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Kapitel 21

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Man hatte sie in einen turmähnlichen Rundbau etwas abseits der Gehöfte geführt. Etaila durchschritt einen großen Eingang, dessen Flügeltüren mit eisernen Beschlägen verstärkt waren. Man hatte ihr erzählt, dass dieses Haus viele Verwendungszwecke besaß. Die Ernte des Hochsommers wurde hier eingelagert, außerdem sollten schutzlose Siedler in das Gebäude fliehen, wenn Überfälle kleinerer Verbände stattfanden, was zum Glück bisher nicht passiert war.

Sie schaute sich erneut um. Ein junger Krieger, der Einzige in einer guten Rüstung aus Leder mit Eisennieten und mit einem frisch geschliffenen Langschwert, überwachte den Ablauf der Veranstaltung.

Sirul schlenderte von Hütte zu Hütte, rief die Bewohner herbei und fühlte sich besonders wichtig bei seiner Aufgabe. Wenn alle zusammengetrommelt waren, würde der Nachwuchskrieger seinen Helm und sein Schwert ablegen und ebenfalls an der Sitzung teilnehmen. Tregardis hatte ihn eingewiesen, wollte seinen einzigen Schüler so für die Laufbahn als Kämpfer vorbereiten. Als Etaila an diesem Muskelpaket vorbeilief, konnte sie dem kaum Zwanzigjährigen die Unerfahrenheit ansehen. Sie bemerkte, wie schlecht der Schwertgurt über der sauber polierten Rüstung hing. Sein Schwert konnte man ihm samt Gehenk noch vor dem Ziehen entreißen und es ihm ohne Probleme in den Wanst jagen. Da half auch keine Paraderüstung. Sie lächelte den Aufpasser an und trat ein.

Ganz hinten saß bereits Rhodrin. Der Mann der Gegenstände zum Schweben brachte, lächelte sie an, aber wegen des ernsten Grundes der Versammlung wirkte er trotzdem nicht sehr begeistert.

Der mehrstöckige Saal im Inneren lag im Halbdunkel, verstreut standen überall Kisten und Fässer, angefüllt mit den spärlichen Nahrungsmitteln, die jene Ansiedlung mit dem kargen Ackerland abwarf.

Es gab keine Stühle oder Bänke, niemand hatte sich die Mühe gemacht und sie angefertigt. Die meisten nahmen auf den Vorratskisten Platz, der Rest blieb stehen. Die Anwesenden wirkten nervös und angespannt und begutachteten nun im krassen Gegensatz zu gestern die neu Angekommene ohne erkennbare Rücksicht.

Diese Menschen waren die Furcht vor Verfolgung gewöhnt und allem, was sie davor ablenkte, gingen sie nach.

Etaila senkte den Blick und lief langsam, mit reichlich Abstand zu anderen Vertretern der Versammlung, auf eine freie Ecke im Schatten zu. Irgendwie konnte sie sich nicht an den Gedanken gewöhnen, von so vielen Magiewirkern umgeben zu sein. Es schien, als hätten alle, die teilnahmen, eine unheilbare Krankheit und befänden sich in einem Zeitraum des Leugnens.

In der Mitte des kuppelähnlichen Baues stand Venya. Sie wartete geduldig, dass der Saal sich füllte, als Einzige wirkte sie gelassen, fast amüsiert. Aber die Söldnerin konnte erkennen, dass sie nur schauspielerte, denn innerlich hatte sie dieselben Bedenken wie alle der Siedlung.

Der ganze Raum stank nach Angst.

Doch die Anführerin der Gemeinschaft durfte keine aufkeimende Panik zulassen. Sie war das Vorbild dieser Gruppe und trug eine weit höhere Verantwortung als die meisten anderen innerhalb dieser Mauern. Fast beiläufig stellte die Söldnerin fest, dass sich ihr thärdischer Leibwächter ebenfalls eingefunden hatte. Er saß in der ersten Reihe und überwachte jeden Meter um die Hexe herum, handelte wie ein geübter Soldat. Die Hexe begrüßte die Teilnehmer der Versammlung und wurde prompt dabei unterbrochen.

