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4. Kapitel
ОглавлениеAleksei
Eric, der Inhaber des Clubs, hat mir auf dem Weg zur Bühne von unseren neuen Securitymännern erzählt. Später werde ich sie wohl kennenlernen. Hoffentlich sind es nicht wieder Idioten. Die Letzten waren eher aufdringlich, als uns zu helfen, wenn wir belästigt wurden. Und was soll ich sagen? Ich werde andauernd begrabscht und nur, weil ich promiskuitiv bin, bedeutet das nicht, dass ich absolut jeden nehme.
Wie in einem Strip-Club gibt es um die erhöhte Plattform herum Stühle und kleine Tische. Manchmal wollen einem Kerle auch Geld in die Hose stecken, obwohl es verboten ist. Aber was soll ich machen? Trinkgeld ist gerne gesehen, auch, wenn das Fummeln nervt.
In einer knallengen, taillierten Röhrenjeans hüpfe ich auf das Parkett. Das weiße Rüschenhemd habe ich in den Bund gesteckt, damit jeder meinen athletischen Oberkörper sehen kann. Ich bin einzigartig. Ich bin exklusiv. Ich bin Aleksei und mich muss man einmal erlebt haben.
Den Schlüssel zu meinem Herzen habe ich weggeworfen. Wohin? Das kann ich nicht verraten. Macht es nicht den Spaß kaputt, wenn man jedes Geheimnis lüftet?
Zwar bin ich schmaler als der Durchschnitt, aber ich habe trotzdem Muskeln und verdammt, ich werde sie einsetzen, wenn mir der Kerl da noch mal an den Arsch geht. Was denkt der sich eigentlich?
Und wo ist die Security, die bei so etwas helfen sollte? Na, für ihren ersten Arbeitstag stellen die sich nicht sonderlich gut an.
»Guten Abend«, brumme ich ins Mikro und werfe mir das Kabel über die Schulter. »Seid ihr gut drauf?« Ein Bein stelle ich auf eine Erhöhung, unter denen weitere Scheinwerfer versteckt sind. Ich lehne mich vor, um dem Kerl in der ersten Reihe eine Idee davon zu geben, wie es wäre, mich zu küssen. Er starrt mir auf die Lippen und ich wende mich grinsend ab. Die Lautsprecher quietschen und selbst der Barkeeper hält sich bei dem Krach ein Ohr zu.
»Ich fragte, ob ihr gut drauf seid?«, rufe ich und knöpfe mir die Hose auf. »Wir sind hier im ›MakeMeMoan‹, lasst mich doch einmal hören, wie ihr das findet!« Sie starren mich an und vergessen zu atmen. Ihre Blicke sind auf meine Hand gerichtet, die ich langsam in meine Hose schiebe. Ich seufze wohlig ins Mikrofon, da grölen sie schon begeistert. Ha, na geht doch. Ich drücke den Rücken durch, atme die stickige Luft tief ein und singe ihnen einen Partysong. Es macht Spaß. Die Männer tanzen zum Beat meines Herzens und der guten Musik. Natürlich habe ich wieder eine ganz besondere Auswahl getroffen. Hauptsache, niemand steht still und es wird getanzt, bis die Füße wehtun!
Ich wirbele herum und benutze die gesamte Fläche der Bühne, um auch dem letzten Gast einzuheizen. Einen Süßen hole ich mir für eine kurze Tanzeinlage hoch, ehe ich mich wieder auf das Lied konzentriere.
Das Publikum tobt und obwohl ich nicht auf dem großen Dancefloor auftrete, sondern in dem Raum, in dem die Bar steht, ist es genug für mich. Ich freue mich, wenn mir zugehört wird. Zwar weiß ich, was ich zu bieten habe, aber es ist schwer, sich einen Namen zu machen. Es gibt zu viele Ausnahmetalente, die trällern können wie ein Goldkehlchen.
