Читать книгу Mann ohne Kindheit - Heinz Michael Vilsmeier - Страница 7
„Ach, mein Kleiner wird langsam erwachsen!“
ОглавлениеHMV: Gut, das kommt sicherlich später. Lassen Sie uns nochmal zurück gehen, wie sie es damals erlebt haben. Sie fuhren also mit Miriam und diesem Mann, der sich als ihr Vater ausgab …
Bonobo: Gilbert!
HMV: Gilbert! – Zu dessen Anwesen. Dort waren viele andere Kinder, nackt – auch Erwachsene!?
Bonobo: Später – auch.
HMV: Also beim ersten Mal waren keine anderen Erwachsenen da.
Bonobo: Doch, auch, aber erst später. Ich bin da rein gekommen und da waren erst mal nur die Kinder. Das ist eine große Halle gewesen. – Man muss sich das so vorstellen: Das ist ein riesiges Haus gewesen! Wenn man rein kommt, sieht man gleich eine riesige Halle, den Eingangsbereich. Und da sind halt die Kinder herum gehüpft – nackt! Es war ein Schwimmbad da, es war eine Sauna da, es war alles da! Es war ein Arztzimmer da, eine richtige Praxis. Ein Filmstudio war da und viele Schlafzimmer. Alles, was das Herz begehrt. Mit Wald, mit Tieren, alles drum und dran, mit Katzen. Alles, was man sich vorstellen kann. Hühner haben sie auch gehabt.
HMV: War das ein landwirtschaftliches Anwesen?
Bonobo: Ich würde es als Herrenhaus bezeichnen. Das ist ein Riesen Ding! Mitten im Wald drinnen, mehr oder weniger, mit einer langen Zufahrtsstraße. Das ist wie im Film, das Ding. – Und ich weiß nicht, wo das Ding steht!
HMV: Sie wissen nicht, wo das Anwesen ist?
Bonobo: Ich weiß nicht, wo das Ding steht! Ich finde es nicht!
HMV: Wie heißt Ihr Heimatort?
Bonobo: Alzenau – das ist bei Aschaffenburg. Würzburg / Aschaffenburg, dann Hanau, Frankfurt.
HMV: Vermuten Sie das Anwesen in der Nähe von Aschaffenburg?
Bonobo: Ich tendiere eher zu Frankfurt. Ich weiß es nicht. Man hat es dann so gemacht, dass ich so genial abgelenkt wurde, dass ich das so nicht mitbekommen habe, wo wir überhaupt hinfahren.
HMV: Sie haben kein Gefühl mehr dafür, wie lange die Fahrt dahin gedauert hat?
Bonobo: Wir sind, erstens, andere Wege gefahren, zweitens, es hat einmal lang gedauert, dann war es wieder relativ kurz. Wir sind einmal Autobahn gefahren, wir sind einmal keine Autobahn gefahren – das weiß ich noch. Dann habe ich mich, irgendwann, da war ich neun oder zehn, gefragt, warum wir einmal so und einmal so fahren. Aber ich hab mir keine großen Gedanken darum gemacht.
HMV: Neun oder zehn – das heißt, bis dahin sind circa 5 Jahre vergangen!?
Bonobo: Ja.
HMV: Okay. – Sie erzählten gerade, wie sie zum ersten Mal dort hin kamen und wie sie das wahr genommen haben, mit den anderen Kindern. – Was ist dann passiert?
Bonobo: Ich wurde quasi den Kindern bekannt gemacht, dann durfte ich mit denen spielen. Das Erste, was es dann hatte, war, dass ich mit drei anderen Kindern in einen Raum gehen musste, da waren drei Männer, zwei Frauen gesessen, wenn ich mich recht erinnere. Wir haben uns da in die Mitte hinstellen müssen, die haben so einen Kreis gebildet, sodass wir ja nicht mehr abhauen konnten. Und dann … ja, durften die uns anfassen. Das war eigentlich, im Großen und Ganzen, erst mal so alles.
HMV: Wie „anfassen“?
Bonobo: Ja! Wir haben halt da gestanden und sie durften uns streicheln … Penis anfassen. Wir konnten – mussten aber nicht, sie anfassen. Das war, keine Ahnung, was das für ein Spiel gewesen sein soll! … Zum Einführen oder … Keine Ahnung!
HMV: War Miriam auch dabei?
