Читать книгу Ein Spatz auf dem Eis - Hiroki Jäger - Страница 14
10. Kapitel
ОглавлениеAleksei
Der Kerl, der seinen Schwanz an meinem Arsch reibt, ist ein echter Hingucker. Zwar schwinge ich auf der Tanzfläche meine Hüfte, um Serik aufzufallen, aber er straft mich mit Desinteresse. Ich streiche mir das Haar aus dem Gesicht, die Hände werfe ich in die Luft und trotzdem schaut er nicht ein einziges Mal zu mir herüber, egal, wie ich vor ihm herumhampele.
Es klingt bescheuert, aber es törnt mich dennoch an. Es ist ein Katz- und Mausspiel, das ich mit Sicherheit gewinnen werde. Er nimmt doch nicht an, ich würde ihm abkaufen, dass er schwer zu haben ist? Ich kriege ihn. Ich kriege jeden.
Lippen gleiten über meine Schulter, während sich Hände auf meinen Bauch legen. Gekonnt presst der Kerl seinen Schritt gegen meinen Hintern und ich spüre, wie hart er ist. Nicht nur halb, sondern steinhart.
Jordan, oder Joe, hat dunkelbraune Haut und hellblaue Augen, als wäre er der verwunschene Sohn eines Sonnengottes.
»Du bist so schön«, flüstert er mir zu und will mich anscheinend damit willig machen. Wenn nicht mit Worten, dann mit den Shots, die er mir kauft. Dafür zieht er mich zur Bar hinüber. Der Erste ist für die Seele, der Zweite für die Hemmschwelle und der Dritte? Damit erlaubt er sich, mir die Zunge in den Rachen zu rammen.
Ich streichele ihm über den Bauch und lasse mich von ihm verführen. Warum auch nicht? Sex verdrängt die Dunkelheit, die sich in mir wie Nebel ausbreitet. Außerdem ist Jesse nicht da und ich will nicht allein sein. Neuerdings fressen mich die Fragen auch nachts auf, wenn ich genialen Sex hatte. Irgendetwas stimmt nicht mehr mit mir. Irgendwas hat sich verändert und das bereitet mir Bauchschmerzen.
»Aleksei, du kannst die Beine echt hinter den Kopf verbiegen?«, fragt Jordan und quatscht mir noch zwei Kurze auf.
»Finde es heraus.«
Warum bin ich so unendlich müde? Vor mir steht ein echt reizvoller Kerl, aber ich wäre lieber im Bett. Vielleicht habe ich mich überfressen. Die Idee von Sport am Abend macht mich in diesem Fall nicht gerade an.
Mein Blick wandert zu Serik, der den Kopf wegdreht.
Bilde ich mir das ein oder hat der mich angegafft? Kaum zu glauben. Oder doch? Nein, er muss die Umgebung im Auge behalten und dazu gehöre auch ich.
Ich hasse den Gedanken, die leise Stimme, die flüstert: »Er hat kein Interesse an dir.« Was habe ich zu bieten? Guten Sex und weiter? Was sonst? Ich verdränge die unangenehmen Gefühle mit einem Shot und straffe die Schultern. Vielleicht muss Serik auch zu seinem Glück geführt werden.
»Ich muss mal eben zum Securitykerl«, erkläre ich Jordan mit einem niedlichen Augenaufschlag. Wer kann mir schon widerstehen? Seltsamerweise niemand, außer Serik. Was ist nur mit ihm? Ach ja, der hat davon gefaselt, dass ich kein Schamgefühl hätte. Aber das kann ich mir nicht leisten. Ich verkaufe meinen Körper. Die Leute wollen mich auf der Tanzfläche und auf der Bühne sehen. Sie kommen absichtlich her und ich biete ihnen eine aufreizende Show mit knappen Outfits. Sex sells. Das macht es aber auch schwer, zu meinem Traumprinzen zu gelangen.
»Aleksei, bock zu tanzen?«
»Komm, ich lad dich ein, Süßer.«
Die Kerle können ihre Finger nicht von mir lassen, aber ich habe jemand ganz anderen im Auge.
»Sorry, keine Zeit«, sage ich jedem. Trotzdem brennen sich ihre Blicke in meinen Nacken, als ich an ihnen vorbei gehe.