Jesse zuliebe singe ich ›I just had sex‹, was die Menge ebenso lauthals mit grölt. Na, immerhin haben wir den gleichen Geschmack oder denselben dummen Humor.
An der Bar sitzt Jesse, der mir mit einem Bier zunickt. »Tortuga«, formen seine Lippen und ich drehe mich an der Stange.
Vielleicht haben wir zu viel ›Fluch der Karibik‹ geschaut, aber nach endlosen Film-Marathons ist ›Tortuga‹ eindeutig unser Lieblingswort für alles. Fürs Zuprosten, wenn etwas gut gelaufen ist, oder einfach nur so, um den anderen zum Grinsen zu bringen.
Wir schauen zu viele Filme.
Nicht nur ›Harry Potter‹ oder ›Der Herr der Ringe‹, sobald es eine Trilogie gibt, sind wir dabei. Es ist uns egal, ob wir eine ganze Nacht wach bleiben und viereckige Augen bekommen. Wir ziehen alles am Stück durch!
Meine Hüfte wippt von links nach rechts, während sich die bunten Lichter auf den Gesichtern der Gäste sammeln. Deren Klatschen und Hüpfen ist meine Genugtuung. Mir ist hier oben heiß geworden, ihnen da unten auch?
Es sind die Augen von Raubtieren, die mich beobachten. Sie alle starren mich an.
Aus dieser Position heraus ist es leicht, sich jemanden für gemeinsame Stunden auszusuchen, allerdings bin ich für heute bedient. Ich hatte wirklich guten Sex und gerade singe ich mir die Seele aus dem Leib. Auch wenn ich dank Jesse eine kratzigere Stimme habe. Es gibt nicht nur trashige Songs, die ich trällere, sondern auch alles, was sich die Kunden wünschen. Solange ich die Leute unterhalte, ist mein Job sicher.
Und obwohl ich hier oben Spaß habe, driften meine Gedanken ab. Das Gespräch mit Jesse vor einigen Stunden lässt mich nicht in Ruhe.
Will er sich ernsthaft eine Bar kaufen? Nicht, dass ich es erwarten würde. Es ist viel zu teuer. Aber warum nimmt er sich das vor? Ist das sein Traum? Macht ihm sein Beruf keinen Spaß mehr? Das kann ich schon nachvollziehen. So einen Job im Büro stelle ich mir langweilig vor. Aber auch ich will nicht für ewig in einem drittklassigen Club arbeiten.
Ehrlich gesagt habe ich darüber nachgedacht, ob ich an einem Talentwettbewerb teilnehme. Der Gewinn würde genug Geld bringen, das ich dem Kinderheim schicken könnte, in dem wir aufgewachsen sind. Die Leitung hat mir erzählt, dass sie Geldprobleme haben und schließen müssen. Aber was wird dann aus den Kleinen? Was passiert mit den Angestellten? Sie haben sich so lange um mich gekümmert und ich würde ihnen gerne etwas zurückgeben.
Ich schaue so oft vorbei, wie ich kann. Durch meinen nächtlichen Job, sind die Tage ziemlich öde. Jesse ist die ganze Zeit beschäftigt und ich vergammele in meinem Zimmer, wenn ich mich nicht zwinge, rauszugehen. Und dann besuche ich eben meine ›Familie‹.
Von dem restlichen Geld würde ich mir eine Wohnung suchen. Meinen eigenen Rückzugsort. So etwas hatte ich noch nie.
Nach meinem letzten Song verneige ich mich und lasse mich von dem Applaus berauschen. Ich hüpfe von der Bühne, anstatt die Treppe zu nehmen, da rückt mir schon jemand auf die Pelle.
»Gute Show.« Neben mir steht ein Traum von einem Mann. In der Hand hält er einen Drink, den er mir fast in den Brustkorb rammt. Ist der für mich? Und was ist das überhaupt für ein Kerl? Habe ich gesagt, dass ich genug Sex für heute hatte? Mamma Mia, das habe ich mir doch flott anders überlegt.