Bonobo: Nein, ohne Miriam. Drei Jungs. Und, wie gesagt, drei Männer und zwei Frauen. Irgendwie so – wenn ich mich recht erinnere. … Ja … Wobei die Leute angezogen waren. Das war damals so. Aufgenommen wurde es, das weiß ich noch! Aber ich hab das Ding nie wieder gesehen! Keine Ahnung, was damit passiert ist, was sie damit gemacht haben. … Das war so das Erste. Ich wurde dann auch gefragt, ob es mir Spaß macht. … Pfh – ich hab auch noch gesagt: „Ja!“ … Ja und dann kamen die ersten, richtigen Freier. Ich wurde dann langsam eingeführt. Also, ich bin dann erst dem Arzt vorgeführt worden. Wir haben ihn „Hundenase“ genannt, weil er, aus irgendwelchen Gründen auch immer, am Geschlechtsteil der Kinder geschnüffelt hat – wie so ein Hund eben! Dem wurde ich also vorgestellt, der hat mich untersucht, von Kopf bis Fuß. …
HMV: … Bitte?
Bonobo: Der hat mich untersucht! Von Kopf bis Fuß. … Ja … Ist dann eben zu der Entscheidung gekommen, dass ich soweit gesund bin, dass man mich vögeln kann, um es jetzt mal einfach krass auszudrücken. … Und daraufhin hatte ich dann meinen ersten Sex mit Gilbert, der mir einen geblasen hat und ich hab ihm einen blasen müssen. Und der auch das erste Mal Analverkehr mit mir gemacht hat. … Öh … ja, tat Scheiße weh. … Nachdem das dann vorbei war, durfte ich gnädiger Weise zu Miriam. An diesem Tag war dann damit Schluss. Miriam hat mich gedrückt, ich hab geheult, es tat mir alles weh. Miriam hat mich getröstet, usw. usf. Hat so etwas gesagt wie: „Irgendwann macht dir das nichts mehr aus!“ Ich hab nicht ganz kapiert, was sie damit meint. … [kichert] … Ja! … Beim zweiten Mal, also am nächsten Tag dann, wollte ich mich weigern. Das war dann ein fremder Mann, der Sex mit mir machen sollte – oder wollte. … Wollte ich mich weigern. Daraufhin hat man mir einen Hund geschenkt, einen kleinen Welpen. Und das ist mein Hund, auf den muss ich jetzt aufpassen, den muss ich füttern, mit dem muss ich in den Garten raus, usw. usf. … Und wenn ich nicht brav bin, nehmen sie mir den Hund weg. Und das war dann mein Hund. Ich wollte nicht, dass sie ihn mir wegnehmen, also hab ich mitgemacht. … Ja, so ging das halt. … Ich wurde dann ein bisschen aufmüpfig, weil ich festgestellt habe, ich kann mir ein bisschen mehr erlauben, wie die anderen Kinder, was ich … Den Grund dafür habe ich erst später richtig mitgekriegt. – Ich hatte ja eine Familie im Hintergrund und jede Verletzung musste in irgendeiner Form erklärt werden. Das ist – war der Grund, warum ich mir ein bisschen mehr heraus nehmen konnte und ich ein bisschen weniger geschlagen wurde, wie die Anderen, oder nicht zu den größten Arschlöchern hingebracht wurde. – Sagen wir es mal so.
HMV: Man hat sie geschlagen?
Bonobo: Ja – aber bei weitem nicht so, wie die Anderen. Ich hab mal eine Ohrfeige gekriegt oder den Arsch drauf, oder eine auf den Hinterkopf … Ptt ... [deutet einen Klaps an] … „Bist Du jetzt brav!“ – So etwas schon.