„Was soll das? Wir werden bald von Sturmfels überrannt, vertrieben oder Schlimmeres und reden hier, als hätten wir alle Zeit der Welt. Ich sage Euch, packt Eure Sachen und dann verschwindet, jeder auf getrenntem Weg, damit diese Bastarde es schwerer haben, uns zu fangen und an den Orden auszuliefern.“

Der alte Mann war aufgestanden und hatte die letzten Worte laut ausgerufen. Nicht wenige zuckten bei der Erwähnung der Paladine zusammen. Selbst die Jugendlichen, die groß genug waren, um mitzureden, und verteilt auf dem Boden saßen, wussten, welches Schicksal ihnen blühte, wenn sie zu lange blieben. Kein Gutes - so viel war klar.

„Aber wir dürfen jetzt nicht kopflos handeln, ich habe ein Treffen einberufen, um gerade das zu vermeiden.“

Ein Rumoren ging durch die Halle, aufgeregt redete jeder mit jedem. Etaila schnappte Wortfetzen auf, in denen Ratlosigkeit und Skepsis mitschwangen. Die Leute aus ihrem Heimatort hätten sich niemals so sehr der Verzweiflung hingegeben. Sie hätten sich auf einen Kampf vorbereitet und sich nicht verkrochen. Allerdings erkannte sie auch, dass diese Menschen, keine Krieger, und somit auf dem Schlachtfeld fehl am Platz waren. Es dauerte lange, bis Venya das Wort erneut ergreifen konnte. Ihre Stimme zitterte anfangs leicht, doch ließ sie sich nicht von ihrer Rede abbringen.

„Wir dürfen das keinesfalls überstürzen.“ Sie machte eine Pause, schaute auf die erste Reihe, die nun endlich aufmerksam auf die Hexe blickte. „Wir werden es kaum bis zu den Bergen schaffen, wenn jeder von Euch alleine versucht, zu entkommen, und wir wissen nur, dass Sturmfels uns für Ketzer hält.“

„Dann wird es nicht lange dauern, bis der Orden an unsere Türen klopft - und das mit einem Rammbock.“

Derselbe Mann hatte erneut das Wort an sich gerissen. Unter der Versammlung ging eine hektische Debatte los, die erst Tregardis beenden konnte, der aufstand und lautstark nach Ruhe verlangte. Die Söldnerin hörte nicht mehr auf den beruhigenden Wortschwall der weisen Magierin, denn mitten in der Menge machte sie Zeliha aus, die als Einzige unbeteiligt, ja sogar abwesend wirkte. Auf ähnliche Weise hatte sie die Greisin schließlich auch kennengelernt.

Das änderte sich plötzlich gravierend.

Sie begutachtete jede Person im Saal, Kinder, Erwachsene, Frauen wie Männer und bei einigen verzog sie das Gesicht wissend, wie von Schmerz geplagt.

Es vergingen Sekunden, bis Etaila erschreckend bewusst wurde, dass die Alte für mehrere Mitglieder der Gemeinschaft ein schlechtes Ende voraussah, vielleicht ein tödliches. Sie wunderte sich nur, dass sie nicht früher dieses Verderben festgestellt hatte. Oder war es doch von Anfang an so geschehen und nun plagte sie erneut die Erkenntnis?

Machte sie das Wissen so wirr? ‚Fluch‘ - das war für den Schrecken, der sich in Zelihas Verstand abspielte, kein ausreichender Ausdruck.

Etaila wandte sich ab, atmete tief durch und versuchte, einen klaren Kopf zu bewahren. Sie war eine aus der spärlichen Gruppe, die sich bewaffnet und ausgebildet zur Wehr setzen konnte, und schaute auf ihr Kopis herab, das vom Gürtel hing. An der Wand nicht sehr weit entfernt von ihr ruhten die paar Waffen, die den Dorfbewohnern zur Verfügung standen. Alte Jagdbögen und ausgediente Äxte, selten ein Schwert, welches durch so viele Hände gegangen war, dass es nicht mehr Respekt einflößend wirkte, so wie die zahlreich vertretenen Mistgabeln oder die abgenutzten Schaufeln. Und auch davon gab es in der Bevölkerung nicht eine unbegrenzte Menge und noch weniger konnten überhaupt mit Schlag und Stichwaffen umgehen, ohne sich selbst zu verletzen.

