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Exkurs: Flexibles versus festes Wechselkurssystem
ОглавлениеDer Wechselkurs gibt das Austauschverhältnis zwischen zwei Währungen an. Wie bei Gütern wird der Preis durch Angebot und Nachfrage an bzw. nach dieser Währung bestimmt. Die konkrete Form der Bestimmung des Preises hängt von den von Regierungen und Zentralbanken gewählten Wechselkursregimen ab. Dabei sind insbesondere die beiden Idealformen »flexibles Wechselkurssystem« und »festes Wechselkurssystem« zu unterscheiden.141
In einem System flexibler Wechselkurse bildet sich der Wechselkurs (der Preis einer Währung) tagtäglich am Devisenmarkt im Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage. Der Wechselkurs schwankt frei, ohne dass die Zentralbank versucht, durch Käufe und Verkäufe fremder Währungen den Kurs zu beeinflussen. Erhebliche Kursausschläge sind möglich.
In langfristiger Perspektive sind es vor allem makroökonomische Fundamentalfaktoren, die auf den Wechselkurs einwirken. Hierzu zählen die Differenz der Inflationsrate zweier Länder, ebenso die Zinsdifferenzen und Differenzen in der Wachstumsrate. Unterschiede in der Inflationsrate wirken sich auf die Handelsströme aus. Zinsdifferenzen bewirken Kapitalbewegungen, die ihrerseits die Wechselkurse beeinflussen. Mittel- bis langfristig höheres Wirtschaftswachstum stimuliert die Anlagebereitschaft ausländischer Investoren, weil hierdurch eine Teilhabe am Wirtschaftswachstum ermöglicht wird.142
Eher kurzfristiger Natur sind die anderen Faktoren wie drastische Veränderungen in den Rohstoffpreisen, (politische) Krisenzeiten, die eine Flucht in sichere Währungen auslösen und natürlich immer mehr die Spekulationsgeschäfte.
In einem System fester Wechselkurse wird das Austauschverhältnis von den Zentralbanken bilateral festgelegt. Damit ist ein bestimmter Umtauschkurs zwischen zwei Währungen garantiert. Die Zentralbanken müssen sich daher gleichzeitig dazu verpflichten, den festgelegten Kurs durch Interventionen am Devisenmarkt zu halten.
Die Vorteile flexibler Wechselkurse liegen darin, dass die Zentralbanken nicht zu Interventionen auf den Devisenmärkten gezwungen werden. Sie behalten die geldpolitische Autonomie und die damit verbundene Möglichkeit binnenwirtschaftliche, stabilitätspolitische Ziele zu verfolgen.
Flexible Wechselkurse erleichtern zudem den Ausgleich von Handelsbilanzungleichgewichten zwischen den Ländern. Bei einem Handelsbilanzüberschuss (Exporte > Importe) in einem flexiblen Wechselkurssystem ist auf dem Devisenmarkt das Angebot an ausländischer Währung größer als die Nachfrage (ausländische Importeure bieten die eigene Währung auf dem Devisenmarkt an, um die Währung des Exportlandes zur Bezahlung der Rechnung kaufen zu können. Derselbe Effekt entsteht, wenn die Exporte mit der Währung des Importlandes direkt bezahlt werden). Es kommt zu einer Aufwertung der inländischen Währung, was dazu führt, dass einerseits inländische Waren im Ausland teurer werden und umgekehrt ausländische Waren im Inland billiger. Die Exporte gehen tendenziell zurück und die Importe steigen an. Die konkreten Auswirkungen hängen von der Preiselastizität der Nachfrage nach Import- und Exportgütern ab. Exportmindernd für das Inland wirkt zudem ein möglicher negativer Einfluss der Importrückgänge auf Wachstum und Beschäftigung im Ausland. Der Wechselkurs sorgt somit für einen Ausgleich der Handelsbilanz.143
Die Nachteile flexibler Wechselkurse liegen zum einen in dem hohen Maß an kurzfristigen Schwankungen mit negativem Einfluss auf die Planungssicherheit von international agierenden Unternehmen und Anlegern. Hinzu kommen mögliche langfristige Abweichungen des Wechselkurses, von dem als fundamental erachteten gleichgewichtigen Wechselkurs, mit der Folge ausgeprägter Unter- oder Überbewertungen der Währungen, was wiederum maßgeblich die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft beeinflusst.
Die Vorteile fester Wechselkurse liegen eindeutig in der Einsparung von Transaktionskosten beim Kauf und Verkauf von Devisen und bei Absicherungsgeschäften. Von Bedeutung ist auch die Planungssicherheit für langfristig orientierte Unternehmen und die erhöhte Preistransparenz. In der Summe erwarten die Befürworter dadurch von festen Wechselkursen einen positiven Einfluss auf den Handel und die Investitionsbereitschaft von Unternehmen. Der dadurch angefachte, stärkere grenzüberschreitende Wettbewerb unter den Anbietern führt – so die Argumentation – zu Prozess- und Produktinnovationen, zu Preissenkungen, Wachstum sowie zur Sicherung und Entstehung von Arbeitsplätzen.