HMV: Es stand also nicht nur die Drohung im Raum, dass man Ihnen den Hund weg nimmt, womit man Sie unter Druck gesetzt hat, man hat Sie auch …
Bonobo: … körperlich gezüchtigt. – Also mit dem Hund oder mit den Tieren allgemein. Es gab ja auch Katzen, drum und dran, das, was man am liebsten hatte … Also ich hatte halt einen Faible für Hunde, da hat man so einen Hund geschenkt gekriegt. Und wenn man ein bisschen übertrieben hat oder nicht mehr so ganz bei der Stange war, wie man sein sollte, oder wenn nur die Gefahr bestand, bei mir speziell, dass ich eventuell versuchen könnte, irgendetwas zu verraten, ist man kurzerhand hergegangen und hat den Hund umgebracht. In Beisein des Kindes. … Also meinem ersten Hund, dem hat man den Hals durchgeschnitten, wo ich zugucken musste. Ich hab geheult wie ein Schlosshund. Das war mein armer Hund und hin und her. Da war ich lange Zeit sehr, sehr brav. Dann habe ich wieder einen Hund geschenkt gekriegt. Ich wollte nicht haben, dass der das gleiche Schicksal erfährt. – Aber im Grunde genommen, konnte man machen, was man wollte, der wurde irgendwann … Der war dafür … Der wurde einfach irgendwann umgebracht! Das ist … Ja, und irgendwann … Ich glaube, ich hab sechs oder sieben Hunde verschlissen! Irgendwann wusste ich ganz einfach, dass das einfach ein Spiel für die ist, um mich irgendwie bei der Stange zu halten. – Das hat irgendwann einfach nicht mehr gewirkt! Das … Ja!
HMV: … Das ist sehr grausam, was Sie da gerade erzählen!
Bonobo: Ha!
HMV: Ich fasse es gerade nicht! – Als Sie das erste Mal an diesem Ort waren, waren Sie zwei Tage dort …
Bonobo: … das Wochenende!
HMV: Das Wochenende – und dieser Gilbert hat Sie vergewaltigt!?
Bonobo: Ja.
HMV: Dann, am nächsten Tag, war es ein anderer Mann!?
Bonobo: Ja.
HMV: Hat man Ihnen da schon diesen Hund geschenkt … ?
Bonobo: Ja, ja, den hatte ich vorher schon.
HMV: Beim ersten Mal hat man Ihnen diesen Hund geschenkt?
Bonobo: Ja, als Dankeschön, dass … dass ich so brav war, durchgehalten hab und drum und dran. … Und wenn ich immer so schön brav bin, dann ist das mein Hund. So wurde das …
HMV: Dann hat man Sie … Sie wollten sich am zweiten Tag weigern, weil das beim ersten Mal so wahnsinnig schmerzhaft war …
Bonobo: Ja.
HMV: … und dieser Fremde, der hat Sie gezwungen … ?
Bonobo: Nee, der hat mich gefickt. Gezwungen hat mich Gilbert. … Gezwungen haben mich die Anderen, er war ein Freier, er war ein Kunde, den ich zu bedienen hatte.
HMV: Schon beim allerersten Mal, als Sie dort hingebracht worden waren, am zweiten Tag!?
Bonobo: Ja. Ich war quasi entjungfert. Man hat also festgestellt, dass man es mit mir machen kann. Ich nenne es jetzt mal so, wie dort die Umgangssprache ist, der Arsch ist geweitet, man kann ihn reinstecken – und an den Rest gewöhnt man sich. So ist da die Umgangssprache.
HMV: So etwas geht doch nicht ohne Verletzungen ab …!
Bonobo: Richtig!
HMV: Sie müssen vom ersten Tag noch verletzt gewesen sein!
Bonobo: Ja. Also, er war schon recht vorsichtig, muss ich dazu sagen. Es waren Verletzungen da, es ist ein bisschen Blut gelaufen. Wie gesagt, es waren Ärzte dabei. Ich wurde untersucht, mein After wurde dann irgendwie eingerieben. Und am nächsten Tag war das insoweit gut, dass man weitermachen konnte.
HMV: Sie sagen, da waren Ärzte dabei. Sind Sie sicher, dass es Ärzte waren?
Bonobo: Ja, ja! Also heute weiß ich es, dass es Ärzte sind, ausgebildete Kinderärzte! Das ist sonnenklar.
HMV: Nach diesem Wochenende hat man Sie zurückgebracht, zu Ihren Eltern?
Bonobo: Ja.
HMV: Das war ein traumatisches Wochenende.
Bonobo: Aus heutiger Sicht: Ja!
[Schweigen]
HMV: Haben Sie mit Ihren Eltern versucht, darüber zu sprechen?
Bonobo: Nee! – Zwei Probleme: Also, zuallererst hat man mir 'mal Angst gemacht, dass, wenn ich irgendetwas erzähle, dann ergeht es meinen Eltern so, wie dem Hund. Mit dem Hund, das hab ich gesehen, d. h. … Zum anderen wurde mir gedroht, ich dürfte die Miriam nicht mehr sehen. Das war fast noch schlimmer, weil sie war mein Ein und Alles. Das Einzige, was aufgefallen ist, das hat mir meine Schwester dann später gesagt, das hatte ich so nicht mitgekriegt, dass ich angefangen habe, in die Hose zu pinkeln.