Hinter sich hörte sie weiterhin aufgeregtes Murmeln, einige halbwüchsige Bewohner, die jene fremdländischen Kriege und den Orden nicht erlebt hatten, verlangten den Aufstand, so schien es. Und einer der jungen Männer, nicht älter als zwanzig, stand auf und bestätigte die Vermutung Etailas.

Sie musste vor so viel Naivität mit dem Kopf schütteln und ausgerechnet Rhodrin hatte einen Anfall von Dummheit, den er für Mut hielt.

„Wir haben es satt, andauernd wegzurennen, uns zu verstecken oder unsere Kräfte zu verbergen. Wir sollten ...“

Diesmal unterbrach die Hexe.

„Wie viele Krieger habt Ihr im Gefecht kennengelernt. Was können wir ausrichten? Uns den Elitekämpfern des Ordens stellen? Einige der Älteren haben solche Kämpfe beobachtet und erinnern sich zu gut an ihren Ausgang. Willst du dein Leben lassen für eine Portion falschen Edelmut.“

Sie seufzte hörbar und ihr Gesicht spiegelte einen Teil des Grauens und des Blödsinns wieder, das sich so oder ähnlich immer wieder abspielte. Es gab nie Ruhe davor.

„Wir werden fliehen, zusammen und ohne einen Kampf zu provozieren. Ich habe genug von Panik und genug von eurer Dummheit. Die Nachricht, dass wir ein Dorf voller Magier sind, kann noch nicht so weit vorgedrungen sein. Wir haben also ausreichend Zeit, um durch die Wälder zu entkommen und die Berge zu erreichen. Dahinter am Reifopass sind wir in der Abgeschiedenheit. Und jetzt macht Euch lieber an die Arbeit und keiner soll es wagen, mir jemals wieder mit diesem Blödsinn zu begegnen. Ich führe diese Gruppe an, um des Friedens willens, nicht wegen irgendwelcher Kämpfe, die nur zu sinnlosem Blutvergießen führen.“

Ihre Wut verrauchte augenblicklich, die des Jünglings kochte weiterhin auf hoher Flamme. Er setzte sich nicht, verließ nicht den Ratssaal, sondern wollte gerade seinen Standpunkt weiter erörtern, doch dann richtete sich die Aufmerksamkeit der Dörfler vollends auf Geräusche von außerhalb.

Oh nein, ich hoffe, ich höre nur Gespenster! dachte die Söldnerin angestrengt.

Venya hatte sich nur einmal, aber dafür deutlich geirrt. Sie würde ihr Zögern, wenn es auch ein kurzes war, lange bereuen.

Und die Hüterin der Gemeinschaft erbleichte augenblicklich, als sie früh genug erkannte, was sich draußen abspielte.

Das konnte man nicht falsch verstehen.

Sie hörten Lärm, das Klirren von Pferdegeschirr und durch schlammige Erde staksende Füße - Füße, die in eisernen Stiefeln steckten. Dazu kamen hasserfüllte Stimmen, die zum Teil heiser flüsterten. Aber keiner der Invasoren bemühte sich, wirklich leise zu sein.

Was keinem zu der Zeit so richtig klar war, war die einfache Tatsache, dass eine so wichtige Person wie Roderik, der als Vermittler zwischen Städtern einerseits und den Verstoßenen andererseits agierte, ebenso eine deutliche Gefahr darstellte.

Enttarnte man ihn, folterte man ihn mit den grausamsten Mitteln, die den Silbernen zur Verfügung standen, würde dieser in kürzester Aufeinanderfolge den Standort vieler gesuchter Magusketzer von sich geben. Allerdings hatte er nur die Siedlung vor Sturmfels verraten und die Boten des Ordens waren schneller als Coldwyn. Sie hatten die dringliche Information, dass Ketzer im verfluchten Wald vor der Burg hausten, flinker überbracht, als er, der Vertraute Venyas, auch nur in der Lage war zu handeln.

