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Tag 16

Mein Leserbrief:

Gedanken über Werte – ein Appell

Angst ist ein schlechter Ratgeber – das weiß jeder. Dennoch beherrscht sie dieser Tage alles. Ja, wir haben alle mit dem Verstand begriffen, dass der Sinn der derzeitigen freiheitsberaubenden Maßnahmen die Reduktion der Replikationszahl des Virus und hierüber der Schutz der Vorerkrankten unserer Gesellschaft ist – gefühlsmäßig jedoch haben wir verstanden, dass wir Angst haben müssen: Angst vor anderen Menschen, Krankheit, Tod.

Oder ist es mit Vernunft zu erklären, wenn mein Kind beim Überschreiten der roten Linie im Supermarkt panisch von der Kassiererin angeherrscht wird? Ist Vernunft der Anlass, dass Nachbarn meiner Schwägerin, als sie ihre zwei Kinder mit einem dritten draußen spielen sahen, die Polizei riefen?

Angst, die all diese „Maßnahmen“ (hoffnungsvoll ein Favorit für das Unwort des Jahres 2020!) schüren, die jede deutsche Zeitung undiskutiert mitträgt und in gänzlich unreflektierter Weise gegen die sogenannten „Regelbrecher“ Stimmung macht.

Dabei wäre spätestens jetzt Zeit für eine breite gesellschaftliche Diskussion über die Werte unserer Gesellschaft, was wir wofür zu opfern bereit sind. Hier ein Zitat aus der viel beachteten Stellungnahme der Epidemiologischen Gesellschaft zum Thema „Rocona“

„Uns sollte dabei immer bewusst sein, dass diese Einschränkungen der Bürgerrechte menschlich, sozial, wirtschaftlich und auch gesundheitlich eine erhebliche Belastung für die Menschen und Unternehmen unseres Landes darstellen. Es ist daher notwendig, dass zu diesen Themen eine öffentliche Diskussion geführt wird – in der Kenntnis der unterschiedlichen Szenarien, der bevorstehenden Gefahren und der eigenen Möglichkeiten.“

Zur geforderten öffentlichen Diskussion hier einige Anregungen:

Was ist der Wert des Lebens, eines Lebens in unserer sich so gern als humanistisch und christlich verstehenden Gesellschaft?

Hierzu einige Zahlen, die dieser Tage doch so beliebt sind:

In den griechischen Flüchtlingslagern leben mehr als 40.000 Menschen unter menschenunwürdigen Bedingungen, mit der extrem hohen Gefahr von Seuchenentwicklung, nicht nur, aber auch durch Rocona.

2.900.000 Flüchtlinge leben in der Türkei, als sich ein Bruchteil von ihnen in Richtung Europa aufmachen wollte, wurden sie mit Billigung von uns allen mit Tränengas und Wasserwerfern zurückgedrängt

Über 10.000 Flüchtlinge ertranken im Mittelmeer in den letzten 4 Jahren.

Was ist der Wert eines Lebens? Ist der Wert eines deutschen Lebens höher als der eines Flüchtlings? Wie sonst ist es zu erklären, dass ein weitgehendes Aussetzen des Grundgesetzes dieser Tage als völlig akzeptable und nicht widersprochene Maßnahme zum Schutz des Lebens von (je nach Statistik) 0,5-5 % der Bundesbürger hingenommen wird, während unsere Antwort auf humanitäre Katastrophen außerhalb unseres unmittelbaren Blickfeldes Wasserwerfer, Tränengas und „Ablasszahlungen“ in die Kassen eines frauenfeindlichen Diktators sind?

Und dann ist da noch die Freiheit. Ein Wert, der sogar (zusammen mit dem derzeit ausgesetzten (Grund-) Recht) Eingang in unsere Nationalhymne gefunden hat. Ein Wert, dessen Wichtigkeit im Verlauf gerade unserer deutschen Geschichte extremen Schwankungen unterlegen war und vielleicht erst jetzt, für diese und die letzte Generation von Heranwachsenden in ihrer ganzen Vollumfänglichkeit zur Selbstverständlichkeit geworden ist: Die vollkommene Freiheit des Denkens, Handelns, Urteilens und der Fortbewegung sowie Meinungsäußerung – unabhängig von Geschlecht, Bildungsgrad oder Herkunft.

Augenreibend und meinen Ohren nicht trauend sehe, höre und erlebe ich als Mitglied eben dieser glücklichen Generation dieser Tage den vollkommenen und unwidersprochenen täglich zunehmenden Rückbau dieser Privilegien, die ich nie als solche, sondern als DNA unseres Landes verstanden habe. Fast nebensächlich frage ich mich, welcher Tatsache mein größeres Entsetzen geschuldet ist – der wochenlangen Gleichschaltung der öffentlichen Meinung, persönlichen Freiheitsberaubung etc. etc. – oder der der geringen Zahl der leisen widersprechenden hinterfragenden Stimmen? Wie kann es sein, dass gerade ein Volk, welches aus seiner Geschichte das Gegenteil gelernt haben sollte, das Denken und Entscheiden nun wieder so bereitwillig, so willenlos „denen da oben“ überlässt?

Ich finde, das kann überhaupt nicht sein! Also mein Appell: liebes Deutschland, liebes Land der Dichter und DENKER, versuche es doch dieser Tage, nein, am besten, jetzt heute und sofort, statt mit Emotionen wieder mit dem Verstand zu denken. Liebe Mitbürger, bildet Euch (wieder) eine Meinung, am besten jede/r eine eigene!

Und sollte sich nach breiter ergebnisoffener gesellschaftlicher Diskussion (und damit meine ich NICHT diejenige zwischen Herrn Frosten, Frau Kermel und Konsorten) ein Konsens dafür finden, dass die vermutliche Rettung einer unklaren Zahl von Menschenleben in diesem Lande die mehrmonatige Einschränkung unserer grundlegenden Bürgerrechte rechtfertigt (denn diese Zeiträume finden sich in o.a. Quelle – erstaunlicherweise bislang gegenüber der Bevölkerung unkommuniziert!) – dann sei es so! Aber doch bitte bitte nicht ohne Diskussion!

Eine von denen, für die Ihr allabendlich klatscht.

70 Tage Pandemie

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