HMV: Mit fünf Jahren?
Bonobo: Ja, fast sechs! Ich war schon fast sechs. An was ich mich noch erinnern kann, ist, dass ich Durchfall hatte und dass es verdammt gebrannt hat. Aber ich hab mich nicht getraut, zu Mutter zu gehen oder zu meinem Vater zu gehen.
HMV: Ihre Mutter hat es auch nicht gemerkt, als sie Sie gebadet hat, sie hat nicht gemerkt, dass Sie Verletzungen haben?!
Bonobo: … Gehen wir mal kurz zurück zu Bärensprung, also mein erster sexueller Missbrauch. Als ich da runter kam, sollte ich dann baden. Meine Mutter wollte mich, wie üblich, ausziehen. Ich hatte eine Angst, irgendwie, dass sie sehen könnte, was ich da oben mit dem Mann gemacht hatte. Nicht so, dass er etwas mit mir, sondern das ich was mit ihm gemacht hatte. Und da hab ich mich geweigert, dass ich mich vor meiner Mutter ausziehe usw. – Sie kam dann mit dem Spruch an: „Ach, mein Kleiner wird langsam erwachsen!“ Als ich mich immer noch geziert hab, hab ich ein Paar geschossen gekriegt – Backpfeifen! Dann wurde die Hose runter gerissen, dann wurde ich in die Badewanne gestellt und geduscht. Und nach dieser Erfahrung hab ich nichts mehr gesagt. Zu Vater konnte man nicht gehen, weil der so jähzornig war, der hätte mir ja sowieso nicht geglaubt! Und die Mutter, die war so sehr mit sich selbst beschäftigt, den ganzen Scheiß zu überleben. Die hat gar keine Zeit gehabt – für mich! Oder vielmehr für uns, für meine Schwester genau so wenig!
HMV: Nach diesem Wochenende bei Gilbert, hat Ihre Mutter nicht versucht, Sie zu baden …?
Bonobo: Nee, weil … [kichert] … Ich war ja gebadet! Ich kam ja frisch gebadet oder frisch geduscht zurück. In dem Haus war ja alles da. Es war ja ein richtiges Haus, mit allem drum und dran. Ich muss geschnüffelt haben wie Blumen! Was das betraf, ich kam sauberer zurück, wie ich hin gekommen war.
HMV: Ihr Kichern irritiert mich gerade – woran haben Sie gedacht?
Bonobo: Ja, mir ging es teilweise in dem Puff besser wie zuhause. Und das ist einfach auch so eine Ambivalenz – wenn ich darüber nachdenke, kann ich mir das Lachen – das Kichern, einfach nicht verkneifen. Das ist so!
HMV: Es gab kein Gespräch mit Ihren Eltern!?
Bonobo: Nö, gar nichts! Man hat mich zwar gefragt, „Ja, wie war's dann?“ Und ich hab gesagt: „Schön, mit Miriam gespielt!“ Und dann hab ich die positiven Sachen erzählt: Der Swimmingpool – Riesending! Sauna! – Ich war das erste Mal in meinem Leben in einer Sauna, als kleines Kind, ist das ein Erlebnis. Und dann habe ich erzählt, hat man mir einen Hund geschenkt!
HMV: Den Hund konnten Sie aber nicht mitbringen?
Bonobo: Nee! – Also mein Vater wollte keine Tiere, keine Haustiere. Meine Mutter schleppte dann irgendwann einmal so einen kleinen Mischling an. Lustig. Wie alt war ich denn da? Da hatten wir den Imbiss. Vielleicht 9, 10, 11 oder so. Da kam sie mal mit irgend so einem Mischling an, den sie gerettet hatte, von irgendeiner Familie. Ja, den hat er dann mal akzeptiert, nach langem Hin und Her.
HMV: Den durften Sie behalten?
Bonobo: Das war ja nicht meiner, das war ihr Hund! Aber den Hund, den ich von Gilbert gekriegt hatte, oder von der Organisation gekriegt hab', der war dafür gedacht ... Irgendwann krepierte der sowieso, weil der Bonobo ja irgendwann nicht brav ist.