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Kapitel 25

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Es ging immer tiefer in den Wald hinein und sie wurden erst dann langsamer als sich nach etlichen kurzen Pausen, die mit Lauschen im Unterholz verbunden waren, keine Bedrohung zeigte. Der Trupp Silberne hatte es vermutlich aufgegeben, sie weiter zu verfolgen, aber wahrscheinlich nur vorerst.

Je länger sie wanderten, desto schneller ermüdeten sie.

Etaila hatte das Pferd bekommen, das sie nun vorsichtig über vermoderte Holzstämme trug.

Der Hunger ausgelassener Mahlzeiten meldete sich bei ihr. Sie waren vor Stunden zu der Flucht aufgebrochen. Aber Coldwyn musste sie enttäuschen, er hatte sich nicht reisefertig in Marsch gesetzt und vertröstete sie mit einem Essen auf einen späteren Zeitpunkt. Tregardis ging es nicht anders. Er lief neben der Söldnerin und bekam einen knurrenden Magen und lahme Beine. Die beiden hatten sich wie die meisten Söldner des ärmlichen Landstrichs an Hunger und Entbehrung gewöhnt. Abgehärtet wie sie konnten sie bislang mehrere Tage so weitermachen, aber irgendwann kommende Nacht sollten sie wenigstens für ein oder zwei Stunden Schlaf finden. Drückende Dunkelheit senkte sich hinter ihnen herab, ihre Sicht reichte nur einige Meter.

Ihr Weg führte sie durch viele Reihen dichten Gehölzes, ganz so, als wenn Coldwyn den Gang zu seinem Fluchtziel schon auswendig kannte. Doch noch vertraute er seiner Begleitung nicht an, wo er sie hinführte, und sie fragten nicht, sie wollten bloß fortkommen. Schließlich begann der Soldat zu erzählen.

Er versuchte, gedämpft genug zu sprechen, damit der Magier nicht jedes Wort mithören konnte, gab sich dabei aber nicht sonderlich Mühe, besonders leise zu sein.

„Venya hat den komischen Kerl aufgespürt, es war ihre Gabe.“

Etaila schaute fragend zur Seite und Tregardis wurde genauer mit seiner Behauptung.

„Sie kann Menschen wie Coldwyn ausfindig machen, in ihren Träumen sehen und ihnen folgen.“

Coldwyn, der Zauberer, legte einen Zahn zu, wirkte plötzlich gehetzt in seinen Bewegungen. Verfolgte man sie und den Magier, der sie bis hier her beschützte, spürte er das auf eine eigenartige Weise? Sie überquerten eine Anhöhe voll mit abgestorbenem Wald. Jeder gemachte Schritt knirschte unter Laub und Tannennadeln und bei allen Schritten auf knackendem Untergrund atmeten sie drückender aus. Jederzeit wäre es möglich, dass sich hinter ihnen die Silbernen meldeten. Das vermutete die Söldnerin jedenfalls, denn außer Kleinwild gab es kaum etwas, das sich im Hain regte.

Etaila glaubte nicht, dass die Kirchenmänner so ohne Weiteres aufgaben. Sie konnte nur angestrengt zuhören, als der Soldat schnelleren Sprints fortfuhr:

„Sie hatte an diesem Abend eine seltsame Vorahnung. Eigentlich wirkte sie den ganzen Tag nervös und angespannt. In der Nacht begann ein Gewitter und sie weckte mich. Sie bat mich, drängte mich, sie zu begleiten. Wir gingen in den Wald Richtung Stadt. Das Gebiet war noch von unseren Leuten unberührt geblieben. Sie wusste selber nicht, wen genau sie suchte, sie vermochte nur zu ahnen, dass er sich im Hain befand.“

„Ihr berichtet doch nicht gerade die Geschichte, wie Ihr mich gerettet habt, oder? Ist es nicht ein bisschen zu früh, um sentimentale Erinnerungen auszutauschen?“

Ein wenig überrascht über die guten Ohren ihres derzeitigen Anführers erzählte Tregardis trotzdem unbeirrt weiter, ohne zu antworten.

