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Vorwort

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Im April 2014 erfuhr ich von dem Wunsch eines pädophilen Straftäters, seine Erfahrungen im kommerziell organisierten Kindesmissbrauch biographisch zu verarbeiten. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Bonobo, wir einigten uns zu einem späteren Zeitpunkt auf dieses Pseudonym, seit 16 Jahren im Maßregelvollzug.

In der Weitergabe seiner Erlebnisse sieht Bonobo, der sich mittlerweile medikamentös behandeln lässt, einen wichtigen Schritt im Rahmen seiner Therapie. Ein weiteres Motiv ist der Versuch, die Öffentlichkeit über den kommerziellen Kindesmissbrauch aufzuklären und so zum Schutz der betroffenen Kinder beizutragen. In der Tat ist das Wissen über organisierten Kindesmissbrauch in der Gesellschaft nur marginal vorhanden. Dies zeigen Diskussionen im Kontext bekannt gewordener Missbrauchsfälle. Als Beispiel nenne ich die öffentliche Diskussion über "Posingfotos" und, in Reaktion darauf, die Positionierung des Gesetzgebers. Kinder, die zur Herstellung solcher Aufnahmen gezwungen werden, müssen die spitzfindige Diskussion über die Frage, wo bei Posingfotos die Grenze zur Pornographie verlaufe, als zynisch empfinden.

Vor den Gesprächen mit Bonobo wusste ich buchstäblich nichts über kommerziellen Kindesmissbrauch. Ich habe gelernt, dass eine Parallelwelt zur bürgerlichen Gesellschaft existiert, in der Handel mit Kindern, die Herstellung und der Vertrieb von Kinderpornographie und die Prostitution von Kindern Alltag sind. Das Geschäftskonzept des organisierten Kindesmissbrauchs basiert auf der Tatsache, dass sich ein gewisser Prozentsatz von Menschen jeden Alters und jeden Geschlechts von Kindern sexuell angezogen fühlt und dem daraus resultierenden Verlangen Befriedigung verschafft. Dies geschieht in privaten und kommerziell organisierten Zusammenhängen. Kriminelle Akteure beschaffen Kinder, versklaven und unterwerfen sie der sexuelle Ausbeutung. Die dafür erforderlichen Strukturen befinden sich in der Hand international agierender Mafiaorganisationen. Das Kundenklientel existiert unabhängig von Schicht- oder Klassenzugehörigkeiten, Bildungsstand, Nationalität, Religion, Kultur oder weltanschaulicher Ausrichtung.

Gesellschaftliche Ächtung und staatliche Strafandrohung haben die potentielle Erpressbarkeit der Täter zur Folge. Die Drahtzieher des organisierten Kindesmissbrauchs nutzen diese Erpressbarkeit zur Einflussnahme auf die Politik, die staatliche Verwaltung, die Justiz oder die Wirtschaft.

Die Gespräche mit Bonobo ereigneten sich im Besucherraum einer forensischen Einrichtung. Sie mussten abgebrochen werden, als zwischen Bonobo und den Mitarbeitern der Einrichtung Konflikte aufbrachen, die in kürzester Zeit eskalierten. Die letzte Begegnung fand in einem hoch gesicherten Raum mit Trennscheibe statt. Bonobo wurde ohne weitere Ankündigung in eine andere Einrichtung verlegt. Er hofft nun auf eine Entlassung im Rahmen der gesetzlichen Regelung.

Es ist nicht meine Absicht, Fürsprecher eines pädophilen Straftäters zu sein oder um Mitleid für diesen zu werben. Der überraschende Abbruch der Therapie und die plötzliche Verlegung Bonobos zeigen aber, auf welch dünnem Eis ich mich mit der Veröffentlichung dieses Interviews bewege. Dies gilt sowohl in Hinblick auf rechtliche Risiken, wie auch in Hinblick auf die Mafiaorganisation, von der nachfolgend die Rede ist. Ich möchte diese Risiken nicht unerwähnt lassen, da Warnungen bis hin zu Drohungen den Verlauf der Gespräch entscheidend beeinflusst haben. In welcher Form dies geschah, geht aus dem nachfolgenden Text hervor.

Mann ohne Kindheit

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