Das kann nicht wahr sein, ich sitze in einem Albtraum und etwas hindert mich daran, aufzuwachen.

Etaila geriet für einen Moment in Panik. Sie hatte ebenfalls herausgehört, wer sich dem Trutzbau näherte und die kommende Falle genauso rasch ausgemacht.

Sie wechselte aufgeregt Blicke mit den anderen verängstigten Bewohnern.

Sie schaltete ihren Verstand aus und folgte nur noch ihren Sinnen, ganz ihrer Gewohnheit, wenn es hart auf hart kam.

Langsam zog sie sich bewusst zurück.

Die Jungen griffen nach ihren Waffen, zwei rissen gleichzeitig das Tor auf und blickten gebannt auf mehrere Reihen von gepanzerten Ordensrittern. Die meisten fürchteten sich zwar vor einem offenen Kampf, aber noch schlimmer wäre es für sie gewesen, bei lebendigem Leibe auf einem Scheiterhaufen zu verbrennen, weshalb sie in Panik direkt zum Ausgang stürmten. Etaila folgte und geriet an Zeliha, die ihren dünnen Arm nach ihr ausstreckte und sie zu sich zog. Sie schaute die Söldnerin sehr ernst an, und obwohl sie flüsterte, verstand die Frau aus Courant diesmal das Gesprochene genau und hörte nicht weg.

„Ihr müsst zuhören. Auch wenn es Euch jetzt schwerfällt, dürft Ihr meine Worte nicht vergessen. Es wird vielleicht nie wieder eine Gelegenheit geben, mit mir zu reden.“

Die Söldnerin erschrak, wandte sich aber nicht ab.

„Ich sagte Euch, ich erblicke von jedem Wesen die Aura, von allem, was lebt, kenne ich die Geschichte bis zum Tod. Deswegen schaue ich in keine Spiegel und ebenfalls nicht in Gewässer. Nur Eure Bestimmung, die der Dorfältesten sind vor mir verhüllt hinter einem grauen Schleier, den ich nicht durchblicken kann. Ich erkenne die Zukunft nur schwach und undeutlich und die von Venya überhaupt nicht.“

Sie machte eine Pause, um deutlich hörbar Luft zu holen.

„Was wollt ihr mir sagen?“

„Hört zu Närrin, ich sagte es doch bereits: Nicht viel bleibt mir für gewöhnlich verborgen, außer bei Euch. Etwas Starkes lenkt meine Magie ab, vielleicht stärker als die Seherin in der Lage ist zu erkennen, äußerst mächtig und sehr alt. Ihr müsst Euch hüten. Und nur ein Fragment sehe ich deutlich, gebt acht auf den Mann, der sterben wird. Er ist keinesfalls der, für den ihr ihn haltet. Er ist der, der die Gesichter der Personen tauscht. Ihr kennt ihn seit Äonen - traut ihm nicht.“

„Was?“ Es ergab keinen Sinn, was die Alte ihr sagen wollte. Vielleicht lag es an der Angst, die alle umgab und bald wahnsinnig machte. Auch sie war davon nicht auf Dauer ausgenommen.

„Was heißt das?“, fragte die Söldnerin voller Zweifel über die Bedeutung dieses Gespräches.

„Es ist eine Warnung, Närrin! Ich lüge nicht. Hütet Euch vor dem, der aus euren Reihen stirbt. Er ist uralt, ein Gauner, ein Verdammter. Er will Euch benutzen, Euch schaden, vertraut ihm nicht. Mehr kann ich nicht herauslesen. "

Sie trennte sich von der Wahrsagerin und drängelte sich zu den Jüngeren, die sich vor das Tor wagten. Venya war bei ihnen und sie wirkte gefasst, obwohl das Schlimmste eingetreten war, das passieren konnte.

Die Silbernen aufgereiht wie vor einer Schlacht, zogen auf Befehl ihre Schwerter. Man merkte sofort, wer hier im Nachteil war.

