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Kapitel 16

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Kai und Ariane hatten zu einem gemeinsamen Abend eingeladen. Nachdem klar geworden war, dass Kai doch nicht an das Kinderherzzentrum in Miami wechseln wollte, sondern für die Absolvierung einer Facharztausbildung in der Kinderklinik in Heidelberg bleiben würde, hatte Ariane sich bei ihrer Vermieterin darum bemüht, die komplette Wohnung der WG sukzessive übernehmen zu können, wenn die anderen Zimmer mit der Zeit frei wurden. Sie hatten ausgesprochenes Glück gehabt, weil Arianes Mitbewohnerinnen mit oder kurz nach Ariane ihr Studium beendet hatten. Zwei waren danach aus Heidelberg weggegangen und eine war zu ihrem Freund gezogen, so dass Ariane und Kai seit zwei Monaten die Wohnung im vierten Stock der Altbauvilla für sich hatten. Während sie das Schlafzimmer einfach in Arianes altem Zimmer gelassen hatten, in das morgens die Sonne hineinschien, hatten sie ihr Wohnzimmer auf die andere Seite der Wohnung in das ehemalige Zimmer von Jutta gelegt, deren Fenster nach Westen gingen. So konnten sie dort nachmittags und abends den Sonnenschein genießen, falls sie denn zu Hause waren und die Sonne überhaupt durch Anwesenheit glänzte. Leider gab es keinen Balkon, aber sie konnten nicht alles haben. Wer fand schon eine bezahlbare Wohnung in der Bergstraße? Es war zwar nicht billig, aber der gute Draht zu der älteren Dame, der sich über die lange Zeit ihres Studiums gefestigt hatte, auch weil Ariane sich ihr gegenüber stets hilfsbereit gezeigt hatte, zahlte sich im wahrsten Sinne des Wortes in barer Münze aus. Eigentlich hatten sie die Freunde bereits viel früher einladen wollen, was zum Bedauern aller immer wieder an Terminschwierigkeiten gescheitert war.

»Schön habt ihr es hier«, stellte Lene beeindruckt fest. »Und ruhig ist es auch. Habt ihr jemanden bestochen?«

»Nein«, lachte Ariane gut gelaunt. »Die ältere Dame, der das ganze Haus gehört, war mir von Anfang an sympathisch, ´ne richtige Omi, wie sie im Bilderbuch steht. Ich verstehe mich sehr gut mit ihr und habe ihr hin und wieder geholfen.« Ariane zuckte abwiegelnd mit den Schultern. »Als ich ihr Kai vorgestellt habe, um sie wegen der Wohnung zu fragen, war ihr das Geld scheinbar nicht so wichtig.«

»Toll«, fand auch Heike, Horsts Frau. »Es lohnt sich halt manchmal doch, nett zu seinen Mitmenschen zu sein.«

Erneut klingelte es an der Tür, vor der Susanne und Heiko erschienen, nachdem es vier Stockwerke auf der alten Holztreppe geknarzt hatte.

»Euer Glück, dass wir noch recht gut zu Fuß sind«, witzelte Arianes schon seit Kindertagen beste Freundin, während sie diese fest an sich drückte, »sonst müsstet ihr ohne unseren Besuch auskommen.«

»Du schaffst das schon«, war Ariane überzeugt, während sie ihrer Freundin ungeniert an den Hintern griff. »Es soll doch alles straff bleiben!«

»Ist noch alles in tadellosem Zustand«, schüttelte Heiko schmunzelnd den Kopf.

»Habe ich auch gerade festgestellt«, zeigte Ariane breit grinsend wie üblich keinerlei Berührungsängste, bevor sie Susannes Freund kräftig an sich zog, der dies mit einem Arm erwiderte, während er kunstvoll verhinderte, dass ihm die mitgebrachte Schüssel nicht von der anderen Hand glitt.

»Hey, Kai«, wandte der sich dem Neumieter zu, nachdem er Ariane das Porzellangefäß zu seiner Erleichterung unversehrt in die Hand gedrückt hatte.

»Selbstgemacht?«, mischte sich Ariane ein. Neugierig hatte sie die Alufolie angehoben. Angesichts des Tiramisus legte sich ein Strahlen auf ihr Gesicht.

»Spezial nach Gans«, lächelte der ehemalige Koch zufrieden, während er die anderen ebenfalls begrüßte.