»Er tut mal wieder auf schwer zu haben, dabei darf jeder ran.«
»So eine arrogante Hure.«
»Ich wollte sowieso nicht mit einer lebenden Geschlechtskrankheit tanzen. Abartig.«
Die weiteren Schimpfworte ignoriere ich und setze mein hübsches Lächeln auf.
»Guten Abend, Serik!« Oh, wie er dasteht, wie ein Fels in der Brandung. Was spricht mich an ihm eigentlich nicht an?
Serik mustert mich überaus ausführlich von oben nach unten. Für ihn drehe ich mich sogar einmal, damit er auch bloß nichts übersieht.
Anscheinend gefällt es ihm, denn sein rechter Mundwinkel gleitet nach oben.
»Aleksei.« Nur ein kurzes Nicken, trotzdem prickelt die Anerkennung in meinen Adern. Das ist ein Fortschritt! Letztens hat er mich noch weggeschoben und wütend gestarrt, aber jetzt wirkt er offener.
Wobei … Warum ist er so wortkarg? Ist es Provokation? Nach dem Motto: ›Gib dir mehr Mühe, Schätzchen‹ oder so etwas? Hadert er, mich anzugraben? Aber ich sehe doch das Glühen in seinen Augen und wie starr er den Blick auf mich gerichtet hält. Das kann ich mir unmöglich einbilden. Nur wie kann ich ihn aus der Reserve locken? Soll ich mich etwa nackt vor ihn hinknien? Könnte ich natürlich. Das ist eine Vorstellung, die mir ziemlich gut gefällt.
Ich würde sein Hemd hochziehen und seinen Bauch herunter küssen, bis zum Bund der Hose. Dort würde ich einen Moment verweilen und mich von seinem Geruch bezaubern lassen. Ich mag den Duft von Moschus und um ehrlich zu sein, würde ich gerne erfahren, wie Serik schmeckt. Wenn ich die Zunge über seine Haut gleiten lasse und seine Hose runterziehe, dann …
»Wo ist dein Wachhund?«, fragt er und reißt mich aus meinem Kopfkino raus. Ich blinzele mehrmals und zwinge mich, den Blick von seinem Schritt hochzureißen. Verdammt, hat er mitbekommen, wie offensichtlich ich geschmachtet habe? Wenn ja, spielt Serik es cool. Er drückt sich den Knopf tiefer ins Ohr und schaut sich im Club um. Es nervt, dass er so tut, als wären die Gäste spannender als ich.
Und wen meint er überhaupt mit Wachhund? Es gibt nur einen Mann, der öfters bei mir ist.
»Jesse? Der hat etwas anderes vor.«
»Oh? Ein heimlicher Geliebter neben dir?« Wie verhöhnend er das sagt, passt mir ganz und gar nicht. Mir schießt die Hitze in die Wangen, während ich mich an einem unverfänglichen Lächeln übe.
Noch so ein Spruch und ich ramme ihm die Faust ins Gesicht. Mich sollte das nicht so wütend machen, aber irgendwie bin ich es dennoch.
Was sieht Serik in mir? Bin ich ein Spielzeug für ihn? Will er mich nur ärgern?
Wenn ich ihn betrachte und ihn so nah vor mir stehen habe, schaltet mein Kopf aus. Der Hebel für rationales Denken kippt um und ich lasse mich von dem leisen Gedanken zu ihm schieben, der von ihm festgehalten werden will.
Es ist ungewohnt, dass ich so verbissen bin, jemanden von mir zu überzeugen. Allerdings ist Serik der Erste, der mich nicht ansieht, als wäre ich ein Silvesterknaller. Die meisten genießen mich einen Moment und dann lande ich im Müll. Aber Serik ist ein ernster Mensch. Ich mag sein Lächeln. Er zeigt es so selten und nur, wenn er es auch ehrlich meint. Außerdem hat er letztens seinen Teamkollegen vorm Inhaber gedeckt, als dieser zu spät zur Arbeit kam. Das war echt toll. Zuerst dachte ich, Serik würde ausrasten oder den Typen feuern, aber er hat ihn zur Seite genommen und ruhig mit ihm gesprochen. Serik ist so anders, als all die Männer, die ich bisher kennengelernt habe.
Beobachte ich ihn deswegen andauernd?
Bevor Serik hier angefangen hat, habe ich die Teammeetings gehasst. Es geht nur darum, Herrn Meyer auf dem neusten Stand zu halten, ihm von Konflikten zu erzählen und davon, ob die Themen-Partys gut ankommen. Es ist öde. Aber nun gehe ich sogar freiwillig früher hin, um einen guten Sitzplatz zu ergattern.