Eine große Gestalt, dessen Kopf in einem Vollhelm steckte, trat einige Schritte hervor. Die Stimme des oberen Paladins klang eisern und hasserfüllt.

„Wagt es nicht, näher zu kommen, Ihr seid nun alle Gefangene des Ordens von Thetyr und habt Euer Leben verwirkt, wenn Ihr nicht meinen Anordnungen gehorcht.“

Mit einem scharfen Blick auf seine Männer gab er den Befehl, sämtliche Hütten und Stallungen abzubrennen und jeden Rest, der an eine Behausung der Ketzer erinnerte. Gleichzeitig sollten jegliche Zuchttiere umgebracht und alle Gebrauchsgegenstände vergraben werden. Das waren seine Instruktionen, um die Verbreitung der Seuche der Magie zu stoppen.

Das Arkane, wenn es frei ausuferte, war etwas Furchtbares. Der Orden hatte die heilige Aufgabe übernommen, dies zu unterbinden.

Und so glaubte fast jeder Paladin, seine Pflicht zu erfüllen.

Eine kleine Gruppe trennte sich und ohne zu zögern, griffen sie zu Holzspänen, entzündeten sie und warfen sie auf die trockenen Reetdächer der Häuser.

Das ausgedorrte Holz brauchte sowieso nicht viel, um Feuer zu fangen, und dieser alte Tann brannte wie übergroße Fackeln mühelos ab.

Den wenigen Ziegen und Schweinen der Siedlung waren im Nu die Kehlen durchtrennt.

Gebannt schauten Venyas Leute zu, wie sich die Arbeit von Monaten in Minuten zu Asche, Rauch und Kadavern verwandelte. Wut stieg in einigen von ihnen auf und Rhodrin, der Junge, der vor Jahren zu Venya gekommen war, ohne Familie, sein halbes Leben auf der Flucht, konnte und wollte seine Abscheu vor den Paladinen nicht verbergen, mit geballten Fäusten tappte er zum Anführer und wurde von Venya überholt.

Die Hexe versuchte, das Wort zu ergreifen und sprach den Bannerträger direkt an, denn weitere Gewalt sollte vermieden werden. Ein dummer Fehler von ihr. Nach wenigen Sätzen erntete sie einen Schlag mitten ins Gesicht und kippte nach hinten. Sie wurde von Tregardis im Sturz aufgehalten, der nur fassungslos auf den Ritter schaute und die Anführerin stützte.

„Keine Erklärungen. Schweigt still und dankt der Gnade Thetyrs, dass wir Euch nicht sofort umbringen. Und kommt mir nicht zu nahe, denn ich möchte mich nicht Eurer Gauklertricks aussetzen. Wir werden jeden mitnehmen und zur nächsten Ordensfestung geleiten. Niemand wird ...“

Die Söldnerin hörte nicht mehr zu, sie drängelte sich weiter an den zu Salzsäulen erstarrten Menschen vorbei, Venya entgegen, die sich benommen aufrappelte.

Irgendwo im Durcheinander tauchte Sirul auf, kreidebleich, bleicher als alle anderen Beteiligten. Sein Schwert, dieses unnütze Ding, war auf dem Weg zum Tor verloren gegangen. Fragend schaute er ausgerechnet die junge Frau aus Courant an, als wisse sie, was zu tun sei.

Sie wusste es nicht und die Hexe flüsterte der Söldnerin ins Ohr.

„Sie sind zu früh, das konnte ich nicht kommen sehen, doch vertraut mir und folgt meinen Anweisungen.“

„ Was soll ich tun?“, murmelte sie mit einem Hauch Verzweiflung zurück.

„Wenn es losgeht, müsst ihr mit Tregardis fliehen. Rennt in den Wald Richtung Sturmfels. Es ist Wahnsinn, denn die Städter werden ebenfalls nach uns suchen, aber Ihr habt keine andere Wahl. Ihr seid zu wichtig. Meine Leute werden einen anderen Weg nehmen und so ihre Aufmerksamkeit ablenken. Ich bin in der Lage, das zu bewerkstelligen. "

Sie begriff nicht, wie Venya in dieser hoffnungslosen Situation noch von Flucht sprechen konnte und für einen kurzen Augenblick glaubte sie, die Alte hätte den Verstand verloren. Trotzdem fasste sich die Hexe wieder und gab respektvoll zu verstehen, dass es das Beste wäre, die Waffen zu senken. Es sollte keinen Widerstand geben.

