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Kapitel 24
ОглавлениеSpäter erwachte die Couranterin mit hämmernden Kopfschmerzen. Sie kam mit betäubten Gliedern zu sich. Sie bekam mit, wie das alte Schild, das den Sturzschaden vermindert hatte, von ihrem Oberkörper entfernt wurde.
„Ihr habt einiges abgekriegt, nichtsdestoweniger glaube ich, Ihr seid noch heil genug, um aufzustehen.“
Sie hörte wieder diese fröhlich wirkende Stimme, das genaue Gegenteil zu ihrem derzeitigen Beschützer. Sie kam aus dem Nichts. Eine Hand streckte sich aus einem gräulichen Nebel heraus, um ihr aufzuhelfen. Ihr Kopf dröhnte, als würde er gleich zerspringen und ein Pfeifton sauste durch ihre Ohren, aber irgendwie erhielten ihre Beine genug Kraft, um sich erneut aufzurichten.
„Wir dachten, dass es um Euch geschehen ist.“
Der Soldat klang ernsthaft besorgt. Und wenn sie nicht so neben sich gestanden hätte, hätte diese Stimme freundlicher auf sie gewirkt. Doch sie taumelte und hatte immer noch Schwierigkeiten, sich aufrecht zu halten.
Ihr Verstand war durch den Sturz zu einem einzigen Klumpen Dummheit dahin geschmolzen.
„Nein, Ihr hattet angenommen, dass es um sie geschehen war. Aber es braucht wohl mehr als einen Grabeswächter, um sie umzubringen.“
Trotzdem hatten sie eine halbe Ewigkeit gebraucht, um den Kadaver auf die Seite zu rollen.
Etaila betrachtete den Fremden. Er wirkte vom Aussehen her deutlich jünger als der meist übellaunige Soldat, vielleicht zehn Jahre. Er schaute sie an, seine Lippen umspielt von einem Lächeln. Er sah aufrichtig aus.
Dann wurde ihr schwindelig und ihr Blick senkte sich auf den Boden, wobei er über die Leiche des Getöteten streifte. Steckte da ein Keil aus Eiskristall mitten in der Stirn der erschlagenen Kreatur?
Panik stieg in ihr hoch, brodelte fast. Sie torkelte, fing sich aber gleich wieder.
„Ihr seid ein Zauberer!“, bemerkte Etaila vollkommen richtig. Ihr fiel auf, wie Tregardis ihren Retter misstrauisch beäugte. Auch ohne Worte miteinander zu wechseln, wurde die Abneigung zwischen beiden offenbar.
„Frei von einem Magier an eurer Seite wärt ihr längst tot“, sagte der Fremde zu Etaila, dieses Mal nicht zu Späßen aufgelegt. Er stellte sich der Kämpferin vor. Sie nickte, nach dem sie seinen einfachen Namen hörte. Coldwyn hieß er und zu ihrem Beistand hatte man ihn ausgesandt. Er erzählte ihnen kurz, wie die anstrengende Reise bis an diesem Punkt abgelaufen war.
… keine schöne Geschichte. Der Thärde verfolgte mit Besorgnis, dass es einen Kontaktmann weniger gab, der zur Gemeinschaft stand.
Dann hörten sie Hufgetrappel, diesmal innerhalb des Steinrundes. Undeutlich, aber näher eilend erahnte man, dass sich eine Vielzahl von Pferden her begab und man sich vielleicht von dieser Seite Einlass zum Gräberfeld verschaffen wollten.
„Wir müssen hier raus, am besten folgt Ihr mir in den Wald hinein. Ich finde einen Weg über die Mauer. Dreht Euch nicht um. Wir müssen uns beeilen, aber fangt nicht an zu laufen.“
Es gab keinen Zweifel daran, dass der Fremde nun die Führung übernahm. Etaila kümmerte dies wenig, sie wollte bloß entkommen. Doch wenn sie zu dem Soldaten herübersah, konnte ihr nicht entgehen, wie er seine Verachtung für den Magier unterdrückte. Sie ahnte, dass es in der Gruppe früh genug Streit geben würde.
„Wir haben Eure Hilfe nicht gebraucht, Coldwyn, ich hätte es alleine erledigt.“
Wie auf Befehl fing der Disput schon jetzt an.
„Ich verfolgte es genau, Ihr saht dem Wächter sehr überlegen aus, als Ihr angeschlagen auf dem Boden lagt. Ihr hättet bald die Oberhand gewonnen. "
Man hörte ein leises Murren von Tregardis, aber damit beließ er die Sache.
Hauptsache, wir kommen lebend raus aus dieser Hölle, nur raus will ich hier.
Die Söldnerin versuchte, sich von der Panik zu befreien, schaute auf den Magier, der an Tempo gewann, und schöpfte wieder ein wenig Hoffnung.
Sie ließen die Grabhügel weit hinter sich und der Rotschopf ging voran, ohne dabei größeren Abstand aufkommen zu lassen, Etaila hatte das Gefühl, dass er keine Angst kannte oder sie sehr geschickt verbarg.
Tatsächlich, geradeaus etwa eine halbe Stunde Fußweg später, stieß die Söldnerin einen Ausruf der Verwunderung aus, denn ein kleiner Teil der groben Mauer, nicht breiter als ein üblicher Türdurchgang, war eingestürzt.
„Wie konntet Ihr das nur wissen?“, fragte sie den Fremden, die letzten Meter keuchend im Sprint.
„Magie, einfach nur Magie“, antwortete er.
Dann, beim Hindurchsteigen durch die schmale Öffnung, musste er lachen.
„Nein, natürlich nicht. Ich habe die abgelegene Seite der Anlage mit meinem Gaul abgeritten und bloß Glück gehabt, dass dieses Stück leicht zum Einsturz zu bringen war, außerdem vermutete ich Überlebende des Angriffs hier auf dem Gräberfeld, es war Glück und Zufall, dass ich Euch fand.“
Tatsächlich sahen sie kurz hinter den Trümmern der eingebrochenen Mauer ein angebundenes Pferd an einer Astgabel, das geduldig wartete.
Aber noch einen letzten Trick konnte die Söldnerin beobachten. Als alle die schmale Stelle überwunden hatten, blieb nur der Magier zurück. Coldwyn sammelte arkane Energie und streckte seine rechte Hand aus, um über die Splitterstücke des Walls zu fahren. Er berührte den Stein äußerst zaghaft.
Wie von Geisterhand getragen, hoben sich die Felssplitter an, zogen durch die Luft und passten sich alleine, wie in einem großen Puzzle, in die klaffende Öffnung ein. Jedes Teil des Legespiels suchte seinen Platz, bis die Spalten vollständig verschlossen und damit sämtliche Spuren verwischt waren.
„Wow.“ Mehr konnte die Söldnerin nicht dazu sagen, sie war schlichtweg beeindruckt.
Und bevor der Abend anbrach, sahen sie die vordergründigen Baumwipfel, die Schneise im Wäldchen sollte sie nach Sturmfels führen.