Читать книгу Gesellschaftliche Krisen und Proteste - Helge Döring - Страница 19
3.2 Die Dauerkrise
ОглавлениеWährend in der idealtypischen Krise von einem Rückgang des Konfliktpotenzials ausgegangen wird, beschreibt die Dauerkrise eine Stabilisierung des Konfliktes durch Dialog, ohne jedoch den Konfliktzenit zu erreichen. Dieser Krisentyp kann in Konfliktsituationen auftreten, in denen zwar eine Dialogbereitschaft besteht, aber keine realistische Lösung erarbeitet werden kann. In Kapitel 6 wird dies anhand der räumlich konzentrierten und armutsgeprägten Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien in die Dortmunder Nordstadt untersucht, die als krisenhaft wahrgenommen wird ( Kap. 6).
Der Verlauf einer Dauerkrise gleicht im Konfliktverlauf dem der idealtypischen Krise und es stellen sich auch die gleichen Dialoganforderungen. Allerdings besteht das Problem, dass keine realistischen Lösungsoptionen angeboten werden können, sodass zwar Wissen und Verständnis über den Krisengegenstand erzeugt werden können, es aber nicht möglich ist, die als krisenhaft erlebte Situation aufzulösen.
Bei solchen Konstellationen ist es notwendig, vermittelnde Instanzen, wie z. B. Soziale Arbeit, miteinzubeziehen, um das Konfliktpotenzial zu moderieren und damit den Eintritt in die Eskalationsphase zu vermeiden. Dialog wird demnach zu einer Daueraufgabe. Allerdings verbleibt das Konfliktpotenzial trotz Dialog immerzu auf relativ hohem Niveau, wie Abbildung 5 zeigt. Eine Dauerkrise ist mit dem Einsatz von Dialogformaten ( Kap. 4) kaum zu beenden, da es Randbedingungen bedarf, die überörtlich bestimmt werden. Das können z. B. gesetzliche Regelungen oder finanzielle Ressourcen sein. Umgekehrt kann es zu Gewöhnungseffekten oder Verhaltensänderungen kommen, welche das Konfliktpotenzial langfristig reduzieren. Dies kann allerdings kaum mit formalen Dialogformaten erreicht werden und ist eher die konfliktberuhigende Kraft der alltäglichen Begegnungen. Während der Dauerkrise ist auch nicht von einem erhöhten (nachbarschaftlichen) Zusammenhalt auszugehen, da es eher zum Rückzug aufgrund von Resignation und Ohnmachtserfahrungen kommt (Putnam 2000). Daher braucht es neben phänomenbezogenen Dialogveranstaltungen und einem Gemeinwesen, das in der Lage ist, eine Dauerkrise zu durchleben, auch die besondere Förderung des sozialen Miteinanders. Diese Bedingungen stellen die Kommunen vor eine große Herausforderung bezüglich der Krisenbewältigung und der Stabilisierung des lokalen Gemeinwesens.
Abb. 5: Die Dauerkrise (eigene Darstellung)