Er sagt mit tiefer Stimme: »Ich sollte mich vorstellen, ich bin …«
»Super heiß.«
Lächelnd springe ich an der Bühne hoch, um mich auf die Kante zu setzen. Von hier oben kann ich ihm doch eine bessere Vorstellung geben. Für meinen fremden Traumprinzen raune ich ›Only You‹ ins Mikrofon und räkele mich lasziv auf dem Parkettboden. Vielleicht ist es nicht so fesselnd, als wäre ich auf einem Klavier, trotzdem weiß ich, wie ich mir seine Aufmerksamkeit sichern kann.
Allerdings zieht der Mann nur eine Augenbraue hoch. Sein Blick liegt zwar auf mir, aber er leckt sich nicht lüstern über den Mund, sondern wartet, bis ich mit meiner Vorführung fertig bin. Langweile ich ihn?
Ich stehe jedenfalls auf seine sehnigen Hände und die Adern, die seine Unterarme zieren. Sein Gesicht ist hingegen übertrieben ernst, was ihn ziemlich sexy macht. Es sind der Dreitagebart und die Narbe am Kiefer, die mich gaffen lassen.
Ich befeuchte mir die Lippen und schlucke schwer.
Über den mandelförmigen Augen sind dunkle Brauen, die er zusammenkneift, als ich weiter zu ihm herüber rutsche. Näher und noch näher.
Die braunen Haare sind an den Seiten kurz und oben länger, sodass er sie sich mit etwas Haargel nach hinten stylen kann. Ob er ein Geheimagent ist? Wo kommt denn der lebende Augenschmaus her? Ah, das kann nicht sein, aber …
»Bist du der neue Securitymann?«, raune ich und lege das Mikro auf den Boden der Bühne. Wenn es stimmt, dann werden wir sicherlich viel Spaß miteinander haben. Schließlich sehen wir uns dann jeden Abend. Das Haar werfe ich mir über die Schultern, als wäre ich in einer Shampoowerbung aus einem Wasserfall herausgesprungen, um ihm meine feuchten Lippen hinzuhalten.
»Serik Yazdani«, stellt er sich vor und platziert den roten Cocktail vor meiner Nase. Irre ich mich, oder hat er einen russischen Akzent? Das ist wohl meine größte Schwäche. Der Geruch von Orangen entzückt mich, ebenso wie der herbe, der Serik umgibt.
»Ich bin Aleksei.« Und mehr als heiß auf dich.
Wo hat sich so ein Schnuckel nur verkrochen? Unverschämt lege ich ihm die Arme um den Hals und flechte die Finger hinter seinem Nacken ineinander.
»Soll ich dir den Club zeigen?«, frage ich ihn, aber Serik wirkt nicht so angetan wie alle anderen Männer, die jetzt sabbern würden, wenn ich ihnen mein bestes Lächeln präsentiere.
»Mir wurde alles gezeigt.«
»Ausführlich? Ich kann mir vorstellen, dass es die eine oder andere Ecke gibt, die …«
»Wie gesagt.« Räuspernd drückt er meine Beine weg, die ich um sein Becken klammern wollte. Als ob so ein muskulöser Kerl mich nicht tragen könnte. Was ist nur mit ihm?
Schmollend schiebe ich die Unterlippe nach vorne. »Sei doch kein Spielverderber.«
Seine Augen sind so unreal. Es sieht aus, als wären die Polarlichter in ihnen gefangen. Sind sie grün? Oder ist das nur das bunte Licht der Scheinwerfer, das mich träumen lässt?
