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11. Kapitel

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Aleksei

»Der gewünschte Teilnehmer ist zurzeit nicht erreichbar. Bitte hinterlassen sie nach dem Signalton eine Nachricht.«

Es ist der fünfte Tag, an dem ich nichts von Jesse höre. Als würde er mich hassen, ist er wie vom Erdboden verschwunden. Vielleicht ist er mich leid geworden. Wer weiß das schon.

Meine Motivation ist nicht vorhanden und mein gestriges Tanzen war grottig. Ich fühle mich so klein und unwichtig. Wenn ich so im Bett liege und durch das Fenster starre, bin ich wie eine Hülle. Mein Herz hält meinen Körper am Leben, obwohl ich nichts mehr habe, wofür es sich durchzuhalten lohnt. Jesse ist doch meine Familie. Außer ihm habe ich niemanden.

Die Bettdecke ziehe ich mir über den Kopf, damit die Sonne mich nicht weiter blendet. Ich will nicht aufstehen. Wozu sollte ich? Meine gesamte Energie ist weg und ich habe nicht einmal die Kraft, mich zu einem Lächeln zu zwingen. Ich verstehe es nicht. Es war, als wäre er eifersüchtig, weil Serik mich geküsst hat. Warum sonst würde er ihn derart grob von mir wegschlagen? Allerdings hat Jesse mich öfter mit einem Mann gesehen. Auch in obszöneren Lagen als nur knutschend. Warum ist er jetzt so?

Außerdem hat er ebenfalls Liebhaber wie Smoochie Poo, Cupcake und wie sie nicht alle heißen. Er wäre also der Letzte, der mir eine Szene machen dürfte!

Genervt trete ich die Decke weg und schlüpfe in meine Klamotten. Es ist kaum zu glauben. Warum verhält er sich wie ein beleidigtes Kleinkind, dem das Spielzeug geklaut wurde? Bisher war auch noch kein Streit so schlimm, dass wir uns nicht mehr beim anderen gemeldet haben. Wir konnten es jedes Mal klären und danach waren wir fester zusammengeschweißt, als vorher. Weshalb hält er es diesmal für besser, es totzuschweigen?

Sogar nach seinem Abschlussball haben wir uns vertragen. Da hat mich ein Kerl angegraben und ich fand ihn ganz süß. Ich konnte ja nicht ahnen, dass Jesse ihn hasst und die beiden immer im Konkurrenzkampf miteinander standen. Ben kannte ich zwar von Erzählungen her, aber vom Aussehen nicht. Außerdem hätte ich mich ja nicht auf das Flirten eingelassen, wenn ich es gewusst hätte!

Allerdings ist es nun ganz anders. Serik hat doch nichts mit Jesse zu tun. Ja, ich finde den Securitymann heiß und wir haben geknutscht, aber kann Jesse mir das nicht verzeihen? Verdammt, wenn ich geahnt hätte, was das für Konsequenzen mit sich zieht, hätte ich es niemals gemacht.

Jesse sollte mir die Chance geben, mich zu erklären. Warum kann ich ihn nicht erreichen? Hat der Mistkerl mich geblockt? Will er nie wieder von mir hören?

Meine Nase kribbelt, als mir die Tränen in die Augen steigen. Ich will mir kein Leben vorstellen, in dem er nicht an meiner Seite ist.

Ich verstehe das alles nicht. Wenn er ein Problem hat, dann kann er es mir doch sagen. Denkt er, ich wäre zu blöd, um seine Sichtweise nachzuvollziehen?

Die Wäscheberge schiebe ich beim Gehen aus dem Weg. Vor meiner Tür liegt ein kleiner Haufen Post. Es ist hauptsächlich Werbung.

Mit offenem Mund starre ich einen Brief an. Das Papier ist dicker und die silberne Schrift und das Wappen der Akademie lassen meine Hände zittern. Hastig reiße ich den Umschlag auf und überfliege die Zeilen. Ich kann es kaum lesen, so verschwimmen die Buchstaben ineinander. Ich sehe nur ein dick gedrucktes Datum und eine Uhrzeit.

Es ist ein Vorsingen. Verdammt noch mal, die wollen mich dieses Jahr noch in den Unterricht quetschen? Wie ist das möglich? Das ist der Wahnsinn!

