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Füße still halten!

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HMV: Sie haben gestern die Phase Ihres Lebens angesprochen, in der Sie in Frankfurt auf den Strich geschickt wurden. Das war nach der Ermordung Miriams. Zunächst blieben Sie noch eine Weile in dem Bordell, immer in den Ferien und an Wochenenden. Doch Sie waren in dieser Zeit so apathisch und fertig mit der Welt, dass man Sie dort nicht mehr haben wollte.

Bonobo: Richtig. – Also ich war nicht mehr zu gebrauchen, sagen wir es mal so. Die wollten eigentlich schon, aber die konnten mich einfach nicht mehr gebrauchen. Für das Geld, was bezahlt wird, ist das nichts, wenn du da liegst wie ein Brett.

HMV: Was hat Sie davor bewahrt, dass man Schlimmeres mit Ihnen angestellt hat?

Bonobo: Die Tatsache, dass ich Familie im Hintergrund hab. Dass Verletzungen oder bloß Verschwinden, irgendwie, in irgendeiner Form, meinen Eltern erklärt hätte werden müssen. Jede Verletzung die ich hatte, nehmen wir das Beispiel dieser Frau da, die mir die Eier zusammengequetscht hat, wo ich diese Hodenquetschung hatte. Das Ding ist ja nicht in drei Tagen weg, das dauert ja eine Weile. Man hat mir dann quasi eingetrichtert, dass ich zu erzählen habe, dass ich auf so einem Herrenfahrrad gefahren bin und auf die Stange geknallt bin, mit meinen Hoden. Das war dann die Erklärung, wieso ich eine Hodenquetschung hatte. Jede Verletzung musste ja irgendwie erklärt werden. Und Schnittverletzungen oder Brandverletzungen, wie will man das großartig erklären!? Dass es meine Schuld ist? Ein blauer Fleck geht schon einmal, da bin ich halt irgendwo angestoßen oder sonst irgendwas, aber viel Größeres durfte da nicht mehr sein! Das mit der Hodenquetschung war ja schon ziemlich das Highlight. Wenn es heißt: „Der Bub ist halt zu blöd fürs Fahrradfahren! – Danke für das Gespräch!“ …

HMV: Sie waren dann in Frankfurt. Das ging, bis Sie 15, 16 waren?

Bonobo: 17.

HMV: Wie ging es dann weiter? … Entschuldigen Sie bitte, dass ich hier weitermache. Ich möchte damit nicht Ihren Vorschlag übergehen, Ihre Expertise aus der Täterperspektive zu nutzen und darüber zu sprechen, wie "Posingfotos" entstehen. Wir können das durchaus im Kontext mit dem Bundestagsabgeordneten noch einmal aufgreifen.

Bonobo: Ja.

HMV: Wir müssen dann auch darüber sprechen, wie das sinnvoll ist. Es muss ja dann auch ein gewisser Schutz für Sie gegeben sein …!

Bonobo: Ich habe kein Problem, wenn sich jetzt ein Filmteam von irgendeinem Sender bereit erklären würde, mit Kamera herzukommen. Solange ich verfremdet werde, dass man mich nicht erkennt …

HMV: Wir können das mit dieser Kamera machen.

Bonobo: Dann habe ich damit kein Problem. Es kommt ganz darauf an, wieviel dass es gibt! … Ich würde sagen, das teilt man sich und gut ist!

HMV: Wir können das nachher machen, am besten mit Gegenlicht. Die Stimme müssten wir dann verfremden.

Bonobo: Es geht nicht darum, dass irgendjemand von den Anderen mich erkennen könnte. Es geht mir darum, meine Familie zu schützen, dass ich nicht gesehen werde, dass ich nicht identifiziert werden kann.

HMV: Das verstehe ich nicht. Einerseits geht es Ihnen nicht darum, von den Anderen nicht erkannt zu werden, andererseits geht es Ihnen darum, Ihre Familie zu schützen?