»Du benimmst dich unangemessen«, sagt er mit einem Unterton in der Stimme, der mir gar nicht passt. »Du solltest ein gewisses Schamgefühl entwickeln, ehe du dich einem Mann, noch dazu einem Clubmitarbeiter, an den Hals wirfst.«
Was redet er da? Und warum unterdrückt er überhaupt seinen Akzent? Was für eine Verschwendung! Laut schnalze ich mit der Zunge und hopse ihm auf die Hüfte. Tatsächlich lässt Serik mich hart auf die Bühne herunter plumpsen. Autsch, mein Arsch! Was für ein uncharmanter Penner. Warum hat er mich nicht gefangen? Ich sehe gut aus und niemand sagt ›nein‹ zu mir. Niemand. Außerdem hätte ich beinahe den Cocktail unter meinem Hintern zerdrückt. Diesen schiebe ich weiter hinten auf die Bühne.
»Gib’s zu, du findest mich geil.« Gereizt recke ich Serik den Kiefer entgegen, während in mir der Trotz brodelt und meinen Körper glühen lässt. Wie kann er mich eiskalt fallen lassen?
Egal. Das ist nur ein kleiner Rückschlag. Die Beine spreize ich und mache somit genug Platz für ihn. Serik gibt sich reserviert, aber ich erkenne an seinen leuchtenden Augen, dass er nicht so sein will. Die Hände stütze ich zwischen meinen Oberschenkeln an der Bühne ab und lehne mich zu ihm vor.
»Na, zu schüchtern? Fehlt dir die Sprache?«
»Herr Meyer bat mich, dir eine Erfrischung zu bringen und mich dir vorzustellen. Das habe ich hiermit erledigt.«
Unvorstellbar!
»Hat dir mein Gesang nicht gefallen?«
Serik betrachtet mich lange und ruhig, ehe er überhaupt darüber nachdenkt, zu antworten. Um uns herum sind so viele Kerle und dennoch liegt mein Fokus nur auf ihm. Ihm kleben einige nasse Strähnen an der Schläfe und der Stirn, die er so herrlich runzelt. Seinen Bartschatten kann ich ebenso genau erkennen. Frisch rasiert und trotzdem sind die Stoppeln so dunkel, dass er aussieht wie ein verwegener Biker. Um ehrlich zu sein, habe ich ewig keinen Mann gesehen, der mir direkt zusagt. Außerdem … Was ist das bitte für ein Blick, der mich durchdringt und mich ganz kribbelig macht?
Seine Zungenspitze befeuchtet kurz die Oberlippe und ich erschaudere. Er könnte mir ruhig zeigen, was seine Zunge noch alles kann. Von der Geschicklichkeit von meiner bin ich jedenfalls überzeugt. Das könnte ihm gefallen.
»Die Gäste sind hier, um deinen Auftritt zu sehen. Es wäre gut, sie nicht zu enttäuschen, indem du deine Pause überziehst«, sagt er monoton.
War das gerade ein Korb? Ist der denn verrückt? Als ob es einen Kerl auf der Welt gäbe, der mich nicht will? Es kribbelt mir in den Fingern, ihn anzufassen. Die breiten Schultern, das enganliegende Hemd und die Muskeln, die sich darunter verbergen. Wie würden sie sich anfühlen? Hart? Heiß? Wenn er Haare auf der Brust hat, könnte ich meine Finger zwischen den Knöpfen in sein Hemd fahren lassen und sie berühren? Und wenn die Klamotten erst einmal weg sind, dürfte ich dann meine Zunge benutzen, um seinen Bauch runter zu küssen? Er riecht jetzt schon so unwiderstehlich, wie würde es erst sein, wenn wir Körper an Körper liegen, eng umschlungen, in meinem Bett?
Vielleicht gibt er vor, mich nicht gut zu finden, aber ich kann ihn mit Sicherheit überzeugen.
»Es ist doch so kalt heute, soll ich dir wirklich nicht ein paar warme und gemütliche Ecken zeigen?« Der Winter steht vor der Tür und es schneit seit einigen Tagen. Als ob Serik lieber heimgehen würde, wenn er seine Nacht bei mir verbringen könnte? Schwachsinn!
