Читать книгу Mann ohne Kindheit - Heinz Michael Vilsmeier - Страница 12

Ja, dann gab es die Folter auch noch.

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Bonobo: Ja, dann gab es die Folter auch noch.

HMV: Bitte?

Bonobo: Folter gab's dann auch noch!

[Schweigen]

Es gibt anscheinend Menschen, die es lieben, Kinder zu quälen, zu drangsalieren, ihnen Schmerzen zuzufügen, zu verletzen, zu schneiden, zu ritzen … Alles, was man sich vorstellen kann! Und das geilt die dann anscheinend noch so richtig auf.

[Schweigen]

Miriam sollte … Ich muss das so erklären! Miriam war immer ein recht lustiges Mädel, hat alles ziemlich locker gesehen – war Einiges gewohnt, muss man sagen. Schmerzempfinden war nicht sonderlich viel da. Sie hat immer alles mit einem gewissen Abstand gesehen. Hat … ja, sich über gewisse Dinge einfach lustig gemacht. … Und dann kam Gilbert und sagte zu der Miriam: „Der und der ist da, gehst in die Waldhütte.“ Miriam war wie ausgewechselt, total still, total ruhig – regelrecht gezittert! Und da hab ich drauf bestanden, dass ich mitgehe. Nach langem hin und her hat Gilbert gesagt: „Okay, gehst halt mit!“ Dann sind wir da irgendwo hingefahren, zu so einer Blockhütte oder Jägerhütte … irgendwie. Die bestand aus zwei Räumen. Man kam durch die Tür rein, dann war da so ein großer Raum und da stand eine Couch drin, ein Tisch, da gab's Alkohol. Und dann gab es einen Nebenraum, da sollte die Miriam rein. Da war die Miriam und wir waren drei Jungs. Wir waren alle still, ich hab gar nichts kapiert. Da war dann ein … Also zwei Männer mit der Miriam in diesem Raum verschwunden. … Ja gut, irgendwann hör ich die Miriam schreien, da bin ich aufgesprungen, wollte in diesen Raum da rein … Gilbert versucht mich festzuhalten. … Ich wehr' mich, stürz' da rein, sehe die Miriam auf den Tisch gekettet. So … Beine breit! Und er gerade am Vergewaltigen. Aber heftig! Feste Stöße! Aber wirklich! … Ich bin dann auf ihn los, hab gebissen, getreten, gekratzt … Einer hat mich dann weggezogen … Ich bin geschlagen worden. Dann haben sie mich auch dahin und gezwungen zuzugucken. Ich wurde dann festgekettet, kam da nicht mehr weg! Sie haben dann Miriam weiter vergewaltigt …

HMV: … Wer hat das getan …?

Bonobo: Das waren zwei Männer. Mich hat man dann auch gleich dazu genommen, mit Wissen und Billigung von Gilbert. Dem ging es darum: „Dass er mal lernt, dass er das Maul zu halten hat!“ So ähnlich war das …

HMV: … so hat er das gesagt!?

Bonobo: So ähnlich, ja! … Ah … Das tat weh! … Das tat weh!

HMV: Und es waren noch andere Kinder?

Bonobo: Es waren noch zwei andere Jungs. Aber was mit denen … Nie wieder gesehen! … Ich bin dann … Also irgendwann wurde man dann endlich mal erlöst. … Mir kam das wie eine Ewigkeit vor. … Wir sind dann zurückgefahren, die Jungs sind in der Hütte geblieben. Die kamen nicht mehr wieder. Also man kann sich ungefähr vorstellen … Ah, was da war! … Was die, bis sie endlich erlöst waren, durchgemacht haben.

[Schweigen]

HMV: Haben Sie so etwas öfter erlebt?

Bonobo: Dass, wie mit Miriam, nur einmal. Ich war nie wieder in dieser Hütte! Ich wurde, Gott sei Dank, nie wieder da hingebracht! … Also das war …

[Schweigen]

HMV: War Miriam ein Mädchen, dass für dieses Bordell geraubt worden war oder die für die Prostitution, wie Sie vorhin sagten, „gezüchtet“ worden war?

Bonobo: … Sie war eine Züchtung, ja. – Produziert. … Das weiß ich heute.

HMV: Miriam ist demnach als missbrauchtes Kind, von ganz klein an, aufgewachsen ...?

Bonobo: Ja.

HMV: … und man hat ihrem Leben dann ein Ende gesetzt, also sie neun war?

Bonobo: Neun oder zehn. Also, sie war etwa so alt wie ich. Von der Größe her. Ich würde sagen, sie war etwa so alt wie ich, neun, zehn, elf … Zwei, drei Monate rauf oder runter!

HMV: Warum hat man sie ermordet?

Bonobo: Ja weil ich diesen blöden Spruch losgelassen hab! Weil ich gesagt hab: „Wenn die jetzt mit dem mit muss, dann erzähl ich's meiner Mutter!“

HMV: Um Sie einzuschüchtern!?

