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b) Der Antijudaismusvorwurf gegenüber der Christologie

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Am Bekenntnis zu Jesus als dem verheißenen Messias des Gottes Israels festzuhalten, ist in der Theologie „nach Auschwitz“ keineswegs mehr selbstverständlich. Nicht wenige fragen, ob eine messianische Christologie nicht notwendig antijudaistisch sei, bestreitet sie doch den Juden die Legitimität ihrer noch nicht erfüllten Messiashoffnung. So vertritt Paul van Buren die These, dass Jesus der Herr der Kirche, nicht aber der Messias Israels sei. „Ohne messianisches Zeitalter kein Messias“. Im Bekenntnis zu Jesus dem Christus, dem Messias, sieht van Buren den „absurden Versuch“, „dem jüdischen Volk eines seiner eigenen zentralen Symbole der Hoffnung zu rauben“ (Buren/349: 10).

Christologie als „Kehrseite des Antijudaismus“

Rosemary Ruether behauptet in ihrem Buch über die theologischen Wurzeln des Antisemitismus (Ruether/381) gar einen gesetzlich-notwendigen Zusammenhang zwischen Christologie und Antijudaismus, ja Antisemitismus. So bezeichnet Ruether die Christologie als „Kehrseite des Antijudaismus“ (381: 229). Der Antijudaismus, so sekundiert Gregory Baum, sei die „linke Hand der Christologie“ (Baum/346: 19). Ruether fordert eine Revision der „messianischen Ideologie“ des „christlich-imperialistischen Mythos“ (Ruether/381: 241.243). Diese Revision verlangt vom Christentum, sich nicht mehr als „erfüllten Messianismus“ (381: 222) zu verstehen, sondern in einer „vollen Bekehrung zum Judentum“ (237) den christlichen Messianismus auf einen „unerfüllten Messianismus“ zurückzunehmen. „Der Christ wie der Jude ist noch auf dem Weg durch die Wüste, zwischen dem Auszug und dem verheißenen Land, mit goldenen Götzen und zerbrochenen Tafeln längs des Weges“ (236).

das Kreuz Christi – heilsbedeutsam nur für die Völker

In seinem Nachwort zur deutschen Ausgabe des Buches von Rosemary Ruether kritisiert der evangelische Theologe Peter von der Osten-Sacken den „christologisch begründeten christlichen Totalitarismus“ und fordert einen konsequenten „theologischen Besitzverzicht“ (Osten-Sacken/377: 246). Allerdings hat sich von der Osten-Sacken für die Beibehaltung des Bekenntnisses zu Jesus dem Christus ausgesprochen (378: 174f.). Dagegen meint Klaus Wengst, dass „nach Auschwitz“ Jesus nur noch als „Messias aus Israel für die Völker“, nicht mehr als „Messias Israels“ bekannt werden könne (Wengst/395: 73–76). Was „für die Kirche durch den Messias Jesus vermittelt da ist, gilt für Israel schon vorher und gilt auch weiterhin ohne solche Vermittlung“. Das Verhältnis der Sohnschaft Jesu zur Sohnschaft Israels ist für Paulus aber mehr als das einer „außerordentlichen Konzentration“ (81). Wie könnte er sonst für die eschatologische Zukunft, bei der Parusie Christi, eine Rettung Israels erwarten (Röm 11, 27f.)?

Eine ähnliche Position wie Wengst vertritt der katholische Dogmatiker Herbert Vorgrimler. Für ihn ist der Tod Jesu die von ihm „bewusst angenommene Konsequenz seiner Sendung und seines Auftretens“ (Vorgrimler/394: 156), soteriologisch bedeutsam aber nur für die Heiden, nicht für Israel. Vorgrimler begründet seine Position zum einen mit dem Noachbund, den er als wirksames Zeichen „des Versöhntseins Gottes in seiner Geschichte mit den Menschen“ (ebd.) interpretiert, zum anderen mit der Gottesverkündigung Jesu, sofern sie den Gedanken der Versöhnung durch das Kreuz ausschließe. Doch beim Noachbund geht es nicht um Gottes Vergebung, sondern um die Geduldsfrist, das ungestrafte Hingehen-Lassen von Sünden (Groß/352: 47–52). Was die soteriologische Bedeutung des Kreuzes Christi betrifft, so geht eine Reihe namhafter Neutestamentler (Schürmann/316; Merklein/138: 159–167/306) davon aus, dass Jesus seinem Tod selbst eine Heilsbedeutung zugesprochen hat. Dass eine Christologie, um den Antijudaismus hinter sich zu lassen, das Bekenntnis zu Jesus als dem Messias Israels und Sohn Gottes aufzugeben hätte, steht also keineswegs fest, wird auch von renommierten Theologen ausdrücklich bestritten (Pröpper/380; Breuning/347). Von einer messianischen Christologie, die am Bekenntnis zu Jesus dem Messias des Gottes Israels festhält, wäre ausgehend vom Judesein Jesu und ungekündigten Gottesbund, in dem Israel steht (Röm 9,1–5; 11,1f.), eine Israel und seine bleibende Erwählung bejahende Christologie zu entwickeln (vgl. Kap. V, 1).

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