Читать книгу Gesellschaftliche Krisen und Proteste - Helge Döring - Страница 14
Vier Krisenverlaufstypen
ОглавлениеDen Kern des Kapitels bildet die Ableitung einer Krisenverlaufstypologie aus idealtypischer Krise, Reeskalation, Dauerkrise und strukturell eskalierter Krise, um die empirische Untersuchung vorzubereiten. Idealtypisch sind die Krisenverläufe insofern alle, als dass sie lineare Entwicklungen und klar voneinander abzugrenzende Phasen zeigen, die in Realtypen häufig allerdings nicht so klar zu erkennen sind. Die Funktion dieser a priori ausgearbeiteten Idealtypen ist, dass sie einerseits konzeptionelle Unterschiede zwischen Krisenverläufen zulassen und andererseits die empirische Vorgehensweise strukturieren. Dazu bedarf es aber sowohl der Verlaufsbeschreibung als auch der konzeptionellen Überlegung zur Rolle von Dialog in jeder der potenzielle Krisenverlaufstypen.
Demnach sind drei Aspekte miteinander zu verbinden. Erstens, dass sich die jeweiligen Krisenverlaufstypen logisch voneinander unterscheiden, sodass tatsächlich unterschiedliche Krisenverläufe konzipiert werden, die real auftreten können. Zweitens, dass die Rolle von Dialog im Krisenverlauf berücksichtigt wird, und drittens, dass verschiedene Dialogformate den Phasen des Konfliktverlaufs zugeordnet werden können. Durch die Berücksichtigung der drei Aspekte kann somit das Verhältnis von Eskalation und Dialog in einem Krisenverlauf abgeschätzt werden.
Abb. 3: Vier potenzielle Krisenverlaufstypen (eigene Darstellung)
Die Ableitung der vier potenziellen Krisenverlaufstypen unterliegt einigen Vorannahmen. Es wurden vier heuristische Zeitpunkte und damit drei Stufen gewählt. Die Abstände zwischen den Zeitpunkten können im Realfall variieren und dienen der Modellierung des Verlaufs, nicht seiner Prognose. Zudem sind es Krisenverläufe, die wahrscheinlich relativ häufig auftreten, wobei alle ein gesteigertes Konfliktpotenzial aufweisen. Krisen mit geringen Auswirkungen auf das Konfliktumfeld, wie z. B. bei Nachbarschaftsstreitigkeiten üblich, wurden nicht aufgenommen. Zudem wird Dialog vor allem als formaler Dialog konzeptionell mit einbezogen und nicht als alltäglicher Austausch, im Sinne einer sozialen Interaktion (Goffmann 1963). Dass solche alltäglichen Austauschprozesse durchaus eine konfliktberuhigende Wirkung entfalten können, zeigen Arbeiten zur Kontakthypothese (Allport 1954) sowie zur Rolle des öffentlichen Raums als Ort alltäglicher Aushandlung und Begegnung (Hüttermann 2017; Kurtenbach 2018; Hermann et al. 2019).