»O Gott!«, schreie ich und hüpfe in die Luft. Endlich habe ich die Chance, es allen zu zeigen! Juhu! Darauf habe ich schon immer gewartet! Wenn Jesse das hört, wird er bestimmt ausflippen!

Ich werfe mich auf das Bett und schnappe mir im Herumkullern das Handy. Ich muss Jesse anrufen. Also drücke ich auf dem Display herum und halte es mir an das Ohr.

»Der gewünschte Teilnehmer ist zurzeit nicht erreichbar. Bitte hinterlassen sie nach dem Signalton eine Nachricht.«

Mir schießen die Tränen in die Augen. Wie konnte ich denn vergessen, dass ich für ihn gestorben bin? Da passiert so etwas Bombastisches und ich will meine Freude mit ihm teilen und er? Bin ich ihm wirklich egal?

Das Schreiben zerknülle ich und werfe es gegen den Mülleimer, den ich leeren sollte, ehe der Berg herunter rieselt wie eine Lawine.

Was für eine Scheiße.

Wackelig setze ich mich auf das Bett und wische mir über die Wangen. Ich weiß nicht einmal sicher, was ich getan habe. Warum verhält er sich wie ein gottverdammtes Arschloch?

Grummelnd packe ich mir das Schreiben vom Boden und stopfe es in meine Jeanstasche. Wenn er mich abwimmeln will, dann soll er das mal persönlich machen. So ein blöder Mistkerl. Was denkt er sich eigentlich? Ich bin nicht irgendeines seiner Liebchen, die er ignorieren kann.

Stampfend stürme ich durch den Club und renne gegen Serik. Dieser hebt die Hand zum Gruß und ringt um Worte, aber ich habe keine Zeit. Mir ist unser Rumknutschen und das bisschen Gefummel unangenehm. Vor allem, wenn das der Grund sein sollte, weswegen Jesse sauer ist.

Und Serik? Der denkt jetzt anscheinend, er wäre meine große Liebe. Der eiert andauernd um mich herum, als würde er fragen wollen, ob ich in ihn verknallt bin. Nein, bin ich nicht. Ich wollte nur Sex. Aber das Thema ist durch.

»Aleksei?«, bringt er schließlich hervor und zieht sich seine Weste zurecht. »Ich weiß, wir hatten so unsere Probleme. Wir arbeiten jedoch miteinander, demzufolge …«

»Was willst du?«

»Darf ich dich zum Essen ausführen?«

Ist der übergeschnappt? Ich verziehe das Gesicht und lasse ihn dumm stehen.

Es wäre besser, wenn ich direkt die Finger von ihm gelassen hätte. Er ist schuld an all dem und jetzt muss ich seine Visage jeden Tag ertragen, weil wir im selben Club arbeiten. Wie konnte ich nur so einen Fehler begehen? Und warum sieht Serik auch so verdammt gut aus? Das ist doch unfair. Niemand hätte bei ihm widerstanden, wenn er einem so erregende Blicke zuwirft.

Aber was macht der überhaupt so früh hier? Ist es ein Meeting mit dem Inhaber?

Mir wäre es lieb, wenn die Security wieder ausgewechselt wird. Egal, ob sie ihren Job gut machen oder nicht.

Im letzten Moment erwische ich den Bus auf der anderen Straßenseite und zwänge mich zwischen die ganzen kleinen Schulkinder, die gerade Schluss haben. So ein Mist. Die Lautstärke zerfetzt mir fast das Trommelfell und ich habe meine Kopfhörer vergessen. Das ist die größte Strafe. Es ist nicht nur arschkalt, sondern auch ungemütlich, eingequetscht zu stehen.

Drei Jungs versuchen, an den Griffen zu turnen, die dafür gedacht sind, dass man sich an ihnen festhält. Was ist nur mit denen los? Das kann saugefährlich sein.

Genervt verdrehe ich die Augen und starre auf mein Handy. Irgendwie muss ich die zwanzig Minuten rumkriegen, bis ich bei Jesses Wohnung bin. Vielleicht ist er noch nicht zu Hause, aber er sollte bald Feierabend haben.

Mit dem Bus ist es ätzend zu ihm zu fahren. Ich muss umsteigen und rennen, damit ich den nächsten überhaupt kriege, denn der fährt nur alle Viertelstunde.

***

Vor Jesses Haus hibbele ich hin und her. In der zweiten Etage brennt Licht. Also ist er schon da?