„Wir werden Euch folgen, ohne großes Aufsehen, aber gebt Euren Männern den Befehl, ebenfalls die Klingen wegzustecken.“

Sie klang ehrlich. Das brachte ihr nur hohles Gelächter vom Anführer der Silbernen ein.

Doch Etaila beobachtete, wie einige ältere Bewohner hinter ihr Tregardis zunickten, der das registrierte und dabei peinlich darauf achtete, nicht die Aufmerksamkeit der Ritter auf sich zu lenken.

Etwas sollte gleich passieren.

Er packte die Söldnerin so unauffällig, wie es eben ging, am Handgelenk. Erst jetzt verstand Etaila, dass die Hexe ein Signal gegeben hatte und ihr Satz nur eine Phrase darstellte. Nur die Jüngeren der Gemeinschaft waren nicht eingeweiht und glaubten wohl tatsächlich an die Ängstlichkeit ihrer Anführerin, die sie weltfremd handeln ließ.

„Erwartet Ihr wirklich Zugeständnisse von mir? Ich dürfte eigentlich kaum mit Abtrünnigen sprechen. Wenn ihr nicht auf der Stelle abgeschlachtet werden wollt, schweigt Ihr und tretet hervor, damit wir Euch festnehmen können. Wir legen Euch in Ketten, mit verbundenen Augen, wie es jedem Ketzer zusteht.“

Das war eindeutig zu viel für Rhodrin, der Dinge falscher nicht sehen konnte.

Er hatte sich von der Seite angeschlichen und war bewaffnet.

Das Gebrüll des Paladins lenkte bestens von seinem Tun ab.

Im Bruchteil einer Sekunde war sein alter Jagdbogen gespannt und schleuderte einen Pfeil geradezu auf die gepanzerte Gestalt. Die Spitze verdrehte sich mit ungeahnter Wucht im Schulterstück des Bannerträgers, trat aber nicht tief genug ein, um ihn ernsthaft zu verletzen.

Das stellte so etwas wie eine Kriegserklärung dar, nun konnte es nur noch in einem Gemetzel enden.

Da fiel der Söldnerin ein Gegenstand auf, den der vorgetretene höchste Ordensritter gegürtet an der Seite trug. Eine Arbeit, die sie bisher nie zuvor gesehen hatte, ein Ding aus Holz und Metall, mit einem aufgesetzten Lauf, der innen hohl war und am Abschluss mit einem Griff und Abzug versehen. Er zog diese Pistole und richtete sie auf Rhodrin, der mehr aus Schreck als aus Überzeugung geschossen hatte. Etaila glaubte daran, ein Kriegswerkzeug aus der Nähe zu sehen, eine mit heiligen Runen in der thärdischen Schrift überzogene Waffe, die über dem Bügel vor der Schiene mit einem seltsamen Stein besetzt war.

„Du glaubst gar nicht, wie sehr ich mich über Gegenwehr Einzelner freue“, meinte der Silberne kalt zu Rhodrin und winkte seine Leibgarde zurück, die ihn unterstützen wollte.

Das Ding erinnerte entfernt an eine Armbrust und Etaila trat instinktiv einige Schritte beiseite. Der Griff wurde betätigt und begleitet von einer Rauchwolke jagte ein kleiner spitzer Gegenstand, funkelnd und glitzernd in einer solchen Geschwindigkeit auf die Brust des Ketzers zu, dass ihn keiner genau erfassen konnte. Das Projektil raste auf das Herz zu, aber eine reflexartige Bewegung und der Wille eines Verstandes, der Magie kontrollierte, ließen es von einer unsichtbaren Barriere abprallen.

Es gab einen lauten Aufschrei und Rhodrin, der eigentlich tot sein müsste, machte sich beinahe in die Hosen. Von oben rieselten Sägespäne herab, denn die Kugel aus der tödlichen Waffe hatte eine Bahn senkrecht auf das Dach zu genommen und sich dann in einen Dachbalken gebohrt.