„Wir fanden den Vagabunden ausgezehrt und abgemagert in einem Waldstück, er hatte sich verkrochen wie ein wildes Tier …“

„Soll ich erzählen, wie es war?“

Tregardis versuchte, sein Erschrecken zu verbergen, er hatte sich diesmal wirklich Mühe gegeben, leise zu sprechen. Coldwyn schien jedes Wort verstanden zu haben, somit setzte sein Sinn für Schauspielerei ein. Er erwiderte gelassen, wie unwichtig es sei, wer die Geschichte beenden würde.

„Gut, dann mache ich das. Ich war am Ende, gehörte zu den Vagabunden, reiste damals viel herum, es war keine schöne Zeit für mich und meine Begleiter.“

Der Magier wich geschickt einem Ast aus, der mitten aus der Schwärze ragte. Er ging weiterhin voran, frei von Anzeichen von Müdigkeit ohne Schwäche zu zeigen.

„Ich verbrachte meine Zeit damit, mit einer Bande wehrlose Bauern auszurauben, mich besinnungslos zu betrinken und vor mir selbst davon zu laufen. Ich bin nicht sehr stolz auf meine Taten.“

Die Söldnerin schnaufte, als das Gefälle anstieg. Die Bäume wichen mehr und mehr zu Seite, ein schmaler Reisepfad, überschaubar, von in die Erde gesetzten Steinen begrenzt, führte weiter aufwärts. Doch auch die anstrengende Wanderung empor raubte dem Erzähler nicht den Atem.

„Ich bemerkte früh, dass ich über diese Kräfte verfügte, die von der silbernen Garde als Todsünden angeprangert wurden. Ich brachte Gegenstände zum Schweben. Wenn ich aufgeregt oder wütend wurde, entzündeten sich Feuerstellen in meiner Gegenwart oder ein Teich gefror mitten im Sommer. Deswegen verbarg ich meine wahre Natur, so gut es ging, wagte selbst unter den Ausgestoßenen nicht, sie zu zeigen.“

„Es gibt nur Wenige, die über Coldwyns Kräfte verfügen und die Chance haben, sie zu bündeln und auch das vollbringen sie nur mit viel Willenskraft“, murmelte Tregardis. Der Frau neben ihm lief kalter Schweiß den Rücken herab, sie schob es auf die aufregende Flucht, doch teilweise kam es von der Geschichte.

„Das stimmt. Ich hätte jemanden töten können. Vielen ergeht es schlimmer, denn sie wissen nicht einmal, dass sich in ihrem Blut Magicka befindet, oder sie sterben an einem einzigen Ausbruch. So hat es der Orden leicht, uns alle als Verfluchte darzustellen. Und ich hatte damals Pech. Die Bande, die mich aufgenommen hatte, erfuhr, dass ich zu den Ketzern gehörte. Man zog mir mit einem Holzscheit eins über und ließ mich zurück. Ich kann's ihnen nicht einmal verübeln.“

„Und bei all euren Kräften konntet ihr Euch trotzdem nicht eigenhändig heilen“, bemerkte der Thärde treffend.

„Nein, dazu fehlte mir damals noch die Übung in der Kunst“, gab ihm der Magier recht, doch eine Spur von Kränkung schwamm in der Feststellung mit.

„Nur die Hexe und ihre Fähigkeiten konnten mich in dieser Nacht retten. Ich war halb verhungert und sehr ausgelaugt. Venya nahm mich auf und es dauerte Wochen, bis ich mich erholte. Sie erzählte mir, was mit mir nicht stimmte, erklärte mir, dass ich in einem früheren Zeitalter ein geschätzter Magier gewesen wäre. Sie zeigte mir, wie ich meine Kräfte unterband, wenn es mir zu viel war, und wie ich sie kontrollieren konnte, als einer der wenigen Erweckten, bei denen das möglich ist.“

„Ihr nennt Euch selbst einen Erweckten. Ihr seid der Erste auf meiner Reise, der nicht von einer Verwünschung redet, wenn es um Zauberei geht“, erkannte die Söldnerin.

„Das muss es auch nicht sein, nicht für jeden“, gab Coldwyn trocken zurück.

Trugbild der Schatten

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