Ich war so lange nicht mehr hier. Das macht mich auch zu einem miesen Freund. Braucht es also einen Streit, damit ich den Arsch bewege?

Den Schal ziehe ich höher, dass mein Gesicht nicht einfriert. Es ist kaum fünf Uhr, aber so dunkel, als wäre gleich Mitternacht.

Mehrmals klingele ich, bis die Tür summt und ich sie aufdrücken kann. Das Treppenhaus ist bitterkalt, wie eine Tiefkühltruhe. Die Wände sind beschmiert mit Graffiti und in der Ecke sind drei Fahrräder angekettet.

Mein Herz hüpft immer schneller, während ich direkt zwei Stufen auf einmal nehme.

Jesse steht vor der geöffneten Wohnungstür und starrt mich mit gerunzelter Stirn an. Na also! Jesse ist da! Wie kann er sich dennoch zu fein sein, um an sein Telefon zu gehen? Mistkerl!

In seiner grauen Jogginghose sieht er aus, als hätte er gerade auf dem Sofa herumgelümmelt. Dazu ist er oberkörperfrei, sodass ich seine trainierte Brust sehen kann.

»Aleksei?«, fragt er, als hätte er mit jedem gerechnet, außer mit mir. Wäre ihm ein Postbote etwa lieber gewesen? Meine Augenbraue zuckt.

»Schönen guten Abend«, sage ich und streiche mir den Schnee von den Schultern und der Mütze. »Hast du mich schon vermisst?«

»Was machst du hier?«

Wow, warum sagt er das so?

»Ich komme dich besuchen?« Wozu sollte ich sonst hier sein? Lächelnd wickele ich mir den Schal herunter, aber Jesse weicht nicht zur Seite, als ich in seine Wohnung will. Hinter ihm ist der Flur in einem warmen Gelb beleuchtet. Auf der Kommode stehen Kerzen und da ist doch auch Weihnachtsdeko und ein Teller voller Kekse. Der Wahnsinn!

Es sieht unglaublich einladend und gemütlich aus, warum war ich so lange nicht mehr hier? Ach ja, der Rückweg zur Bar dauert ewig. Mit meinem Bus verpasse ich knapp den nächsten, sodass ich rumstehe, bis ich bis zur Nasenspitze eingeschneit bin.

»Jesse? Wo bleibst du? Das Essen ist …«

Irritiert ziehe ich mir die Mütze hoch, um zu sehen, wer der Kerl ist, der da mit einem Auflauf im Raum steht. Mit genau so großen Augen glotzt er mich an.

Wer zum Teufel ist der Pimpf? Keine Ahnung, ob das ein Freund ist, aber gleich auf den ersten Blick hasse ich sein bildschönes Gesicht und die hellbraunen, welligen Haare. Was sind das für hohe Wangenknochen und warum sieht seine Haut aus, als wäre ein Weichzeichner drübergelegt worden? Ist der Typ real? Unmöglich!

»Ich habe jetzt keine Zeit, Alek«, flüstert Jesse und kratzt sich über den Nacken.

»Wer ist das?« Eigentlich habe ich angenommen, dass meine Stimme schrillt, doch sie ist seltsam ruhig. Mein Herz setzt ein paar Schläge aus, als ich merke, was für eine Art von Blicken sie sich zuwerfen.

Der Kleine trägt eine verwaschene Jeans und einen bordeauxroten, viel zu kurzen Pulli, dessen Hoodiebänder über seinem bebenden Brustkorb baumeln.

»Es ist nicht das, wonach es aussieht«, erklärt Jesse. Sein Süßer stellt den Auflauf auf der Kommode ab und kuschelt sich an meinen besten Freund. Die braunen Augen betrachten mich, ehe er verkniffen lächelt.

»Dich kenne ich gar nicht. Bist du ein Bekannter von Jesse?« Als wäre ich ein Verkäufer, den man abwimmeln will, ändert sich sein Tonfall. Er starrt mich an, wie einen Endboss im Videospiel.

Ich hasse seine Sommersprossen. Am liebsten würde ich sie ihm herunterkratzen und meine Faust auf seinen vollen Lippen platzieren.

»Ich bin Shishko.«

Smoochie Poo? Ist er das? Von der Statur und dem Leberfleck am Bauchnabel könnte es hinhauen. Es sind diese schmalen Schultern und der zierliche Körperbau, die Jesses Standard-Beuteschema sind. Dazu noch die fluffigen Haare und es ist perfekt.

