Читать книгу Mann ohne Kindheit - Heinz Michael Vilsmeier - Страница 13
Dein Kind verschwindet!
ОглавлениеHMV: War dieser Gilbert jemand, der eine ähnliche Karriere hinter sich hatte, wie Sie?
Bonobo: Nein! Das war der Bruder vom Chef-Chef-Chef-Chef. Vom ganz großen Chef. … Ich möchte darauf jetzt nicht weiter eingehen!
HMV: Okay.
Bonobo: „Organisation“ reicht. Das ist, wie gesagt, eine riesige Organisation. Das ist nur ein kleiner Abzweig. Der war der Bruder vom Chef der ganzen Organisation. Mehr muss man nicht wissen! [lacht] Das … Ja. Und das ist nicht die einzige Organisation.
HMV: Müssen diese Leute nicht Angst haben, …
Bonobo: … Nee!
HMV: … dass Sie sprechen?
Bonobo: Nee! – Weil, ich hab noch eine Familie! Und die Drohungen sind recht eindeutig. … Also, ich hab ja damals für diese Organisation nur deswegen gearbeitet, weil sie mich in der Hand hatten. Ich bin ja mit 19 Jahren Vater geworden … Und die haben mich einfach in der Hand gehabt: „Dein Kind verschwindet! Wenn du nicht machst, was wir wollen, ist sie weg!“ … Und was das heißt, konnte ich mir gut ausmalen.
HMV: Für Ihr eigenes Kind wollten Sie so ein Schicksal auf jeden Fall vermeiden?
Bonobo: Natürlich! Natürlich! … Ich sage ja, das ist alles ambivalent! Das ist krank, das ist einfach krank! Kinder zu vögeln war für mich vollkommen in Ordnung. – Aber nicht meine Tochter! Das … Ja! …
HMV: Wann sind Sie geboren?
Bonobo: 1970, im Dezember.
HMV: 16 Jahre verbringen Sie jetzt im Strafvollzug, bzw. im Maßregelvollzug?
Bonobo: Ja.
[Schweigen]
HMV: Sie möchten, dass durch eine Publikation die Öffentlichkeit erfährt, was es hier für eine Parallelwelt gibt.
Bonobo: Ja.
[Schweigen]
Dieses Organisierte! … Ich meine, im Internet schwirren ja auch private Aufnahmen herum. Die Kinder werden es wahrscheinlich genau so wenig freiwillig machen. Da wird im Hintergrund auch irgendetwas sein! Aber da, wo es organisiert ist, da ist es ganz besonders schlimm. Weil die ein anderes Interesse haben. Da steht Geld im Vordergrund, viel Geld!
HMV: Haben Sie die Hoffnung, dass dadurch, dass Sie darüber sprechen, … diese Parallelwelt auffliegt oder abgeschafft werden könnte?
Bonobo: Nein, das wäre utopisch! Das wäre einfach utopisch! … Meine Hoffnung ist eigentlich, dass die Welt, der Normalbürger, Otto-Normal-Verbraucher, wie man so schön sagt, irgendwie die Augen offen hält. Ich weiß auch nicht. Dass irgendwie ins Bewusstsein gerät, dass das mit Kindern gemacht wird. Dass, nicht alle, aber die Meisten, die meisten pädophilen Täter irgendwie so etwas in dieser Richtung erlebt haben, erfahren haben. Das kommt ja nicht von ungefähr. Im Grunde genommen ist das eine unendliche Spirale. Dass Prävention gemacht wird, dass … Ja, ich weiß nicht, wie ich es erklären soll!
[Schweigen]
HMV: Ich glaube, dass die Gesellschaft davon nichts weiß. Also ich für mich muss sagen, dass ich davon …!
Bonobo: … auch wenn nur Ansätze vorhanden sind … Das ist ja das Schlimme!
HMV: Wenn von Kindesmissbrauch die Rede ist, dann denkt man an Pfarrer, die vielleicht ihre Ministranten missbrauchen, oder man denkt an Menschen in Heimen, die sich an den Kindern vergehen. – Aber diese Dimension, von der Sie sprechen …
Bonobo: … wissen Sie, das Allerschlimmste ist ...
HMV: … ist mir persönlich nicht bekannt.
