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Kapitel 13

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Es konnte nicht mehr allzu lange dauern, weniger als eine Woche. Ihre Menstruation ließ nach. Am Morgen waren ihr neben der täglichen Körperpflege die Nägel gefeilt und ihre Haare geschnitten worden. Inzwischen wehrte sie sich nicht mehr dagegen, weil es ohnehin zwecklos war und sie letztlich ihre bisher einzige Chance zur Flucht gekostet hatte. Um es sich leichter zu machen, versuchte sie sich immer wieder einzureden, wie angenehm es doch war, anderen ihre Körperpflege zu überlassen. Leider war das in ihrem konkreten Fall kein Akt des selbstlosen Dienens, das im Ashram sehr groß geschrieben wurde. Wie oft hatten sie sich das anhören müssen: einzig die Hingabe führe zu Gott. Inzwischen hatte sie gelernt, dass sich alles bis zum Perversen verdrehen ließ. Das, was hier mit ihr geschah, diene selbstverständlich nur ihrer Glückseligkeit, und sie »opferten« sich ausschließlich für ihr Seelenheil. Immer wieder ging ihr das durch den Kopf. Jedes Mal fielen ihr dabei neue Beispiele ein, wie Menschen Sachverhalte verdrehten, um über offenkundig Unsinniges Wohlverhalten herbeizuführen. Eine ihrer wenigen Freundinnen hatte eine Schwester, die ihr fast täglich unerlaubt Kleidung aus ihrem Schrank genommen hatte. Auf den irgendwann wütenden Protest hatte die nur entgegnet, sie verstehe das falsch. Das mache sie nur, weil sie sie so sehr bewundere, sie so sehr liebe. Dieser gequirlte Mist war geradezu absurd und einfach nur zum Schreien. Zum Schreien war auch ihre eigene Lage. Insbesondere Menschen, die Macht über andere besaßen, konnten so grausam sein. Macht blieb eben doch der Prüfstein des Menschlichen! Leider gab es nur wenige, die dieser Verantwortung tatsächlich gerecht wurden. Sie nahm einen Schluck Wasser aus dem Schlauch. Noch musste sie sich keine Sorgen machen. Erst wenn sie morgens gebadet und jedes Körperhaar penibel entfernt wurde, begann das immer noch nervenaufreibende Warten.

Das Warten ... Ihre Gedanken flüchteten in die Vergangenheit. Ein blondes Mädchen rannte über eine Wiese. Die Sonne schien, zahlreiche Blumen blühten dort. Der Boden fühlte sich weich unter ihren Füßen an und federte bei jedem Schritt. Auf einer Butterblume sah sie einen blauen Schmetterling, der in die Luft flatterte, weil sie sich so ungestüm genähert hatte. Neugierig folgte sie dem schwebenden Schmetterling bis an das Ende der Wiese, nachdem dieser eine Weile um sie herumgeflogen war. An diesem Ort war sie sehr oft alleine gewesen. Manchmal hatte sie ein paar Blumen gepflückt und mit nach Hause genommen. Aber dieses Mal verlief es anders. Der Schmetterling flog über den Waldweg am Rand der Wiese in den überwiegend undurchdringlichen Wald. Hier und da blinzelten Sonnenstrahlen durch das dichte Blätterdach bis auf den Pfad, dem sie folgte, obwohl ihr verboten war, alleine dort hineinzugehen. Doch der Schmetterling schien immer wieder auf sie zu warten. Sie war so gefesselt von seiner Anmut, dass sie überhaupt nicht merkte, wie weit sie diesem bereits gefolgt war. Unruhig stellte sie fest, dass diese Gedanken nicht mehr zu ihren Kindheitserinnerungen gehörten, konnte sie aber nicht unterbrechen. Plötzlich tauchten Gnome, Hexen und Waldgeister auf, die sie umringten und vom Weg abdrängten, um sie durch den dunklen Wald auf eine Lichtung mit einem teilweise verfallenen Haus zu führen. Nicht einmal in der Vorstellung gelang es ihr, eine starke Heldin zu sein, um sich den Dämonen zu entziehen. Mitleidlos wurde die schiefe Tür quietschend hinter ihr geschlossen. Mit aller Kraft biss sie sich schließlich in den Arm, um ihre Aufmerksamkeit von der bedrohlichen Gedankenkette, die sich in Gang gesetzt hatte, abzulenken. Der Schmerz holte sie in die Realität zurück. Eine Heldin wäre sie manchmal gerne gewesen. Aber dafür war sie insgesamt wohl zu schüchtern, was hier in der Dunkelheit kein Charaktermerkmal war, das große Bedeutung gehabt hätte. Vielleicht wäre sie gar nicht erst hierhergekommen, wenn sie lieber in Diskotheken gegangen wäre und mehr Freunde gehabt hätte?

In einem wütenden Impuls trat sie mit dem nackten Fuß gegen einen der Gitterstäbe ihres Käfigs, der jedoch um keinen Millimeter nachgab. »Nein«, schrie sie aus Leibeskräften, »ich bin nicht schuld daran, hier zu sein. Nein, nein, nein, ich bin auch nicht schuld, dass andere beschlossen haben, mir das anzutun.« Sie begann zu schluchzen, das in einem letzten markerschütternden »Neiiiin« endete. Danach sank sie lethargisch in sich zusammen und begann aus der Leere, die der verzweifelte Wutausbruch hinterlassen hatte, in einen Halbschlaf hinweg zu dämmern.

Der Teufel lauert auch im Paradies

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