»Wow, danke. Gut zu wissen, dass ich mir noch etwas Platz lassen muss.« Begeistert brachte sie die Schüssel mit Susanne in die Küche, als es nochmals klingelte. »Macht ihr bitte mal Horst auf«, bat sie niemand im Besonderen, den Türöffner zu betätigen. »Wie kannst du bei den Kochkünsten deines Mannes nur so schlank bleiben, Süße?«

Nachdem sie gemütlich gegessen hatten, saßen sie noch bei den letzten Strahlen der Abendsonne im Wohnzimmer und brachten sich gegenseitig auf den neuesten Stand. Kai kämpfte mit seinem Schichtdienst in der Klinik und besonders mit den Bereitschaftsdiensten, die ihn leider daran hinderten, bei Ariane im Bett zu liegen. Die wiederum fehlte hin und wieder, wenn sie nachts in der Sternwarte auf dem Königsstuhl war. Dennoch war sie froh und überzeugt, die richtige Entscheidung hinsichtlich ihrer Promotion am MPI für Astronomie getroffen zu haben. Nachdem es erste Hinweise auf Gravitationswellen gegeben hatte, war sie den anderen damit durchaus das eine oder andere Mal auf den Wecker gegangen, so spannend die das grundsätzlich auch fanden.

»Ihr Lieben«, unterbrach Ariane das Gespräch mit leuchtenden Augen, »unser Gönner hier neben mir hat uns ein Tiramisu mitgebracht. Wem soll ich einen Teller bringen?«

»Oh nein«, jammerte Heike, »ich fürchte, das kann ich mir heute nicht mehr leisten. Ich bin doch dabei, ein paar Kilos abzunehmen!« Ihr gequälter Gesichtsausdruck sprach Bände.

»Wieso machst du eine Diät?«, wunderte sich Lene. »Das passt doch alles zusammen.«

Horst zuckte mit abwehrender Miene prophylaktisch die Schultern, damit erst gar niemand auf die Idee verfiel, er könnte damit etwas zu tun haben. Er liebte ihre fülligeren Formen, die sich von ihrer auffallend schmalen Taille nach unten wie oben entwickelten. Jedes Mal, wenn sie sich entblätterte, bekam er nach inzwischen acht Jahren immer noch nervöse Finger, auf die sie ihm dabei nur selten klopfte.

»Ach«, haderte seine Frau hingegen, »manchmal sehe ich sowas Schönes zum Anziehen, besonders im Sommer, aber das geht dann bei meiner Figur einfach nicht.«

»Aber du hast doch eine absolut erotische Figur«, schloss sich Susanne Lenes Verwunderung an. »Es soll durchaus Männer geben, für die das ein Traum ist. Hab ich recht, Horst?«

Der tätschelte liebevoll den Oberschenkel seiner Liebsten: »Das möchte ich meinen!«

»Ihr habt leicht reden«, ließ sich die Gelobte nicht so einfach überzeugen und schob Horsts Hand bestimmt zur Seite.

»Pah«, winkte Lene mit säuerlicher Miene ab, »du glaubst nicht, welche beleidigenden Äußerungen man zu hören bekommt, wenn man so eine Gräte ist wie ich.«

Thomas lief rot an. Nicht zu Unrecht, wie Heike fand. Sie hätte ihm an Lenes Stelle sicherlich keine Chance mehr gegeben, egal ob der sich auf außergewöhnliche psychische Umstände berufen hätte. Oder doch? Auch ihr war er immer sympathisch gewesen. Daher wusste sie nicht recht, was sie dazu sagen sollte, so dass es bei einem »Hm« blieb.

»Wenn ich bedenke, in was für einem Fall wir derzeit ermitteln«, hatte sich Thomas Sprengel schnell gefangen, bedacht darauf, von seinem damaligen Fauxpas möglichst schnell abzulenken, »kann eine ausgesprochen schlanke Figur sogar lebensgefährlich sein.«

Lene rollte die Augen. »Das wissen wir noch gar nicht und außerdem haben wir Feierabend, mein Schatz.«

Heiko war aber zu ihrem Leidwesen sofort auf das Thema angesprungen. »Erzähl, wie meinst du das?«

Er berichtete von dem Verdacht, in dem Yoga-Ashram könnten systematisch Frauen missbraucht worden sein.

»Wir haben bisher eine verschwundene oder tote Frau und wohl eine tatsächlich missbrauchte«, fiel Lene ihrem Mann ins Wort. »Allerdings besteht eine auffällige Gemeinsamkeit zwischen den Frauen: beide sind blond mit einer äußerst mädchenhaften Statur. Das kann natürlich Zufall sein – oder eben nicht! So gesehen kann Schlanksein offenbar auch gefährlich sein«, wandte sie sich mit ernstem Gesicht Heike zu.

»Das ist gruselig«, kuschelte sich Heike an Horst. »Das hast du mir noch gar nicht erzählt!«

»Die Idee verfolgen wir erst seit heute Nachmittag, Mäuschen«, rechtfertigte sich ihr Mann, während er sie beschützend in den Arm nahm.

»Das klingt spannend«, wollte Heiko gerne genauer informiert werden. Auch wenn sich Susanne, seitdem sie sich kennengelernt hatten, über ihren Sherlock Holmes in spe lustig machte, musste sie zugeben, dass die Ermittler damals ohne seinen entscheidenden Tipp nicht weitergekommen wären und er auch im letzten Winter die Zeitung an der richtigen Stelle aufgeschlagen hatte.

