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1888 – Edward Bellamy – »Looking Backward or Life in the Year 2000«

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Im Jahr 1888 erscheint das in Boston verlegte Buch »Looking Backward or Life in the Year 2000«, verfasst vom US-amerikanischen Journalisten und Schriftsteller Edward Bellamy (1850–1898). Der überraschend erfolgreiche Roman schildert die Geschichte eines Protagonisten, der nach der Methode des »animalischen Magnetismus« des Wiener Arztes Franz Anton Mesmer (1734–1815) in ein Koma fällt, das mehr als hundert Jahre lang andauert.

Beim Aufwachen findet sich der Protagonist in der Stadt Boston im Jahr 2000 in einem idealen Gemeinwesen wieder. Der Staat hat sich auf evolutionäre Weise genossenschaftlich organisiert und ist geprägt von industriellen Republiken, die ihren Bürgern ein sorgenfreies Leben in Gleichberechtigung ohne Mühe und Ausbeutung der Arbeitskraft bieten. In dieser Utopie wird der Versuch geschildert, die soziale Frage durch eine weiter entwickelte Technik und durch Optimierung auf der Basis wissenschaftlicher Genauigkeit zu erreichen.

Die Verwaltung ist militärisch organisiert, die Umwelt ist sauber, das Bargeld ist zugunsten von sogenannten »Kreditkarten« abgeschafft und jeder wird gemäß seiner Kräfte zur allgemein notwendigen Arbeit herangezogen. Alle Mitglieder dieser menschlichen Gesellschaft erhalten fairerweise den gleichen Anteil an den gemeinsam erarbeiteten Werten.

Der Autor Bellamy löst die soziale Frage durch eine Erziehung nach Bedarf und schafft Bildung durch ein Angebot von Massenunterhaltung, die über eine vernetzte Telekommunikation in jeden Haushalt geliefert wird.

Auch die Gleichstellung der Frau in der beschriebenen idealen Gesellschaft war ein Anliegen des Autors, der die ökonomischen Probleme von Amerika im auslaufenden neunzehnten Jahrhundert thematisierte.

Das von Bellamy beschriebene »humane scientific and socialistic utopia« wurde bereits im Erscheinungsjahr mehr als zehntausend Mal verkauft. Durch das breite Interesse entstanden Clubs, um diese Vision der sozialen Idee in Nordamerika zu unterstützen.

Nachdem die amerikanische Ausgabe mehr als dreihunderttausend Exemplare verkauft hatte, wurde 1890 die deutsche Erstausgabe mit dem Titel »Ein Rückblick aus dem Jahre 2000 auf 1887« in der Reclams Universal-Bibliothek in Leipzig herausgegeben. Innerhalb eines Jahres erreichte diese Ausgabe ihre siebte Auflage, was für die hohe Popularität der beschriebenen Utopie auf der Basis eines wissenschaftlich basierten Sozialismus spricht!

Interessant ist der Umstand, dass die sozialistisch-kommunistische Politikerin und Frauenrechtlerin Clara Josephine Zetkin (1857–1933) eine neue Übersetzung des Romans lieferte, die unter dem verkürzten Titel »Rückblick aus dem Jahr 2000« im Dietz Verlag Stuttgart im Jahr 1914 erschien. Das Engagement von Clara Zetkin war in den Beschreibungen von Bellamy zur Frauenfrage begründet, die sie mit ihrer Utopie einer gerechten Gesellschaft für die Frau teilte. Clara Zetkin war von 1891 bis 1917 Herausgeberin der SPD-Frauenzeitung »Die Gleichheit«, in deren programmatischer Erstausgabe von 1891 sie sich gegen die reformistische Vorstellung wandte, durch rechtliche Gleichstellung mit den Männern unter Beibehaltung des Kapitalismus einen Fortschritt für die Frauen erreichen zu wollen:

»Die Gleichheit (…) geht von der Überzeugung aus, dass der letzte Grund der jahrtausendealten niedrigen gesellschaftlichen Stellung des weiblichen Geschlechts nicht in der jeweils von Männern gemachten Gesetzgebung, sondern in den durch wirtschaftliche Zustände bedingten Eigentumsverhältnissen zu suchen ist. Mag man heute unsere gesamte Gesetzgebung dahin abändern, dass das weibliche Geschlecht rechtlich auf gleichen Fuß mit dem männlichen gestellt wird, so bleibt nichtsdestoweniger für die große Masse der Frauen (…) die gesellschaftliche Versklavung in härtester Form weiter bestehen: ihre wirtschaftliche Abhängigkeit von ihren Ausbeutern.«

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