Bonobo: Um mir klar zu machen: „Alter, wenn du s'Maul aufmachst, deiner Familie geht’s dann genau so, wie der Miriam!“ … Das war Sinn und Zweck der ganzen Geschichte! Dass ich dann natürlich zu nichts mehr zu gebrauchen bin, damit haben sie wahrscheinlich nicht gerechnet. Die haben wahrscheinlich gedacht, ich mach dann so weiter, oder er kriegt sich wieder ein … Aber das … Mir war alles so scheißegal. Mein ganzes Leben war mir so scheißegal! Mir war alles Wurst. Die konnten gerade machen mit mir, was sie wollten! … Auch mit den Anderen! Das hat mich alles nicht mehr interessiert. … Ich hab immer versucht, mich irgendwie reinzuhängen und … Hab bei manchen Kunden versucht, dass sie es lieber mit mir machen, als dass sie es mit der Miriam machen … Einige haben sich darauf eingelassen, andere nicht! … Ja, ich hab das Kind einfach geliebt! Das war mein Mädel! Ich war eifersüchtig! Ich wollte nicht, dass der mit ihr ins Bett geht! Das war denen aber Wurst. … Die hätten mich auch umbringen können, das war mir scheißegal!

HMV: Hatten Sie Angst um Ihr Leben?

Bonobo: Da dann nicht mehr, weil es mir einfach Wurst war! … Anfangs, früher – ja! Vor allem, wie wir in die Katakomben rein sind!

HMV: Von welchen Katakomben sprechen Sie?

Bonobo: Totale Freaks! … Also, so etwas Irres hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen! Ich weiß nicht genau, wo wir da waren. Aber wenn ich mich richtig erinnere, muss das irgendwo belgientechnisch sein. Da waren wir in so unterirdischen Gängen, höhlenartig. Da waren Käfige. … In der Wand. … Da waren Käfige, da waren Kinder eingesperrt, kleine, größere. Vorne war so ein Altar. Schwarz gekleidete Männer, total bekloppt, krank! Absolut krank! … Die haben da einen Hasen geopfert. Kinder geopfert …

HMV: … wie Bitte!?

Bonobo: Kinder geopfert! … Die wurden erst vergewaltigt und dann musste ein Kind das andere … Da musste ein Mädchen, lassen wir sie mal zwölf gewesen sein, dann war sie alt, ein Mädchen, was vielleicht sieben oder acht ist, umbringen. … Messer ins Herz stechen! … Dann ist das Herz raus geholt worden. … Ja. … Daran kann ich mich nicht mehr so genau … Da ist einiges weg! Ich weiß nicht genau, was da noch alles gewesen ist. Es muss brutal gewesen sein, schlimm gewesen sein! Ich krieg das nicht mehr so ganz auf die Reihe! Ich kann mich an die Katakomben … Wie so Affenkäfige! Wie so Affenkäfige! So, so in Reih und Glied, so entlang … schöne Kinder!

[Schweigen]

HMV: Es war ein Kellersystem, in dem Zellen für Kinder waren …

Bonobo: Ja!

HMV: … und da wurden Kinder geopfert, gemartert!?

Bonobo: Also ich weiß nicht, warum ich da dabei war, was der Sinn und Zweck … Das ist so ein Ding, was ich nicht mehr so richtig in Erinnerung hab. Ich kann … Ich seh diese … Ich weiß, als wir dran vorbeigelaufen sind, auf der rechten Hand waren diese Käfige in der Wand eingelassen. … Ich kann mich an diesen Altar erinnern, aber was da mit mir gemacht worden ist … Ich weiß nicht. … Ob ich vielleicht unter Drogen gesetzt worden bin? … Ich hab keinen Plan. Normalerweise war es eigentlich verpönt. Drogen und Alkohol waren in diesem Bordell verpönt! Also, man durfte das in nüchternem Zustand alles schön miterleben, was vielleicht für mich heute mein Glück ist, weil ich weder drogen- noch alkoholabhängig bin, dass ich das Zeug absolut nicht will. Ich brauche es nicht und ich will es nicht! Ich hab noch nie irgendwelche Drogen genommen, Alkohol ja, mal ein Bierchen, oder so … Aber da!? Ich weiß nicht, ob sie mich vielleicht unter Drogen gesetzt haben...!? Das ist so ein Ding! Ich weiß nicht, ob das, vielleicht, später wieder einmal da ist. – Da ist ein Loch, in meiner Erinnerung.

HMV: Wie alt waren Sie?

Bonobo: Acht, neun. … Miriam war noch da. Die war nicht dabei. Aber sie hat da noch gelebt, das weiß ich!

[Schweigen]

Warum ich da hingeschleppt wurde …? Ich hab keine Ahnung.

HMV: Kann es sein, dass irgendein Kunde Sie da mit hinnehmen wollte?

Bonobo: Ich war mit Gilbert und noch irgendeinem. … [Schweigen] … Aber Sinn und Zweck versteh ich nicht.

HMV: Da waren schwarz gekleidete Männer – waren da auch Frauen?

