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Kapitel 18

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Am Abend kam Venya vorbei, sie brachte ihrem Gast etwas zu Essen und ihren Besitz mit, den die Hexe sicher verwahrt hatte. Sie legte das Kopis auf einen Stuhl. Etaila hetzte nicht. Sie zog sich die Weste über und begutachtete ihre Stiefel. Eine Neuanschaffung wäre dringend notwendig, denn das Leder war bereits alt und brüchig. Das Attentat der Sweddar hatte auch ihrer Habe nicht gutgetan. Doch das Schwert, das sie sich an den Gürtel band, bescherte ihr sofort ein Gefühl von Behaglichkeit, ganz so, wie sie es von seither kannte. Die Hexe schaute sie währenddessen fragend an.

„Diese Zauberei, die ich gewirkt haben soll, diese Krankheit in mir … verschwindet sie irgendwann von allein oder kann ich es vor anderen verheimlichen?“

Venya lächelte das erste Mal seit ihrer Bekanntmachung.

„Mit viel Übung lernt Ihr, damit umzugehen, aber los werdet Ihr dieses Übel nie wieder. Es gibt unzählige Wege, wie man es versuchen könnte, Magie dauerhaft zu bannen. Sie bewirken nur noch mehr Mühe und Leid. Ihr müsst Euch damit abfinden, ein Magusketzer zu bleiben, und wir können dabei helfen, das Arkane in Eurem Körper so weit wie möglich unter Beherrschung zu bekommen.“

„Das geschieht zu schnell für meinen Geschmack, ich kenne keinen von Euch länger als einen Tag. Es ist zu früh für Versprechen, aber Ihr könnt den Leibwächter zurückpfeifen, ich werde nicht heimlich verschwinden. Auch die Menschen von Frostbann wissen von den magisch Verfluchten und wenn mir dieses Missgeschick noch einmal in Gegenwart von anderen geschehen wird, ist das wahrscheinlich mein Todesurteil. Mein Volk verfährt nicht viel anders mit Verwünschten, als die Silbernen es tun. Eigentlich sind sie sogar schlimmer, sie fürchten sich vor allem vor dem, was nicht zu erklären und zu kontrollieren ist.“

Ermüdet vom Tagesablauf schaute die Hexe zu ihrem Gast hinüber.

„Er wird Euch nicht weiter belästigen. Ich gab ihm keine Anweisung, Euch zu überwachen. Er handelte wohl aus eigener Überzeugung. Er konnte nicht sämtliche Sitten und Denkweisen aus seinem alten Leben ablegen. Ihr müsst wissen, dass unsere Gemeinschaft aus vielen verschiedenen Persönlichkeiten besteht, einige bringen durch ihre Vergangenheit gewisse Herausforderungen mit.“

„Was habt Ihr eigentlich mit mir vor? Ist eine einfache Söldnerin für eine Drude so von Interesse?“

„Eure Frage überrascht mich, was versteht Ihr unter Interesse?“

„Das kann ich nicht genau erklären, es ist mehr eine Vermutung, dass Ihr mit mir ein Ziel verfolgt, dass das alles kein Zufall ist.“

„An Zufälle glaube ich auch nicht. Aber einen Plan habe ich mir nicht zurechtgelegt. Wir fanden Euch und brachten Euch her und werden Euch, falls Ihr es wünscht, in die Gemeinschaft aufnehmen. In den kommenden Tagen wird Coldwyn hier erscheinen. Ich verständigte ihn, um Euch zu beschützen, denn wir müssen fortziehen. Die Nähe zur Burg hat uns viele Vorteile gebracht, jetzt ist der Bogen überspannt und die Städter wissen, wer wir sind. Wenn Ihr wünscht, könnt Ihr uns zu unserer ursprünglichen Siedlung begleiten und sie jederzeit verlassen, frei nach Eurem Willen.“

Etaila wich dem Blick der Hexe aus, ihr gefiel diese Art der Ehrlichkeit, der Mildtätigkeit keineswegs. Sie machte die ganze Angelegenheit nur mysteriöser. Nichts auf der Welt war umsonst, alles hatte seinen Preis und die mildtätigsten Geschenke bargen die höchsten Kosten.

„Ich muss mir noch überlegen, wie ich in den folgenden Tagen handeln werde. Wie gesagt, ich kann Euch keinerlei Folgsamkeit versprechen, denn ich bin mit keinem aus dieser Gemeinschaft vertraut. Und Vertrauen ist bei meinen Leuten ein knappes Gut", sagte Etaila ungewollt hart.

„Davon hörte ich bereits. Ich kenne Courant ganz gut aus Büchern und Geschichten von Reisenden. Das Volk der Frostbanninseln soll zäh sein, aber auch nicht sehr beliebt bei den Siedlern der Umgebung. Es gibt andauernd Auseinandersetzungen wegen Kleinigkeiten, denn das Blut bei euren Männern wie Frauen kocht schnell hoch. Trotzdem biete ich Euch an, uns zu folgen, denn fliehen müssen wir. Morgen wird es eine letzte Beratung geben, wie alles genau abläuft, und Ihr seid dazu eingeladen. Vielleicht verschafft sie Euch einen Vorschuss an Vertrauen.“

Etaila nickte.

Doch die Hexe vermutete zurecht, dass das alleine nicht ausreichen würde, um die Söldnerin für ihre Sache zu gewinnen.

Vermutlich war es wirklich die Lebensweise, die die Menschen von Frostbann und den Norden so rau und argwöhnisch machte. Vielleicht lag es aber auch an der Sturheit der jungen Frau. Etaila konnte ihr eigenes Misstrauen nicht begründen und wollte es auch nicht. Die Hexe verabschiedete sich still, bemerkte die Zweifel, die der Söldnerin auf dem Gesicht geschrieben standen, und verschwand mit einem müden Gesichtsausdruck aus der Tür.

Für heute Abend war es genug an geleisteter Überzeugungsarbeit.

Ächzend schloss Etaila die Tür hinter sich und nahm sich vor, die Bewohner des Dorfes so gut es ging zu meiden. Sie würde sich morgen zur Versammlung begeben und ansonsten sehen, was bevorstand.

„Magie“, so dachte sie, der bedauerlichste Fluch, der einem widerfahren konnte. Er war schlimmer als jede ihr bekannte Krankheit und jedes Verbrechen, weil einen dies noch unvorhersehbar traf und aus dem Leben riss.

Dann legte sie sich auf ihr Bett, schloss die Augen und schlief sofort ein. Sie war so erschöpft, als hätte sie den ganzen Tag hart gearbeitet. Selbst jene, die das getan hatten, schliefen nicht so zügig ein.

Und spät in der Nacht klopfte Venya an der Tür ihres Leibwächters, denn sie musste ihn sprechen. In Anbetracht der Gefahr sollte er Kunde erhalten, von Dingen, die er lieber nicht erfahren hätte.

Dieses Wissen brachte eine Menge an unliebsamer Verantwortung mit. In Gedanken verfluchte er die alte Frau, die ihm in Geschehnisse einweihte, die einfache Menschen nichts angingen.

Venya besaß jedoch keine andere Wahl.

Und dann teilte sie ihrem Leibwächter einen wichtigen Plan mit, den er zu befolgen hatte, wenn alle Stricke reißen würden.

Trugbild der Schatten

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