Bonobo: Es ist ja so, es kennen mich ja Leute da draußen auch, die auch meine Familie kennen. Wenn ich dann vor der Kamera erscheine ... Es weiß nicht jeder, dass ich hier bin! Aber alle wissen, dass ich der Bruder bin. Die hat denen halt erzählt, ich hätte es auf dem Weg einfach nicht mehr gepackt, ich sei halt ausgerastet. Deswegen bin ich in der Psychiatrie. Es wissen nicht alle, weswegen ich da bin. Und meine Schwester arbeitet nun mal in der Öffentlichkeit, in der Stadt. Da kommt das nicht gut. Das ist eine Profilsache. Und meine Tochter hat ja sowieso schon ein Problem. … Das muss alles nicht sein.

HMV: An dieser Stelle würde ich gerne einhaken. Gestern sagten Sie, nach unserer ersten Begegnung haben Sie Kontakt aufgenommen, mit „der Organisation“ …

Bonobo: … Ja …

HMV: … um sich grünes Licht geben zu lassen, für dieses Gespräch.

Bonobo: Ja!

HMV: Das heißt, die sind sehr wohl informiert, dass Sie ein Interview für eine Veröffentlichung geben.

Bonobo: Ja!

HMV: Wie läuft so etwas? Sie sitzen hier in der Forensik – wie nehmen Sie Kontakt auf?

Bonobo: Telefon.

HMV: Sie gehen ans Telefon und wählen die Nummer Ihres Ansprechpartners?

Bonobo: Ja – kann man so sagen.

HMV: Dieser Gilbert von damals?

Bonobo: Nee! Ich weiß gar nicht, ob der überhaupt noch lebt. Weil damals war der ja schon um die 50. Glaub' nicht, dass der noch lebt. Ist auch Wurst! Ich meine, diese Organisation ist relativ groß, hat relativ viele Mitarbeiter und es gibt halt Leute, die damit, mehr oder weniger freiwillig, etwas zu tun haben. Zu denen ich nach wie vor, im Großen und Ganzen, Kontakt habe. Und den hab ich einfach mal darum gebeten, dass er beim Größeren anfragt, ob er damit jetzt ein größeres Problem hat. – Hat er nicht. Dann kam der Anruf wieder zurück.

HMV: Was war Ihre konkrete Frage?

Bonobo: Meine Frage war ganz einfach, dass ich meine Biographie veröffentlichen will, um – mir Luft zu machen. Das war das, was ich denen gesagt hab. Und er hat dann nachgefragt. Er hat mir gesagt, solange die Organisation als solche nicht angesprochen wird, die Oberen nicht angesprochen werden, ist ihm das im Grunde scheißegal.

HMV: Das heißt, die fühlen sich sehr sicher, …

Bonobo: Ja!

HMV: … dass von Ihnen keine Information raus geht, die Rückschlüsse auf diese Personen zulässt.

Bonobo: Richtig. Die Drohung ist ja nach wie vor im Hintergrund. Es ist ja so, dass – die durchaus in der Lage sind, meine Familie auszurotten. Problemlos.

HMV: Sie selbst fühlen sich hier sicher?

Bonobo: Was heißt sicher fühlen? Wenn sie mich wegputzen wollen, putzen sie mich weg. Das ist … Ich meine, da hab ich weniger Probleme. Das große Problem ist wirklich, dass ich nicht einsehe, dass meine Familie wegen meiner Scheiße leidet. Dass ist der Punkt. Sollten sie mich – töten, dann bin ich weg, dann ist das Ding erledigt. Aber wenn sie natürlich hergehen und fangen an, an meine Familie zu gehen, dann wird das so gemacht, dass ich die Sache mitkriege, dass ich erst mal richtig leide … Und dass muss ich mir auch nicht unbedingt antun!

HMV: Die wissen, dass Sie ein Gespräch mit einem Journalisten führen. … Könnte es sein, dass die einer solchen Drohung Nachdruck verleihen, dass sie irgendetwas tun, was Ihnen Angst einjagt?

Bonobo: Dass ist eine andere Möglichkeit! Das ist eine andere Möglichkeit!

HMV: Wie verhält sich das in Bezug auf mich?