Bonobo: Die waren dort auch. … Wie gesagt, ich kann mich nur so schemenhaft daran erinnern! Sonst hab ich eigentlich eine ziemlich klare Erinnerung an das Ganze, an den ganzen Scheiß! Aber da ist irgendwie ein Blackout da. … Wer weiß, was da abgelaufen ist. … Ich weiß nicht mehr, wie wir dieses Ding verlassen haben! Das weiß ich einfach nicht mehr.

HMV: Wie lange waren Sie dort?

Bonobo: Keine Ahnung … !

HMV: … mehr als einen Tag … ?

Bonobo: Ich kann es echt nicht genau sagen. Ich weiß es nicht!

HMV: Aber Sie haben in Erinnerung, dass ein älteres Mädchen einem jüngeren Mädchen …?

Bonobo: … Ja! Und – dass dieses Herz herausgeschnitten wurde. Ich glaube jetzt, mich erinnern zu können – oder geht vielleicht die Phantasie mit mir durch!? Ich weiß es nicht. … Dass dieses Herz gegessen wurde. … Aber das ist so ein Ding, das würde ich jetzt … Muss ich jetzt ganz ehrlich sagen … Da bin ich mir nicht hundertprozentig sicher, ob das jetzt meiner Vorstellungskraft entspringt … Dass die durchaus fähig sind, so etwas zu machen, oder ob es wirklich so war. Das weiß ich nicht. Lassen wir es einfach so hingestellt. Ich weiß es nicht. Also Kannibalismus? – Das glaube ich nicht! Ich kann mich wahrscheinlich nur an diese Katakomben erinnern, weil ich dieses höhlenartige System … Das finde ich heute noch faszinierend.

HMV: Meinen Sie, dass die Kinder, die in diesen Zellen waren, das mitbeobachtet haben?

Bonobo: Nee, das war ja zu weit hinten. Das war ja alles verwinkelt und verzweigt, das weiß ich noch. Es gingen ja mehrere Gänge ab. Wer weiß, was in dem anderen Zeug alles war. … Keine Ahnung!

[Schweigen]

HMV: Bonobo, … Ich muss jetzt eingestehen, dass ich ein bisschen neben mir stehe! Ich bin … momentan … völlig überwältigt … von dem, was Sie erzählen. Das ist Horror pur!

Bonobo: Ja.

HMV: … Das … Ich denke, wenn man so etwas schreiben würde, dann gäbe es wahrscheinlich sehr, sehr viele Leser, die das für pure, kaputte Phantasie halten würden.

Bonobo: Ach, das habe ich schon öfters gehört.

HMV: Alles ausgedacht?

Bonobo: Mhm.

HMV: Mit einer kranken, dreckigen Phantasie. – Sie sagen, das ist Wirklichkeit?

Bonobo: Ja. … Ich weiß, das ist Wirklichkeit! Sehen Sie sich doch mal die Berichte, die es über Kindesmissbrauch und Kindermorde gibt, was es da alles gibt, an einem Stück an. Ich wette, Sie werden Vieles nicht mehr in Zweifel ziehen! Und wenn Ihnen das noch nicht reicht, sage ich nur noch Zweiter Weltkrieg, Mengele und Konsorten! Dann wissen Sie, was Wirklichkeit ist und was nicht!

HMV: Und das ist wahrscheinlich nicht nur Wirklichkeit in den 90er Jahren gewesen …

Bonobo: Das ist Wirklichkeit in den 70ern, 80ern.

HMV: Ach so, in den 90er Jahren waren Sie ja eigentlich schon erwachsen! Aber war es so, dass das in den 90er Jahren so weiter ging?

Bonobo: Ja, auf einer etwas feineren, subtileren Art. Dank dem Internet ging das explosionsartig hoch.

HMV: Es wurde eher mehr?

Bonobo: Die Produktion von Kinderpornos, die hat schlagartig zugenommen! Also zu BTX-Zeiten ging es noch, da mussten die Filme immer noch irgendwie verschickt werden. Das hat man meistens über Boten gemacht, nicht über die Post oder so, sondern per Boten ging das. … Aber Internet – explosionsartig! Explosionsartig! Das sind Milliardenumsätze, das kann sich … Wenn sich die Leute mal dafür interessieren würden!

HMV: Und das ist auch Gegenwart!?

Bonobo: Natürlich.

HMV: Sie wissen das?

Bonobo: Ich wollte selber ein Puff aufmachen! Ich hatte entsprechende Kontakte, ich hätte mir jederzeit Kinder kaufen können. Ich hätte das sogar vorgestreckt gekriegt, wenn ich das Geld nicht gehabt hätte! Alles überhaupt kein Thema!

HMV: Wer hätte Ihnen das vorgestreckt?

Bonobo: Die „Organisation“! … Ich schlag das jemand auf, wenn ich jetzt ein Puff aufmache, ihr kriegt soundsoviel Prozent, könnt ihr mal ein bisschen Startkapital in Form eines Jungens, eines Mädchens oder zwei … Wo ist das Thema!? Wo ist das Problem!? Ich hätte es im Endeffekt nicht viel anders gemacht, wie Gilbert und Co. … Ja.

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