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f) Ablehnung der staurozentrischen Soteriologie

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Kritik der Opfer- und Sühnetheologie

Das Kreuz Jesu ist das zentrale Symbol des Christentums. Das Bekenntnis zur Heilsbedeutung des Kreuzestodes Jesu und damit eine staurozentrische Soteriologie (von σταυρός, Kreuz; σωτηρία, Rettung, Heil) gehören zur Mitte des christlichen Glaubens. Doch werden die biblischen Deutekategorien für das Sterben Jesu (Opfer, Sühne, Stellvertretung) heute zunehmend einer fundamentalen Kritik unterzogen, die allerdings zumeist von falschen Voraussetzungen ausgeht. So wird mit der biblischen Opfer- und Sühnetheologie in der Regel die unbiblische Vorstellung von einem zürnenden Gott verbunden, der durch ein Menschenopfer besänftigt werden muss.

Friedrich Nietzsche hat diese Vorstellung als Kern der christlichen Soteriologie inkriminiert (Werbick/320: 28–36.248f. u.ö.). Auf die Katastrophe des Kreuzes „fand die gestörte Vernunft der kleinen Gemeinschaft eine geradezu schrecklich absurde Antwort: Gott gab seinen Sohn zur Vergebung der Sünden, als Opfer. Wie war es mit einem Male zu Ende mit dem Evangelium! Das Schuldopfer, und zwar in seiner widerlichsten, barbarischsten Form, das Opfer des Unschuldigen für die Sünden der Schuldigen! Welches schauderhafte Heidentum!“ Die biblische Rede vom Opfer- und Sühne tod Jesu steht deshalb im Verdacht, zu jenem „schauderhaften Heidentum“ zurückzuführen, das Friedrich Nietzsche in der christlichen Lehre vom Opfer sehen wollte (Nietzsche/12: 1203), oder zur „dämonischen Jurisprudenz“, von der noch Ernst Bloch in seinem „Prinzip Hoffnung“ sprach (Bloch/406: 1494). Schon die Aufklärung hatte die christliche Lehre vom stellvertretenden Sühnetod Jesu aus ethischen wie religiösen Gründen abgelehnt: Jesus habe die Religion radikal verinnerlicht und von jeder Kult- und Opferpraxis befreien wollen. Bei der gegenwärtigen Kritik an der Opfer- und Sühnevorstellung kann man im Anschluss an Bernd Janowski (Janowski/300: 17–26) drei Richtungen der Kritik unterscheiden: eine exegetische, eine psychologische und eine feministische Kritik.

exegetische Kritik

Seit Rudolf Bultmann wird immer wieder ein Gegensatz zwischen alttestamentlichem Sühnekult und neutestamentlicher Versöhnungslehre behauptet, als ob es ausgemacht sei, dass die Kultkritik der Propheten sowie die Tempelkritik Jesu auf eine Überwindung des kultischen Denkens zielt. Die Verlegenheit der modernen Exegese gegenüber Opfer und Kult erklärt zu einem großen Teil, warum es der Theologie bislang nur ansatzweise gelungen ist, die zentralen Begriffe und Bilder biblischer Versöhnungslehre (Kult, Loskauf, Opfer, Sühne, Stellvertretung) hermeneutisch aufzuschließen (Janowski/300: 13.17–19). Mit der Behauptung, sie sei dem „modernen Menschen“ nicht mehr zumutbar, wird sie heute schnell als zeitgeschichtlich bedingt beiseite geschoben (Friedrich/120; Zager/323). Unbeirrbar hält sich auch die These (Fiedler/282/283), der Gedanke des stellvertretenden Sühnetodes bedeute einen Rückfall hinter die Reich-Gottes-Botschaft Jesu und sei deshalb mit ihr sachlich unvereinbar.

psychologische Kritik

Die psychologische Kritik sieht im Gedanken des Kreuzesopfers eine pathologische Regression. Die „jesuanische Gnadenreligion“ habe sich, vor allem bei Paulus, in die „alttestamentliche Opferreligion“ pervertiert (Wolff/442). In der Opferung des eigenen Sohnes zeige sich ein sadistisches Gottesbild, ein Gott, der zur Wiederherstellung seiner verletzten Ehre eine blutige Genugtuung fordere. Der Zorn Gottes über die Sünde des Menschen werde durch den grausamen Opfertod des Sohnes, das Blut eines Unschuldigen, besänftigt. Mit einem Gott, der aus Menschenliebe seinen Sohn schlachten ließ, könne aber etwas nicht stimmen (Moser/426; Buggle/280; Holl/293). Obschon sich nachweisen lässt, dass ein solcher Gott nicht der Gott der Bibel ist, findet die genannte Kritik breite Zustimmung, auch unter Theologen.

feministische Kritik

Die feministische Kritik an der Kreuzestheologie sieht im christlichen Symbol des Kreuzes nicht nur den Ausdruck von „Nekrophilie“, sondern ein patriarchalisches, von der Gewaltfaszination bestimmtes Gottesbild, eine Form des „Sado-Masochismus“. Statt „Kreuz“, „Sühne“ und „Opfer“ sind die neuen Leitworte „Beziehung“, „Zuwendung“ und „Hingabe“, bezogen allerdings nicht auf den Tod Jesu, sondern auf sein Leben. Verbunden mit der Kritik an der Kreuzestheologie ist zumeist die Forderung, die Gedächtnisfeier von Tod und Auferweckung Jesu nicht mehr von der Symbolik der Opfer- und Sühnetheologie, sondern ganz vom Leben Jesu und seiner Auferstehung her zu verstehen (Moltmann-Wendel/307/308/309; Sölle/84; Strobel/437; Moltmann-Wendel-Schottroff-Sölle/310). Wider bessere exegetische Einsicht wird von den feministischen Theologinnen behauptet, dass Gott ein Blutopfer braucht, um versöhnt zu werden (Janowski/300: 25 u.ö.).

Die prophetische Kultkritik kann ebenso wenig wie die Tempelkritik Jesu in einen Gegensatz von „Ethos“ und „Kult“ gepresst werden. Da es im Kult um die Begegnung mit dem Heiligen Israels geht (Janowski/298: 23; Willi-Plein/321), ist es höchst unwahrscheinlich, dass Jesus, ein geborener Jude, den Jerusalemer Kult grundsätzlich abgelehnt hat. Die Breite der biblischen Opfer- und Sühnevorstellung lässt sich ohne den kultischen Hintergrund auch gar nicht verstehen. Für ihre hermeneutische Erschließung bietet der Gedanke der „Hingabe“ durchaus Anknüpfungspunkte. Doch kann der Opfergedanke nicht einfach durch die Rede von der „Hingabe“ ersetzt werden. Denn das Christentum ist nicht nur eine Religion der Freiheit, sondern eine Religion der Liebe, die im Ernstfall das Äußerste fordert, nämlich das Opfer des eigenen Lebens (vgl. Kap. V, 2).

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