Bonobo: Ja – das sind so Fragen. … Was sein könnte, ist, dass man auf Sie zukommt und sagt: Füße still halten!

HMV: Warum haben Sie es denen mitgeteilt?

Bonobo: Aus zweierlei Gründen. Erstens sind die nicht blöd! Wenn das irgendwie veröffentlicht wird, dann wissen die sofort, dass ich das bin. Als nächstes ist es eine Rückversicherung. Wenn sie erst mal damit einverstanden sind, dann schockiert es sie erstens nicht, sie geraten nicht in Panik, die wissen Bescheid. Und solange ich keinen Fehler mache, passiert auch nichts. Im Grunde genommen, das ist die beste Rückversicherung, die man hat.

HMV: Wie weit, meinen Sie, dass Sie gehen können?

Bonobo: Was mein Leben betrifft, meine Erfahrungen betrifft – im Grunde genommen eigentlich alles. Was die „Organisation“ betrifft, da – muss man schon ein bisschen vorsichtig sein. Man sollte jetzt nicht unbedingt Länder namentlich benennen, wo ich hingefahren bin, um Kinder abzuholen, zum Beispiel. Ich sollte jetzt nicht unbedingt sagen, dass das da und da war, die und die Stadt, zum Beispiel. Das sollten wir jetzt vermeiden. Aber ansonsten … Ich hätte eigentlich Interesse, dass „das Wie“ heraus kommt, wie so etwas gemacht wird, nicht „das Wo“! Das Wie ist für mich wichtig. Dagegen haben sie anscheinend nichts.

HMV: Also, wenn Sie sagen, wie das passiert, …

Bonobo: Richtig, das ist in Ordnung.

HMV: … ist das in Ordnung. Sie dürfen keine Personen, keine Namen nennen, keine Orte.

Bonobo: Ja. Keine Länder, keine Orte, keine Städte.

HMV: Mhm. Jetzt haben Sie schon ein paar Mal von Russland gesprochen.

Bonobo: Äh … die haben mit Russland …

HMV: … Russland ist groß …

Bonobo: … Russland? Das ist … Interessiert mich nicht.

HMV: Also ist es eine deutsche Organisation?

Bonobo: Nee!

HMV: International?

Bonobo: Ja.

HMV: Mhm. … Okay. Jetzt sind wir sehr am hin und her springen. … Mir ist die Frage natürlich durch den Kopf gegangen. Mein Gedanke war: Hoppla, jetzt war ich diese Woche hier, zwei Tage später sehen wir uns wieder, in der Zwischenzeit haben Sie Kontakt mit der „Organisation“ aufgenommen. … Und Sie sagen, Sie stünden weiterhin in Kontakt damit …

Bonobo: … am Rande, ja. Am Rande! … Also es ist so: ich will mit dieser Scheiße nichts mehr zu tun haben. Das wissen die! Das wird eigentlich nicht so akzeptiert. Aber was sie auch wissen, ist, dass ich diverse Informationen habe, die, wenn die an die Öffentlichkeit kommen, es denen ziemlich dreckig geht. Deswegen halten die die Füße still und ich halte die Füße still. Das ist also ein stilles Übereinkommen, wo man sagt: „Du bist ruhig, wir sind ruhig. Alles klar, solange du nicht versuchst, uns ans Bein zu pissen!“ Damit kann ich leben.

HMV: Hier, in dieser Klinik, gibt es ja noch andere Pädophile.

Bonobo: Gehe ich 'mal davon aus.

HMV: Kann es sein, dass diese „Organisation“ über diese Anderen Verbindungen hier rein unterhält?

Bonobo: Nein. Nee. [kichert] Nee! Wenn ich mir die Kerle so angucke …

HMV: Oder in andere Einrichtungen wie Straubing … ?

Bonobo: Straubing schon eher! In Straubing hab ich einen am Arsch hängen gehabt.

HMV: Hatten Sie „einen am Arsch hängen gehabt“, der noch dort ist?

Bonobo: Nö, der ist mittlerweile schon in seiner Heimat. Aber das war – ziemlich eindeutig.

HMV: Einer aus „der Organisation“?

Bonobo: Ja.

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