was war denn das für eine Aristokratenbande? Es waren doch Aristokraten, nicht wahr?«

Julien zuckte mit den Achseln.

»Sie gehen mit mir auf die Ecole. Ihre Eltern sind wichtige Leute.«

»Da siehst du, wie recht ich habe, dass wir eine Veränderung herbeiführen müssen.«

»Ach, Abbé, sie sind unermesslich reich und mächtig. Dagegen vermag niemand etwas.«

»Du irrst. Der Wunsch nach Freiheit und Gleichheit vermag alles.«

Gemeinsam gingen sie zu ihrem Haus zurück.

An diesem Abend war Julien Morgon dem Abbé dankbar und hoffte mit ihm, dass sich bald alles ändern würde, wenn er auch nicht ganz so blutrünstig dachte wie Leon Flamboyant. Hoffentlich habe ich kein blaues Auge, wenn ich morgen Mercedes treffe, dachte er besorgt. Dies beschäftigte ihn viel mehr als der Tag, der das Oberste zuunterst kehren würde.

Der Palast der unsterblichen Dichter. Das größte Abenteuer seit Dumas' Monte Christo

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