Thomas war bemüht, sich möglichst kurz zu fassen, um Lene nicht zu überfordern. Nachdem Jo Kühne sie auf die Idee gebracht hatte, Marion Tröger könnte auch gegen ihren Willen aus dem Land oder zumindest an einen anderen Ort geschafft worden sein, hatten sie den Gedanken fortgesponnen und versucht, Cornelia Faber in das Geschehen zu integrieren. Dabei war Lene schließlich die Übereinstimmung der wesentlichen Körpermerkmale der beiden Frauen aufgefallen.

»Und wenn man bedenkt«, dozierte Horst Jung mit spitzbübischem Grinsen, dass ein weiser Kommissar seinem Lehrling mal erklärt hat: ›Das Wahrscheinliche ist immer am wahrscheinlichsten‹, spricht zumindest bisher nichts gegen diese, wenn auch noch nicht sehr fundierte These. Es wäre immerhin ein Ansatz. Leider hat das BKA bisher keine Hinweise auf vermisst gemeldete Frauen oder Menschenhandel im Zusammenhang mit den Erneuerungsleuten.«

Sein Chef zeigte Horst wegen des Zitats einen Vogel, weil das von ihm stammte. Aber er war nicht in der Stimmung, dem jungen Frechdachs etwas an den Kopf zu werfen. Das würde ohnehin nur Heike auf den Plan rufen, die ihren Mann stets gegen jede Unbill verteidigte.

»Und wie kommt die verunglückte Schwester ins Spiel?«, war selbst Kai neugierig geworden, der ansonsten lieber nichts vom Arbeitsalltag der Kriminalkommissare mitbekommen wollte. Die teilweise sehr ergreifenden Krankheitsgeschichten der Kinder in der Klinik reichten ihm vollauf. Mehr Tragisches musste er wahrlich nicht unnötig in seinem Unterbewusstsein abspeichern.

»Die könnte bei ihrer Suche nach Marion Tröger zu viel Aufmerksamkeit verursacht haben«, hatte Thomas noch keine argumentationsfeste Lösung anzubieten.

»Ja, aber habt ihr nicht erzählt«, bohrte Susanne nach, »die wäre im Drogenrausch auf die Autobahn gelaufen? Lässt sich so jemand gezielt dirigieren?«

»Gute Frage«, bestätigte Horst, weil sie bisher noch nicht genügend Zeugen hatten finden können, um den Weg von Sylvia Tröger lückenlos nachverfolgen zu können. »Tatsache ist immerhin, dass dieser Hüsing einen Einfluss auf deren Weg genommen hat. Aber das alleine hätte sicherlich nicht ausgereicht.«

»Vielleicht ist nur etwas schiefgelaufen«, schlug Kai vor.

»Da gibt es doch nur eines«, stellte Ariane nüchtern fest. »Ihr müsst es Sylvia Tröger nachmachen und eine verdeckte Ermittlerin einsetzen!«

»Hmmh«, dachte Thomas kurz darüber nach, »aber wir haben leider keine passende Beamtin dafür.«

»Na, ich habe doch schon früher schauspielerisch wertvoll geholfen«, bot Ariane sich bereitwillig an. »Ich bin blond.«

Kai schaute entsetzt bei dem Gedanken, dass sich Ariane dieser Gefahr aussetzen wollte. »Das kann ich nicht ...«

»Entspann dich«, ließ Susanne ihn nicht einmal ausreden. »Mir schien neben dem Blond der mädchenhafte Körper eine entscheidende Rolle zu spielen«, lächelte sie Ariane mit klimpernden Augenlidern und schiefgelegtem Kopf an.

Der stand vor Verblüffung erst kurz der Mund auf, dann blickte sie an sich hinunter, schaute konsterniert wieder hoch, um lakonisch festzustellen: »Ich wusste schon immer, dass mein Busen viel zu groß ist.«

Alle lachten, wodurch der aufregende Bann des Kriminalfalles schlagartig verflogen war.

»So, jetzt gehe ich endlich das leckere Tiramisu holen«, stand Ariane auf. »Für jeden!«, betonte sie gegenüber Heike. »Ich werde dir aber nur ein kleine Portion geben. Und wenn du morgen das Frühstück ausfallen lässt, sollte es wieder passen.«

Während die anderen belustigt Heikes ergebene Reaktion kommentierten, bemerkte Lene die Erleichterung auf Kais Gesicht, sich keine Sorgen hinsichtlich Arianes Ambitionen als verdeckte Ermittlerin machen zu müssen. Das wäre ohnehin zu gefährlich gewesen, aber vielleicht kam ihr diesbezüglich doch noch eine Idee.

Der Teufel lauert auch im Paradies

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