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Kapitel 20
ОглавлениеNun folgte stundenlanges Reiten.
Hinter dem Wald auf hügeligem Untergrund breitete sich ein weitreichendes Flachland aus. Mannshohes Gras wuchs, soweit man blicken konnte. Coldwyn spornte den Braunen unter sich an, schneller zu galoppieren und zu seiner Zufriedenheit erreichte er auch eine ungeahnte Geschwindigkeit, die ihn beeindruckte.
Er konnte nicht leugnen, dass er es genoss, wie der Wind die Ebene zu überqueren. Ohne abzusitzen, berührte er mit der Handfläche die wilden Ähren, die links und rechts von ihm wuchsen. Seine Laune hatte sich nach dem Verlassen des Pfades stetig gebessert und er hatte das Gefühl, keiner würde ihm den so schlecht begonnenen Tag jetzt noch verderben. Selbst die Sonne kam hinter einigen Wolkenfetzen hervor und verbreitete ein sattes wärmendes Gelb. In unregelmäßigen Abständen tauchten Hütten auf, denen rohe zersägte Holzstämme als Wände und aufgesetzte schräge Dächer dienten.
Die grüne Landschaft zog sich nun bis zu zum Umland von Mondave hinunter und fast alle Ortschaften stanken nach Armut. Außer in Sturmfels waren die Menschen zwar frei und wurden nicht verfolgt, aber dafür blieben sie sich selbst überlassen und starben bei den Hungersnöten als erste, lange vor den Städtern.
Er überlegte, was es mit den einsamen Grüppchen in der Wildnis auf sich hatte, an deren Unterkünften er vorbeikam. Nach den Inseln zwischen dem Siedlerland und der Bergkette im Osten hatten die wenigen Bewohner nur dürftige Chancen, hier draußen durchzukommen. Entweder sie sammelten Beeren und Nüsse im Wald und jagten das magere Vieh, das es zu erbeuten gab, oder sie schlitzten jeden umherziehenden Wanderer von Wange zu Wange die Kehle auf, um an Habseligkeiten und etwas Geld zu gelangen. Er tippte auf die letzte Möglichkeit, die einfachste. Er hatte nicht vor, in den nächsten Stunden eine Rast zu halten.
Ausgestoßene, das sind diese Leute.
Sein Verstand formte diese Bezeichnung. Zwischen hier und den ersten großen Ortschaften des Kernlandes hatte er genug solcher Wohnstätten gesehen. Einige auch von innen. Wie viele Mörder und Verbrecher sich aus den Städten aufs Land geflüchtet hatten und dort ein relativ beschauliches Leben führten, konnte er nur erahnen. Wie hoch die Zahl derjenigen war, die in den Gemeinden über die Runden kamen, lag jenseits seiner Schätzung. Es waren aber deutlich weniger. Und er wurde sich langsam darüber klar, dass er nach dem Besuch bei Roderik in einem Landstrich von Strauchdieben unterwegs war, einer Halbinsel voll von ihnen. Bald erreichte er ihre östliche Grenze und musste eine Schneise weiter südlich einschlagen, um das Ziel zu passieren.
Es wurde holpriger, da der Grund übersät war mit Kiesel und Geröll. Coldwyn zog an den Zügeln. Das Pferd war jung und kräftig, sodass es kaum gebändigt werden konnte. Doch würde er nicht riskieren, dass es sich verletzte - zwei tote Pferde in der Woche genügten.
Er stieg ab und führte es an den Zügeln vorwärts.
Weiterhin zog sich die üppige Graslandschaft über die Halbinsel hinaus, im Osten bis zu den Riffen. Keine gute Möglichkeit für den Fall, dass große Gruppen an Menschen auf weite Sicht unbemerkt bleiben wollten. Das gab ihm zu Denken.
Ein blaues Oval direkt unterm Horizont in der Ferne zeigte dem Beobachter, dass dieses Plateau von einem Meer umgeben war. Einem tief azurfarbenen Meer, das, wenn es schlecht gelaunt war, tosende Stürme mit haushohen Wellen gegen die Klippen am Ufer werfen konnte und sich so etliche Handelsschiffe geholt hatte, sowohl die der Thärden als auch die anderer Völker.
Es ging weiter, er gönnte sich keine Pause. Er kannte die Gegend noch genau aus dem Gedächtnis. Als er einen brennenden Geruch wahrnahm, ahnte er, dass es Ärger geben würde. Feuer war meistens ein Anzeichen dafür, dass sie da gewesen waren. Sie hielten ihre Verbrennungen von Büchern und antiken Artefakten für eine Reinigung, eine Art heiliges Ritual, das sich jedes Mal wiederholte. Und erneut sah er so ein Ritual.
Schwach sah er dazu die Vorzeichen, aber er irrte sich nicht. Leider.
Zuerst sah man die Rauchschwaden, die im hinteren Teil der Halbinsel, dort wo Wälder standen, stetig aufstiegen.
Dann sah man es deutlicher.
Das Feuer lag höher, man konnte es gut zwischen dem alten kleinen Wäldchen und der tiefschwarzen Burg mit Hafen ausmachen. Er warf sich sofort vor, zu lange getrödelt zu haben - was falsch war. Er erkannte augenblicklich, dass er zu spät eintreffen würde - die ganze Eile, der Aufwand, alles war vergebens.
Aber es musste mehr passieren, um ihn von seinem Auftrag abzuhalten.
Nun gab er seinem Braunen die Sporen, trieb ihn wütend an. Sollte das Vieh unter ihm ruhig sterben, solange er wenigstens ankam.
Nur Ankommen zählte jetzt noch, während er das Feuer beim Ausbreiten gut beobachten konnte.
Zu spät, verdammt zu spät! Ich wusste es.