Den Brief in meiner Hosentasche zerknittere ich. Es ist, als stünde ich in Flammen. Meine Wangen glühen und meine Augen sind unangenehm trocken. Ich knirsche mit den Zähnen, da sagt Smoochie Poo: »Willst du reinkommen? Wir wollten gerade zu Abend essen.«

»Shishko, wir sollten nicht …«

»Ist in Ordnung«, würge ich hervor und wickele mich in meinen nassen Schal ein.

Hauptsache Jesse rastet aus, weil ich mit jemandem knutsche, aber er spielt hier auf Familienleben mit einem Liebhaber? Will der mich komplett verarschen?

»Wir sind nicht zusammen«, erklärt Jesse, was seinen Typen blöd glotzen lässt.

Ich weiß nicht, wie ich schaue. Vielleicht bin ich gerade die Kuh im Scheinwerferlicht.

O Gott, ich habe es die ganze Zeit geahnt.

»Ich wollte es dir erklären, Alek«, flüstert Jesse und kratzt sich über die Kehle. »Es war nur nie der richtige Zeitpunkt und es ist so viel passiert. Du warst beschäftigt und ich irgendwie auch und dann kam eins zum anderen und … Ich wollte es dir ja sagen. Ehrlich.«

»Wann? Vor oder nachdem du mich gefickt hast?«, platzt es aus mir heraus. In mir brodelt die Wut. Mein Herz krempelt die Ärmel hoch und will Jesse eins auf die Nase schlagen.

Wie kann er mir so etwas antun? Warum er? Im Endeffekt sind alle Menschen gleich. Es gibt niemanden, dem ich vertrauen kann. Niemanden. Selbst mein bester Freund, der mir immer versprochen hat, für mich da zu sein, hat mir so ins Gesicht gelogen.

Ich kann ihn nicht einmal mehr ansehen.

»Du bist das Letzte.« Ich muss hier weg, bevor ich vor ihm losheule. Meine Beine wackeln, aber ich renne los.

»Alek«, ruft er und folgt mir die Treppen herunter. Seine Socken sind klitschnass, als er mich vor der Haustür abfängt und festhält.

»Ich kann das nicht mehr«, sagt er und schnauft. Angespannt stolpere ich zurück, bis ich die Wand im Rücken spüre.

Ich starre ihm auf den Bauch, um nicht seinem Blick zu begegnen.

»Du bist ein Verräter.« Wie konnte er mir das antun? Er weiß ganz genau, wie ich auf so etwas reagiere! Wenn er eine Beziehung hat, dann hätte er es mir sagen können. Es ist nicht so, als würde ich es ihm verbieten. Er soll mit jemandem zusammen sein, der ihn im Arm hält, wenn es ihm schlecht geht und mit ihm seine Sorgen teilt, nur …

Was ist mit mir? Lässt er mich dafür links liegen? Meldet er sich deswegen nicht bei mir?

Seine Hände sind vertraut warm, die er auf meine Wangen legt. Sie riechen nach Plätzchenteig und Zimt, so als hätten die beiden gebacken. Haben sie das? Standen sie vorhin in der Küche und haben herumgealbert, während sie sich den Teig von den Fingern geleckt haben?

Die Tränen fluten meine Augen, als hätten sie nur darauf gewartet, herauszuplatzen. Hastig blinzele ich sie weg. Ich will jetzt nicht vor Jesse heulen. Nicht vor ihm.

Mein Körper wird immer schwerer und ich kann kaum noch Luft holen. Warum tut er mir das an? Es ist ja nicht so, als wäre ich ein Monster! Denkt er, dass ich kein Verständnis hätte? Ich würde ihm so viel durchgehen lassen, um nicht weggeworfen zu werden.

»Es ist die einzige Lösung, damit alles so bleiben kann, wie es ist«, flüstert er. »Ich kann dir nicht länger dabei zusehen, wie du Fremde küsst und so tun, als wäre es mir egal.«

Was soll das bedeuten?

»Ich bin so in dich verliebt, du gigantischer Vollidiot«, sagt er mit geschlossenen Augen und lehnt seine Stirn an meine.