Ich setze mich für gewöhnlich gegenüber von Serik an den Tisch, was er mit einem Seufzen quittiert. Selten erwische ich den Stuhl direkt neben ihm, weil da immer einer seiner Jungs sitzt. Also schmachte ich von weitem.
Ab und an, wenn Serik vor Ladenöffnung jeden Raum abläuft, wackele ich ihm hinterher. Meistens erzähle ich dabei irgendeinen Blödsinn, den ich vorher im TV aufgeschnappt habe. Ich nerve ihn bestimmt. Er hat nicht einmal Interesse an den knappen Outfits, die ich ihm vor einem Auftritt präsentiere. Warum tue ich das? Warum kämpfe ich derart um seine Aufmerksamkeit?
Letztens habe ich sogar schon Elgin ausgequetscht. Der muskulöse Securitykerl ist aber überaus sparsam in seinen Aussagen. »Der mag Sport und dicke Titten. Wie jeder unserer Männer. Beiß dir nicht die Zähne an ihm aus, Tanzmaus.« Hoffentlich war das gelogen. Elgin könnte ein Hete sein, aber Serik? Auf keinen Fall. Der hatte doch auch ein Date mit einem Kerl im Sushi-Restaurant!
Die Musik im Club ändert sich und ein Popsong wird gespielt. Das ist eine gute Gelegenheit, um noch einen Schritt näher an Serik heranzutreten.
Ich lecke mir über die Lippen und er starrt mir in die Augen. Ich räkele mich vor ihm und er zuckt nicht einmal mit der Wimper.
Ich wünschte, ich könnte ihm zeigen, was ich fühle, wenn er mich so betrachtet.
Mein Herz hüpft euphorisch und seine Augen werden abwechselnd grün und blau beleuchtet.
»Und was machst du hier so allein?« Meine Finger gleiten über seinen Gürtel, ehe ich verspielt an der Schnalle ziehe. »Du trägst immer nur schwarz. Ist das vorgegeben?«
»Ich mag es schlicht.«
»Ach ja,« raune ich ihm provokant ins Ohr. »Im Bett auch. Langweiliger Blümchensex, ohne Höhepunkt.«
Serik springt darauf an. Grob packt er mich an den Schultern und schiebt mich von sich weg. »Lenk mich nicht ab und geh auf deine Bühne.«
Habe ich da einen wunden Punkt getroffen? Natürlich. Sonst würde er nicht so reagieren.
»Es gibt gewisse Gerüchte.« Was erzähle ich denn da? Ich habe keine Ahnung, was in seinem Privatleben vor sich geht. Gehässig kichernd lege ich eine Hand an die Taille. Mit der anderen wedele ich in der Luft herum. »Dies und das eben.«
»Na dann.« Seine Halsschlagader pulsiert, während er die Zähne aufeinanderbeißt.
Volltreffer. So benimmt sich niemand, der nichts zu verheimlichen hat.
»Beweis mir das Gegenteil«, flüstere ich und trete noch näher an ihn heran. Meine Hüfte lehne ich an seine.
Ah, er ist nicht hart? Schade, ich dachte, unser kleines Wortgefecht hätte uns beiden eingeheizt. Mein Blut sammelt sich jedenfalls in meiner Körpermitte.
Serik riecht unsagbar gut. Es sind herber Moschus und Lavendel, was mich direkt wehmütig macht. Es ist ein Duft, der mich an meine Kindheit erinnert. Damals, als alles noch gut war. Wir hatten immer Lavendelseife im Bad stehen und somit hat die ganze Wohnung danach gerochen. Meine Mutter hat sogar kleine Duftsäckchen gefüllt und sie an mein Bett gehangen, damit ich besser schlafen kann. Das war einer der letzten Momente, in denen ich glücklich war.
Schwer schluckend gehe ich einen Schritt zurück. Das sind Gefühle, die ich nicht haben will. Ich habe mein Leben auch so auf die Reihe bekommen, ohne Liebe, ohne Kompromisse.
»Ich habe dir bereits erklärt, dass ich kein Interesse an dir habe.«
Ich weiß. Aber kann ich nicht die große Ausnahme sein?
