Читать книгу Gesellschaftliche Krisen und Proteste - Helge Döring - Страница 21
3.4 Die strukturell eskalierte Krise
ОглавлениеAnders als bei der Dauerkrise oder der Reeskalation ist beim Typ der strukturell eskalierten Krise ein Dialog bislang ausgeblieben und findet, wenn überhaupt, nur noch indirekt über Medien oder digitale Kanäle statt. Dabei besteht keine Gespräch- oder Kompromissbereitschaft mehr, sodass sowohl auf Gerichtsverfahren als auch auf Demonstrationen und gegenseitige Verunglimpfung zurückgegriffen wird. Bei strukturell eskalierten Krisen treten auch Protestbündnisse oder Instrumente der gezielten Benachteiligung auf, z. B. durch gezielte Kündigungen eines Arbeitsverhältnisses. Im extremen Fall kann es zu Gewalt kommen.
Bei der schematischen Modellierung der strukturell eskalierten Krise ( Abb. 7) ist von einem stetigen Anstieg der Konfliktintensität auf einem insgesamt hohen Niveau auszugehen. Ein Konfliktzenit ist nicht abzuleiten, sondern es ist eine andauernde Spirale der Konfliktintensität, die die Dialogbereitschaft bei allen Beteiligten deutlich limitiert. Eine strukturell eskalierte Krise kann dabei kaum mehr durch Dialog beruhigt werden. Viel mehr braucht es eine von allen Seiten akzeptierte Instanz, die strukturelle und glaubhafte Entscheidungen trifft, welche auch sicher und transparent nachprüfbar umgesetzt werden. Bleiben diese aus, sind sie nicht weitreichend genug oder wird die Legitimation von einer Seite nicht in ausreichendem Maße anerkannt, findet eine Konfliktberuhigung nicht statt. In Kapitel 7 wird dieser Krisenverlaufstyp am Beispiel der Situation im rheinischen Braunkohlegebiet untersucht, bei dem die Hauptakteure, das Unternehmen RWE auf der einen Seite und die verschiedenen Klima- und Bürgerprotestgruppen auf der anderen Seite, kaum miteinander reden und so zur Verschärfung des Konfliktes beitragen ( Kap. 7).
Abb. 7: Die strukturell eskalierte Krise (eigene Darstellung)
2 Die idealtypische Krise wurde bereits in Kurtenbach/Döring 2019 ausführlich beschrieben und empirisch untersucht. Daher wird eine Studie zur idealtypischen Krise hier nicht weiter vorgestellt.
3 Die Dialogreihe »Bautzen wir müssen reden«, die in Kooperation zwischen der Stadt Bautzen, der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung und dem Projekt »Krisen-Dialog-Zukunft« am Institut für Politikwissenschaft der TU Dresden stattfand, ist ein gutes Beispiel dafür, wie ein Konflikt eskalieren und mit viel Aufwand wieder beruhigt werden kann. (https://www.youtube.com/watch?v=msjYev0ulN8 aufgerufen am 22.01.2020).