Ich kann nicht atmen. Mein Herz schlägt immer schneller und mein gesamter Körper zittert unter der Berührung, wie er meine Wangen streichelt. Sein Daumen kratzt über meinen Kiefer, während Jesse seinen Mund leicht öffnet, um meinen zu verschließen. Es sind die rauen Finger, verziert mit Narben, die ich in- und auswendig kenne.

Auf dem Kinn hat er einen Leberfleck und das Grübchen, das …

»Ich kann das nicht. Ich kann das nicht«, schreit meine innere Stimme.

Vor mir sehe ich meinen Vater stehen, der mich geschlagen und abgegeben hat, obwohl er mich liebt. Mein Ex hat auch geflüstert, dass ich für ihn der wichtigste Mensch bin, aber er wollte nur Sex. Was ist, wenn ich Jesse nicht das geben kann, was er verlangt? Was, wenn ich seiner Art der Liebe nicht gerecht werde?

Ich weiß nicht einmal, was das ist. Was ist ›Liebe‹ für ihn? Was ist sie für mich? Wie soll ich ihm vertrauen? Was, wenn er mich leid wird? Meine Gedanken überschlagen sich. Die Männchen in meinem Körper haben den Notstand ausgerufen und springen aus den Fenstern. Weder sie noch ich können mit all dem umgehen.

Unter Tränen ramme ich ihn von mir weg und laufe los. Ich kann das nicht. Verdammt, ich kann das einfach nicht.

Er ist mein bester Freund. Jesse ist meine Familie! Ich kann ihn nicht verlieren! Gefühle würden alles kaputt machen!

Schnaufend renne ich an der Bushaltestelle vorbei, die Straße hinunter. Ich habe kein Ziel, ich will nur weg von hier und nie wiederkommen.

Ich kann das nicht. Es geht nicht.

Schluchzend verstecke ich mein Gesicht hinter den Händen und husche in eine Seitengasse. Ich bin ein Trottel.

Was soll ich tun? Ich weiß nicht einmal, wie ich ihm die Liebe geben soll, die er verdient? Ich könnte niemals so schnuckelig sein wie Smoochie Poo und ihm einen Auflauf kochen. In meinem ganzen Leben habe ich bisher nie richtig gekocht und ich habe auch nie Plätzchen gebacken. Die seltenen Momente, in denen ich Nudeln gemacht habe, um sie danach in Ketchup zu ertränken, waren mit Jesse.

Er ist der einzige Mensch, den ich nie verlieren wollte. Es musste früher oder später so kommen, aber …

Warum hat er sich in mich verliebt? Wie kann er das behaupten, während er mit einem anderen Mann zusammen ist? War das am Ende nur eine Lüge?

Wie kann er zwei Kerle gleichzeitig im Herzen tragen?

Mein Atem geht so hastig, dass mir schwindelig wird. Vor mir zieht der Schnee mit der Hauswand seltsame Formen, ehe ich mich auf den Boden hocke.

»Ruhig atmen«, sage ich mir selbst, bevor ich noch hyperventiliere.

Das kann alles nicht passieren.

Ich bin wie ein Vögelchen, das in einen Käfig gesetzt wurde. Jeden Tag warte ich nur brav darauf, dass Jesse mir ein paar Körner reinwirft und mir zufrieden über den Kopf streichelt. Es ist kein beengendes Gefühl. Die goldenen Gitterstäbe bieten mir Schutz und Sicherheit. Außerdem ist die Tür nie abgeschlossen. Sie steht einen winzigen Spalt offen und wenn ich sie betrachte, träume ich oft davon, was geschehen würde, wenn ich einfach wegfliegen würde. Ich müsste nur die Flügel ausbreiten und mich in die Luft erheben. Der Wind würde mir durch die Federn gleiten und mich am Bauch kitzeln, während ich zum ersten Mal die Welt erkunden kann.

Doch mit Jesses Liebesgeständnis ist es anders. Die Hand legt er auf die Tür und schließt sie vor meiner Nase zu. Ich könnte nie wieder entkommen. Ich wäre für immer gefangen.

Und dennoch möchte ich nicht lieblos weggescheucht werden, als wäre es ihm egal, ob ich je wieder Futter bekommen würde. Jesse reißt den Käfig von mir weg und bemerkt gar nicht, wie die Metallstäbe dabei tiefe Wunden auf meiner Haut hinterlassen.

Ein Spatz auf dem Eis

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