Bonobo: Das ist sehr wenigen Leuten bekannt! Aber ich möchte Ihnen mal was sagen, gerade was dieses Pfarrerpack betrifft. Man hört davon auch nicht recht viel, wie sie das gemacht haben und was im Hintergrund alles gelaufen ist, damit sie die Kinder missbrauchen konnten. Ich hatte das unverschämte Glück, einen Mann kennen zu lernen, in Straubing, der genau das erlebt hat. Und der hat mir Dinge erzählt, die sind von meinen Sachen nicht weit entfernt! Die sind von meinen Sachen nicht weit entfernt! Das ist … Einfach mal so drüber hinweg gerutscht, das ist es einfach nicht! Die haben sich reihenweise an den Kindern vergangen! Die haben sich daran ergötzt – an Schmerz, an Leid! Die sind mit Hunden bedroht worden …
HMV: … die Kinder?
Bonobo: Ja! Der hat mir Dinger erzählt! – Boah! … Also von meiner Welt, von meiner Geschichte. … Ja, dort im Namen Gottes, bei mir im Namen Gilberts. Aber der Unterschied ist nicht so deutlich groß! Das ist … Also ich … Da war ich geschockt, wie ich das gehört hab, dass es das nochmal gibt.
HMV: Sie meinen, außerhalb dieser organisierten Sphäre?
Bonobo: Natürlich. Das sind ja nicht die Einzigen, die Kinder vögeln, die Kinder missbrauchen! Das ist doch ...
HMV: … das heißt, diese Freier, diese Kunden, die sind sozusagen privilegiert, weil sie sich die Bordellbesuche leisten können …
Bonobo: Richtig!
HMV: … und die Anderen …
Bonobo: … die holen sich Kinder von der Straße oder sonst wie. Es gibt auch – kleinere Bordelle, wo ein Kind nicht so teuer ist. Es gibt doch genug Beispiele! … Wie damals der Kleine da verschwunden ist, der Fünf- oder Sechsjährige, in der Kneipe, der mehrfach missbraucht wurde, bis sie ihn umgebracht haben, wo die Wirtin sogar ihre Kinder verkauft hat. Glauben Sie echt, dass es denen besser ging als mir!?
HMV: Welche Geschichte ist das?
Bonobo: Ach … Wie lang ist das jetzt her? War ich da schon in Haft? – Ja! Zehn Jahre ist das bestimmt schon her. Da war ein Mordsaufschrei. Da war eine Kneipenbesitzerin einer Dorfkneipe. Da wurde ein Kind mehrfach missbraucht, wurde letztendlich irgendwann umgebracht. Dann hat man halt nach der Leiche gesucht … Das war halt ein Kind mit sozialem Hintergrund. Man hat dann irgendwann die Leiche gefunden, hat einige Männer angeklagt, inklusive dieser Wirtin, wo dann herauskam, dass sie ihre Kinder, von denen zumindest eines behindert war, auch zum Missbrauch angeboten hat. Erfolgreich, anscheinend. Ich meine, wenn man sich solche Sachen anhört, wie … Na, wie heißt der denn? Dieser Österreicher, der seine Tochter jahrelang im Keller versteckt hat …!?
HMV: Der Fritzl.
Bonobo: Genau. Das ist auch so ein unglaubliches Ding. Wenn das einer so erzählt, sagt man: „Der ist krank, der ist doch krank, so was zu erzählen! Das ist Phantasie, das macht doch kein Mensch!“
HMV: Sie meinen, das ist keine Seltenheit?
Bonobo: Nö. … Also ich war in diesem riesigen Teich ein kleiner, klitzekleiner Tropfen! Und es gab Millionen von Kunden. Und ich war, in dieser Organisation, von der Masse ein Nichts! – Also ich hab innerhalb von Monaten Millionen verdient – und ich hatte Millionen von Kunden!
HMV: Wie, Sie haben „Millionen verdient“?
Bonobo: Ich war mal steinreich, bevor sie mich beklaut haben.
HMV: Sie sprechen von der Zeit, in der sie selbst Kinderprostitution betrieben haben?
Bonobo: Ja. – Also nicht … Ich hab nicht soviel daran verdient, dass ich den Frank und den Tobias angeboten habe, sondern hauptsächlich an Bildern und Filmen, die ich natürlich „der Organisation“ geklaut hab. … Ja, da waren sie nicht gerade begeistert davon! Das Geld haben sie sich dann geholt. Ich bin dann eingesperrt worden. Acht Jahre später … Haben sie es raus gefunden, wo das Geld ist und dann haben sie es sich zurück geholt. … Ich war mal Multimillionär – kurze Zeit!
[Schweigen]
HMV: Bonobo, sollen wir an einem anderen Tag weitermachen?
Bonobo: Würde ich sagen. … Das reicht.
HMV: Morgen.
Bonobo: Morgen? – Husch!
HMV: Morgen Vormittag.
Bonobo: Mhm. – Wie ist Ihr Name nochmal, den hab ich total vergessen!?