»Vielleicht kann ich deine Meinung ändern?«, sage ich und ignoriere den Arm, der mich auf Abstand halten will. »Eine Nacht mit dir reicht mir schon.« Das würde er mit Sicherheit niemals vergessen. Außerdem möchte ich ungern allein sein. Die Nächte werden immer kälter. Will er mich nicht wärmen?
Im Takt der Musik lasse ich meine Hüfte kreisen, was ihm zu gefallen scheint. Immerhin schaut er nun weniger durch die Gegend, sondern betrachtet mich.
Das Haar streiche ich mir zu einem Zopf zusammen, der sich direkt wieder löst. Viele Kerle mögen langes Haar nicht, aber ich finde es irgendwie verrucht und sexy, besonders, wenn man tanzt und es einem verschwitzt im Gesicht klebt.
»Bezirz die Gäste. An mir verschwendest du deine Zeit.«
»Das glaube ich nicht.«
Das ist nicht sein Ernst. Ich beiße mir auf die Unterlippe, um nicht zu grinsen. Mein Herz passt sich dem Rhythmus der Musik an und ich schmecke schon den honigsüßen Triumph auf meiner Zunge. In jedem Winkel spüre ich den Beat und bewege meine Hüfte nur für Serik.
Die Lichter erfassen uns nie, sie streifen uns nur. Wir sind Nachtgestalten, verschwunden in den Schatten, in denen wir tun und lassen können, was auch immer wir wollen. Obwohl es mir wirklich schwerfällt, meine Hände bei mir zu behalten. Ich will ihm zwischen die Beine greifen und ertasten, was er mit sich herumträgt. Er will es doch genau so wie ich.
Tief atme ich seinen Duft ein und schließe die Augen. Der süße Schmerz der Sehnsucht befällt mein Herz. Ich wehre mich nicht. Lavendel und Moschus. Wie herrlich.
Mein Herz schlägt heftig und mein ganzer Körper pulsiert. Ich werfe den umherstehenden Menschen einen Blick zu. Auch sie beobachten uns und ich genieße es. Der Neid, die Begierde und die Missgunst. Es haben schon viele versucht, bei Serik oder mir zu landen, allerdings haben wir gerade nur uns im Visier.
»Jungs? Könnt ihr verstärkt aufpassen? Ich muss hier etwas klären.«
Es ist das erste Mal, dass Serik mich ansieht, als wäre er ein Raubtier, das mich verschlingen will. Seine Krallen spüre ich im Hintern, ebenso wie die Gier, mich komplett an sich zu reißen.
»Es gibt keinen Ärger im Liebesparadies. Danke, Elgin«, sagt er mit kühler Stimme, was mir überaus gut gefällt.
Wem will er etwas vorspielen? Er ist scharf auf mich und ich will von ihm durchgenommen werden. Vielleicht bei ihm oder bei mir. Ist es nicht egal wo?
Meine Lippen formen das Lied lüstern mit, das durch den Club hallt. Während Serik meinen Mund betrachtet, reibe ich meinen Schritt an seinem und verringere die Distanz zwischen uns nur noch mehr.
Ich glaube, er hat einen ziemlich großen Schwanz. In der Hose formt er sich ab, aber ich fühle ihn nur. Nachschauen kann ich gerade nicht, denn Serik hat mich in seinen Augen gefangen genommen. Ich kann mich jetzt nicht abwenden. Wenn ich nachgebe, verliere ich ihn wahrscheinlich.
Mir läuft ein heißer Schauer durch den Körper, gefolgt von einem kalten, als Serik mich am Nacken packt und neben sich gegen die Wand rammt.
Meine Hüfte drücke ich an seine, damit wir bloß nicht den Körperkontakt lösen.
»Du bist so armselig«, stößt er aus, als würde er sich gleich auf mich werfen und das bisschen verschwitzte Haut zwischen Jeans und Top küssen. Seine Blicke brennen auf meinem Bauch, ebenso wie auf meinem Schritt.
»Du willst mich.«
Verächtlich verzieht er das Gesicht und lässt von mir ab. »Ich muss meinen Job machen, lenk mich nicht ab.«
»Aber der Club beobachtet uns. Ich bin Entertainer und du hilfst mir dabei, den Gästen einzuheizen.« Lächelnd strecke ich die Arme zur Seite und räkele mich an der Wand für ihn. Es ist selten, dass ich mir derart viel Mühe geben muss, um jemanden aufzureißen. Hoffentlich ist es der Sex wert.
