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3.4 Immunologie
ОглавлениеDie MS wird zu den Autoimmunerkrankungen gezählt. Dabei nimmt man an, dass es durch Aufhebung der immunologischen Toleranz zu einer Immunantwort gegen körpereigene Strukturen kommt, die im Verlauf zur Gewebspathologie führt (Dendrou et al. 2015). Wie es zur Auslösung der Immunantwort gegen »Selbst-Proteine« kommt, ist bisher nicht geklärt. Als Hypothesen werden die vermehrte Synthese von sogenannten »Neo-Epitopen«, molekulare Mimikry zwischen »Selbst-Proteinen« und »Fremd-Proteinen«, wie viralen Proteinen, Adjuvantien, Immundefizienzsyndrome und chronische Entzündungsprozesse diskutiert, wobei die genannten potenziellen Mechanismen sich nicht gegenseitig ausschließen (Kleinschnitz et al. 2007; Sospedra et al. 2005). Immer sollte bedacht werden, dass diese Prozesse auf dem Boden einer genetischen Prädisposition stattfinden, wobei den MHC-Klasse-I- und Klasse-II-Genen eine zentrale Bedeutung in der Regulation der Immunantwort zukommt. Bei der Pathogenese der MS ist sowohl die angeborene als auch die adaptive Immunantwort von großer Bedeutung. Man nimmt an, dass es durch ein initiales, nicht genau verstandenes Ereignis zum vermehrten Einstrom von CD4+- und CD8-T-Lymphozyten, die gegen »Selbst-Antigene« des ZNS, sogenannte Autoantigene, gerichtet sind, in das ZNS kommt (Friese und Fugger 2009; Sospedra et al. 2005; Dendrou et al. 2015). Dabei haben T-Zellen die Fähigkeit der Transmigration durch die Blut-Hirn-Schranke (Engelhardt und Ransohoff 2005). In der Folge der pathologischen Migration werden weitere Immunkaskaden angestoßen, was dann zum Einstrom von Makrophagen, B-Zellen , Antikörpern und weiteren der zuvor genannten Zellen in das ZNS führt. Für die Aufrechterhaltung dieser Prozesse sind verschiedene Überträgersubstanzen wie Interleukine, besonders Interferone und Chemokine, sowie Radikale von Bedeutung (Zamvil und Steinman 2003). Im Verlauf der Immunantwort gegen ZNS-Gewebe kommt es zur Schädigung der Markscheide, der Oligodendrozyten selbst und auch der Axone. Vier Hauptmechanismen stehen dabei offenbar im Vordergrund und tragen mit hoher Wahrscheinlichkeit bei verschiedenen Patienten unterschiedlich zur Pathogenese bei:
a. Durch Autoantikörper und komplementvermittelte Schädigung von Markscheiden und Axonen unter variabler Beteiligung von Makrophagen oder mikroglialen Zellen,
b. Zytotoxische Schädigung durch T-Zellen von Oligodendrozyten und Nervenzellen (CD4+-T-Zellen und CD8-T-Zellen)
c. Schädigung der Oligodendrozyten und Neuronen durch lösliche Substanzen einer chronischen Entzündung (z. B. Zytokine, Sauerstoffradikale, Glutamat und Protonen)
d. Primäre Schädigung von Oligodendrozyten oder Neuronen (vermehrte Suszeptibilität unklarer Ursache) mit sekundärer immunologischer Abräumreaktion.