Читать книгу 70 Tage Pandemie - Hendrike Piper - Страница 23
ОглавлениеTag 15
Telefonat mit der Schwägerin: Ihre beiden Kinder im Grundschulalter haben mit einem dritten im Hof gespielt. Naaa, wer ahnt, wie es jetzt weitergeht??? Richtig: Herr Nachbar hatte nichts Besseres zu tun als die Polizei zu rufen. Zwei -wie man zu ihrer Verteidigung sagen muss: eher beschämte – Beamte klingelten kurz darauf an der Wohnungstür der Schwester meines Mannes und machten sie auf ihr „Vergehen“ aufmerksam. Später lese ich in der Zeitung, dass unser Innenminister aufmerksame Bürger dazu aufruft, die Polizei mit Meldungen bei ihrer Überwachung, ob sich auch alle brav an die Maßnahmen halten, zu unterstützen.
Am Abend dieses Tages, während dessen ich mit vielen verängstigten und verunsicherten Menschen gesprochen habe, platzt mir der Kragen und ich schreibe einen Leserbrief, der wohl nie irgendwo erscheinen wird, da die Presse inzwischen einfach nur 1: 1 wiedergibt, was die Politiker von sich geben. Neue Rubriken heißen „Zuhause“ oder „Kinder, Kinder“, hier werden hochklassige brandaktuelle News verbreitet – wie z.B. Bastelanleitungen für eine Maske für den Osterhasen, Rezepte für Omas besten Apfelkuchen oder Anleitungen zum richtigen Händewaschen [gemäß dem Motto: „Ihr wascht Euch die Hände, WIR waschen Euer Gehirn!“]. Auch die IKEA-Reklamen des im Übrigen natürlich überall außer in Schweden geschlossenen Möbelhauses rufen zum hyggeligen4 Zuhausebleiben mit im Internet bestellten Polstermöbeln auf. Ich frage mich zweierlei: 1. Tun die Firmen das, weil ihre Hirne schon erfolgreich gewaschen sind oder einfach nur, um weiter ihren Kram zu verkaufen (weil Gartenmöbel und Großfamiliengrills grad uncoolerweise echt schlecht laufen)? 2. Wie sollen eigentlich die Boten von Hermes und andere Freunde der Paketlogistik zu Hause bleiben, die uns den ganzen Sch. liefern sollen, den wir brauchen, um hyggelig zu Hause bleiben zu können?
4 hyggelig ['hygli] = Dänisch für: gemütlich, heimelig, bequem, behaglich, nett