»Oder …« Ich ziehe die Augenbrauen hoch und halte mir die Hand vor den Mund. »Ist deine Gurke doch eher ein Gewürzgürkchen?«
»Wie bitte?«
»Du hast mich schon verstanden.« Ich kichere gespielt und drehe mich um ihn herum. Meinen Hintern lasse ich vor seinem Schritt kreisen, nur um mich wegzudrehen, als er mich packen will.
Er ist so gierig, sieht er das selbst nicht ein? Ich muss nur meine Finger ausstrecken und er gehört mir. Möglicherweise ist es leichter als angenommen.
An der Bar steht Joe oder Jordan oder wie auch immer. Er beobachtet mich auffällig. Wahrscheinlich kann ich ihn mir zum Trost nehmen, wenn es mit Serik ein Reinfall wird.
Ich bin nicht deine große Liebe, ich bin dein heißer One-Night-Stand. Mehr verlange ich nicht.
Die Scheinwerfer liebkosen mich, während ich mich zur Fleischbeschauung hergebe.
Alle Anwesenden betteln mich doch an, dass ich sie ranlasse. Es ist nicht nur hier so. Seitdem ich die Ausbildung geschmissen habe, gibt es nur noch lüsterne Blicke und etwas, das ich tun muss, um mir ein wenig der Einsamkeit zu nehmen. Langsam frisst sie mich auf.
Egal, ob Mann oder Frau. Es ist mir schnuppe. Solange sie ihren Zweck erfüllen.
Die Schmerzen ziehen sich durch meinen Hinterkopf, als ich mit der Wand zusammenpralle. Hat der mich ernsthaft dagegen geschubst? Spinnt der?
Lippen pressen sich auf meine und es ist Serik, der mich an der Hüfte an sich heran reißt. Stoppeln kratzen an meiner Oberlippe, während seine Zunge forsch in meinen Mund eindringen will. Serik ist wie eine ungezügelte Bestie.
Ich kann ihn kaum schmecken, kaum wahrnehmen, wie überwältigend es sich anfühlt, da wird er zur Seite gestoßen.
»Bist du in Ordnung?« Schnaufend steht Jesse vor mir und wird im gleichen Moment von Serik zu Boden gerissen. Dieser fixiert ihn unter sich und hält ihm die Hände auf dem Rücken fest, während er etwas in sein Headset spricht. Alles geschieht so wahnsinnig schnell. Ich bin wie gelähmt und starre, genauso wie die Leute, die um uns herumstehen. Jesses Brustkorb hebt und senkt sich so schnell, als wäre er einen Marathon gerannt. Hat er Serik gerade wirklich von mir weggerissen? Das war ja wie in einem Film!
»Jesse?«, keuche ich. Wo kommt er überhaupt her? Wollte er heute nicht wegbleiben?
»Denken Sie nicht, dass Sie Ihre Grenzen überschreiten?«, fragt er Serik mit einem bedrohlichen Unterton, während ihn dieser auf die Beine zieht, den Griff jedoch nicht lockert. Die beiden starren sich an, als würden sie sich gleich an die Gurgel springen. Was ist jetzt los? Die Luft sprüht Funken und wenn wir nicht aufpassen, steht der Club in Flammen!
»Was machst du denn hier, Jesse?« Meine Stimme ist nur ein heiseres Fiepsen. Die Musik dröhnt und ich atme angestrengt ein. »Du bist …«
»Ich muss Sie bitten, den Club zu verlassen!«, erklärt Serik und strafft die Schultern. Sein Blick gleitet über die umherstehenden Gäste, bevor er mich mustert. »Kommst du zurecht?« Zögerlich nicke ich ihm zu, da schiebt er Jesse schon von mir weg.
***
Vor dem Eingang überkreuzt Serik die Hände vor dem Brustkorb. Seine Augen wirken so wütend, dabei haben wir doch gar nichts Böses getan. Erst hier lässt er von Jesse ab, der ihm schwungvoll den Mittelfinger hinhält.
»Was …«
»Komm, Alek. Wir verlassen diesen Drecksladen.« Jesses Hand ist schwitzig, als er meine nimmt und mich hinter sich herzerrt. Welche Laus ist dem denn über die Leber gelaufen? Es ist schließlich nicht das erste Mal, dass wir herumspielen. Weder er noch ich.
Jesse zieht mich an den Rauchern vorbei, in die Seitengasse und seufzt gedehnt.
»Eigentlich wollte ich dich überraschen, aber …« Jesse hält sich die Stirn und schüttelt den Kopf.