Selbst der Abgebrühteste unter den erfahrenen Helfern Thetyrs konnte sein Staunen nicht verbergen.

Der Bannerträger nahm seinen Helm ab und wischte sich kurz über das verschwitzte Haar. Seine Prunkrüstung loderte im matten Rot der brennenden Hütten im Hintergrund. Er stutzte ungläubig.

„So eine Zauberkraft gibt es nicht, darf es nicht geben“, sagte der harmlos aussehende, gealterte Mann, dem man äußerlich den bodenlosen Hass nicht ansah, der in seinem Inneren brodelte. Ein Bursche mittleren Alters mit Halbglatze und den intelligenten, sturen Augen eines befehlshabenden Mörders, der es nicht wahrhaben konnte, dass moderne Technik ebenso versagte wie altgedientes Mordwerkzeug.

Alle, selbst die ungestümen Jungen der Gemeinschaft, schauten nun auf die Drude, die davorstand, ihre heimlichen Kräfte zu beweisen.

Venya hatte genau diesen Augenblick abgewartet.

„Es gibt noch viel mehr, als es ein Ignorant, wie Ihr es seid, sich eingestehen kann. Ich zeige es Euch. "

Das war eine Drohung, und zwar die einzige, die der Paladin jemals von einem Ketzer vernommen hatte.

Im selben Moment, als Venya die Formel flüsternd aussprach, riss Tregardis die Söldnerin mit sich. Seine Anweisungen waren eindeutig: In einem solchen Fall sollte er mit Etaila fliehen, ohne auf ihre Zustimmung zu warten. Er packte sie am Arm und zog sie grob davon. Der Schreck fuhr Etaila durch den Leib, als hinter ihr ein weißer Blitz aus den Händen der Hexe ausbrach und mit Rauch und Hitze die Silbernen blendete, die Augen zum Tränen brachte, ihnen Schmerzen zufügte. Der ganze Trupp verharrte, paralysiert von außergewöhnlicher Zauberkunst.

Die anderen Bewohner flohen in die entgegengesetzte Richtung und Etaila dachte gar nicht daran, umzukehren. Ihr Herz raste vor Angst und ihre Gedanken drehten sich bloß darum, lebendig von diesem Ort zu verschwinden.

Eine Wand aus Qualm und Funken hatte sich im Nu ausgebreitet. Man konnte das Husten und Keuchen der erschreckten Ordensritter gut hören - ein gutes Ablenkungsmanöver.

Das Feuer, das die Hütten ergriffen hatte, näherte sich nun den Rücken der Ordensmänner, Sie kämpften mit mehreren Problemen.

Die Fliehenden rannten einen Hang hinunter, der sie vom Dorf entfernte. Tregardis setzte sich schleunigst ab, rutschte allerdings auf dem schlammigen Grund der frisch gedüngten Äcker aus, stolperte und fiel hin. Er war schneller auf den Beinen, als Etaila schaute und lenkte sie humpelnd hinter dichte Reihen von Eichen und Buchen.

Das Tageslicht war nach wenigen Schritten fast vollkommen verschwunden, dafür hörte man den rasselnden Atem der zwei Fliehenden laut und unkontrollierbar. Tregardis führte sie dank seines ausgeprägten Instinktes und der Ortskenntnis nahezu blind durch das Wäldchen. Über ihren Köpfen erahnten sie die letzten Türme von Sturmfels. Erst nach Meilen der Hast, als sie nicht weiter konnten, verschnauften sie hinter großen Rotdornbüschen.

Da horchte Etaila auf. Sie hatte die besseren Ohren und stellte sich vor, was die Ursache von diesem lauten Knall, dem mehrere weitere folgten, in Wahrheit darstellte. Die unbekannte Waffe des Ordens feuerte erneut. Dann rannte sie mit zittrigen Beinen und Tregardis an der Seite, bis ihre Lunge brannte und ihr Atem wiederum ins Ringen geriet.

Trugbild der Schatten

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