Der Nachteile fester Wechselkurse wird im Souveränitätsverlust der nationalen Geldpolitik gesehen und dem damit verbundenen Verlust, auf länderspezifische gesamtwirtschaftliche Schocks mit einer Änderung des Wechselkurses gegenüber anderen Währungen reagieren zu können (eingeschränkte Möglichkeit der Konjunkturpolitik). Außerdem besteht Inflationsgefahr über die Ausweitung der nationalen Geldmenge durch die Interventionspflichten der nationalen Zentralbank zur Aufrechterhaltung der festen Wechselkursparität.144
Feste WechselkurseFlexible Wechselkurse
Abb. 1.17: Pro und Contra fester und flexibler Wechselkurse
Inzwischen gehören zu den Hauptaktivitäten des IWF die
• »Beobachtung der weltwirtschaftlichen und regionalen Entwicklung sowie die Offenlegung von Risiken und Empfehlungen zu deren Begrenzung (multilaterale Surveillance),
• Analyse und Bewertung der Wirtschafts-, Währungs- und Finanzpolitik jeden einzelnen Mitgliedslandes sowie die Beratung mittels wirtschafts- und währungspolitischer Empfehlungen (bilateraler Surveillance),
• Beratung der Mitglieder zu Politikmaßnahmen, die ihnen helfen können, Finanzkrisen vorzubeugen oder diese beizulegen, makroökonomische Stabilität zu erreichen, ihr Wirtschaftswachstum zu beschleunigen und die Armut abzubauen,
• Gewährung vorübergehender Finanzhilfen an Mitgliedsländer, um sie bei der Bewältigung von akuten Zahlungsbilanzproblemen (Devisenknappheit) zu unterstützen, und um den Ländern die Wiedererlangung einer tragfähigen Zahlungsbilanzposition zu ermöglichen, sowie
• Bereitstellung technischer Hilfe und Ausbildung, auf Antrag eines Landes, für den Aufbau von Fachkenntnissen und Institutionen, die das Land für die Verfolgung einer soliden Wirtschaftspolitik benötigt (technische Hilfe und Kapazitätsaufbau).«145
Die Kreditvergabe ist i. d. R. an bestimmte Bedingungen (»Konditionen«) geknüpft. Das kreditnehmende Land verpflichtet sich damit, eine Reihe von Reformen durchzuführen, die bspw. »die Ursache der Zahlungsbilanzschwierigkeiten beseitigen und den Boden für ein wirtschaftliches Wachstum ›von hoher Qualität‹ bereiten.«146 Die »Konditionalität« beinhaltet regelmäßige Prüfungsverfahren der konkreten Anforderungen an wirtschaftspolitische Maßnahmen, die vom IWF – wenn auch in Absprache mit dem betroffenen Land – vorgegeben werden. Mitunter entwickelt er auch komplette Wirtschaftsprogramme. Erwartet wird, dass sich dadurch die Kreditwürdigkeit des Schuldnerlandes verbessert (Katalysatorfunktion des IWF).
Hauptfinanzierungsquelle des IWF sind die Subskriptionszahlungen bzw. Quoteneinzahlungen seiner Mitglieder, deren Höhe u. a. von dem Entwicklungsniveau der Mitgliedstaaten abhängt (konkret vom realen BIP, dem Anteil am Welthandel sowie dem Umfang an Kapitalflüssen und Währungsreserven) und auch die Stimmrechtsverteilung bestimmt. Aktuell (Stand 2021) besitzen die USA wegen ihres Stimmrechtsanteils von mehr als 16 % als einziger Staat eine Sperrminorität.
Die Kritik am IWF richtet sich in erster Linie an die wirtschaftstheoretische Konzeption, die hinter den geforderten wirtschaftspolitischen Einzelmaßnahmen steht. Der sog. Washington Consensus forderte regelmäßig Haushaltsdisziplin, Handelsliberalisierung, Privatisierung, Deregulierung und Steuersenkungen, mithin einen Abbau staatlicher Einflussnahme.
Weitere Kritikpunkte betonen das Fehlen länderspezifischer Lösungen, dass also die Besonderheiten der jeweiligen Staaten bei den Auflagen nicht ausreichend berücksichtigt werden und diese somit auch der Souveränität der einzelnen Staaten entgegenstehen. Zudem wird die mit den IWF-Hilfsprogrammen verbundene Verteilungsungerechtigkeit kritisiert und vor allem auch die Gefahr, dass der IWF mit seiner umfangreichen Kreditvergabe Moral-Hazard-Verhalten fördert.
Der IWF hat darauf wie schon zuvor flexibel reagiert und bspw. seine Haltung gegenüber der Rolle des Staates für Wachstum und Entwicklung sowie seine Konditionalität bei der Schuldenvergabe neu überdacht. Er hat zudem sein Engagement für fragile Staaten ausgebaut und sich neuen Herausforderungen wie der zunehmenden Ungleichheit im Einkommen und Vermögen, der Genderproblematik, der Korruption und dem Klimawandel gestellt.
Um den Herausforderungen des sich verändernden Umfelds gerecht zu werden, in dem der IWF agiert, werden neuerliche Anpassungen in der Stimmenverteilung, eine größere finanzielle Ausstattung sowie eine ausgewogenere Besetzung der Spitzenjobs im Wissenschaftsbereich und der Verwaltung diskutiert. Die wesentlichen Veränderungen im Umfeld betreffen die generelle Abschwächung des Globalisierungsprozesses, die Verschiebungen im ökonomischen und politischen Machtverhältnis insbesondere zwischen den westlichen Industriestaaten und China, den zunehmenden Populismus, der sich u. a. aus der Kritik an technokratisch dominierten Entscheidungsprozessen speist, der zunehmenden Digitalisierung der Weltwirtschaft und Fragilität der Finanzmärkte bedingt durch die steigenden öffentlichen Schulden, die prognostizierte »säkulare Stagnation« aufgrund der globalen Nachfrageschwäche sowie den Klimawandel.147