Seine Schultern zittern angespannt, sein Atem wirkt hektisch. Was ist denn mit ihm? Es ist nicht lange her, da haben wir zusammen einen Dreier gehabt. Warum ist er jetzt derart entsetzt, dass ich mit Serik knutsche? Fuck, ich war vor allem so kurz davor, den heißen Securitykerl zu knacken. Es hätte nicht einmal viel gefehlt. Verdammt.
»Hast du dir mal überlegt, wie dein Auftreten bei anderen ankommt?«, fragt Jesse ungewohnt kühl. »Scheiße, manchmal … Manchmal, da …«
Es ist, als hätte ich einen gewaltigen Felsen auf dem Brustkorb liegen, der mich nicht atmen lässt.
»Jesse? Was ist denn?« Die Hand, die ich nach ihm ausstrecke, nimmt er nicht. Ist er sauer auf mich? Warum? Habe ich mich falsch verhalten? Das macht keinen Sinn. Es ist normal, dass ich mir jemanden für die Nacht aufreiße. Ist er angepisst, weil ich ausgerechnet Serik angegraben habe? Aber was ist daran schlimm? Ich verstehe es nicht.
Der Wind ist in der Seitengasse unangenehm kühl. Auf den Straßen schimmern die Spiegelungen der Laternen, als hätte es geregnet, während ich drinnen getanzt habe. Ich reibe mir über die Arme, vertreibe die Gänsehaut für einen Moment und trete näher an Jesse heran.
»Was ist denn los?«, frage ich.
»Ich hatte eine Überraschung für dich, nur …« Die Worte würgt er heraus, als würde er sie gar nicht sagen wollen. »Ich brauche etwas Zeit für mich.«
»Wozu?« Mir kommt die Galle hoch. »Ist es wegen Serik? Er bedeutet mir nichts.« Ich kenne ihn ja nicht einmal. Es war nur eventueller Sex und er ist halt mein Typ. Aber er ist mir doch nicht wichtiger als Jesse.
»Nein. Es ist … Generell …« Er schüttelt den Kopf und dreht sich von mir weg. Warum ist er so durcheinander?
»Was ist denn passiert?« Ich kralle mich an seinem Hemd fest, als würde es ihn davon abhalten, sich abzuwenden. »Jesse. Rede doch mit mir.«
Aber er schweigt. Seufzend tätschelt er meine Hände und gibt sie mir zurück.
»Ich brauche Zeit.«
Wofür? Was macht das für einen Sinn? Er ist gerade erst gekommen, warum will er dann gehen? Mir wird von jetzt auf gleich so schlecht, dass ich mich kaum auf den Beinen halten kann. Emotionslos geht Jesse an mir vorbei und lässt mich stehen. Ich bin wie gelähmt.
Am anderen Ende der Straße höre ich eine Gruppe grölen. Es sind Frauen und Männer, die auf uns zukommen. Die Bierflaschen halten sie hoch und stimmen ein Lied an. Wollte Jesse deswegen das Gespräch beenden?
»Jesse!« Ich gehe ihm hinterher, aber es ist zu spät. Vor dem Club sehe ich nur ein paar Kerle, die an ihren Zigaretten ziehen und sich unterhalten. Ein Pärchen knutscht direkt neben dem Tor, das zum Außenbereich führt. Es scheint, als hätte der Club ihn verschlungen.
»Habt ihr einen Kerl gesehen? Ungefähr so groß? Rote Haare?«, frage ich sie, aber sie zucken nur mit den Schultern.
»Ist der nicht reingegangen?« Ein Mann betrachtet mich ausführlich und hält mir eine weiße Packung hin. »Willst du eine Kippe?«
»Nein. Aber danke für deine Hilfe!« Also renne ich wieder in den Club und quetsche mich an der neuen Security vorbei, die mich tatsächlich schief anglotzt. Ja, ich bin Angestellter! Ja, ich tanze hier verdammt noch mal!
»Jesse!«, rufe ich gegen die laute Musik an. Ich kann ihn nirgends sehen.
Hastig zerre ich das Handy aus der Hose, doch es flutscht mir aus der Hand. Bevor jemand drauftritt, schnappe ich es zwischen den tanzenden Füßen weg und wähle seine Nummer.
Mein Herz pocht immer schneller, je länger er nicht drangeht. Er ist also sauer auf mich? Warum?