Den Kopf neige ich, um ihm meine Kehle zu präsentieren, da streicht er sich über die Stirn.
Serik starrt mich an. Allerdings nicht so wie die anderen Kerle. Sein Blick ist undurchdringlich, die Augenbrauen zieht er dabei zusammen. Ohne mir auch nur eine Erklärung zu bieten, legt er die Finger an sein Ohr, sagt etwas zu seinen Kollegen und dreht sich weg. Er präsentiert mir sein Kreuz und ich schmachte ihm nach wie ein abservierter Dummkopf. Wie kann er mich wortlos sitzen lassen?
Einige Gäste haben sich schon umgedreht und beobachten die peinliche Szene. Es kribbelt in meinem Nacken, so unangenehm, dass ich mir die Hand auf die Haut drücke. Meine Gelassenheit verschwindet und macht einem anderen Gefühl Platz, das sich aus den Tiefen meines Herzens an die Oberfläche kämpft. Es reißt die Gedärme zur Seite, zersprengt meine Rippen und lässt mich aufspringen. Ist es Sehnsucht oder doch die Angst, nicht gut genug zu sein? Ich wage es gar nicht, zu benennen.
Meine Beine sind weich wie Gummi und trotzdem laufe ich ihm hinterher.
»Warte! Ich mag dich!« Mit wild pochendem Herzen drängele ich mich durch die Menge. Warum rennt er jetzt weg?
»Du bist genau mein Typ!«, erkläre ich ihm und greife nach seiner Hand, die er auf der Stelle zurückzieht. Allein wie weich sie sich anfühlt, gefällt mir. Benutzt er Feuchtigkeitscreme? Geht er zur Maniküre? Das ist voll mein Ding. Was er wohl mit mir anstellen könnte, wenn er seine Finger in mich schiebt? Zu gerne würde ich sie in den Mund nehmen und daran saugen.
Es gibt selten Männer, die derart sinnliche und gepflegte Hände haben. Sicher, dass er zur Security gehört? Er sieht nicht aus, als hätte er schon mal jemandem das Gesicht eingeschlagen. Allerdings kann ich nicht sagen, ob das eine Voraussetzung für den Job ist.
Mein Herz hüpft schneller, denn er sieht mich mit strengem Blick an. Ist er neugierig auf mich? Will er mehr von mir sehen? Verdammt, der Kerl ist zum Anbeißen. Er hat die perfekte Größe und einen muskulösen Körperbau, als würde er für diesen Job täglich trainieren. Ist er nebenbei Model? So ein sportlicher Typ muss doch fotografiert und ausgestellt werden!
Ach, jetzt habe ich nur gestarrt. Was wollte ich noch mal? Ich klammere mich an ihm fest, als ich mich auf die Zehenspitzen stelle und ihm zuflüstere: »Einmal genügt mir. Nur ein Fick und ich werde dich besser befriedigen, als jeder andere Kerl, der dir jemals begegnet ist.« Schließlich leckt sich jeder nach mir die …
»Hey! Was soll das?«
»Nicht anfassen«, sagt er mit einem Ton, als wäre ich ein quengelndes Kleinkind, das er beruhigen müsste. Sachte schiebt er mich an der Brust von sich weg. »Tut mir leid, ich habe keine Zeit für deine Spielchen, ich werde am Eingang gebraucht.«
Warum? Wie kann er sich erneut wegdrehen und mich vor allen lächerlich machen?
Es gab nie jemanden, der nach einer gemeinsamen Nacht nicht mehr wollte! Niemanden. Das Prickeln, die Erotik – reizt ihn das nicht? Ich schnappe angespannt nach Luft und versuche, die Stimme zu verdrängen, die flüstert: »Vielleicht bist du nicht gut genug?«
Lächelnd tänzele ich zur Musik um ihn herum und versperre ihm den Weg zur Bar. Ich mache eine Drehung und packe mir seinen Arm. Träumerisch schließe ich die Augen, als ich seinen Bizeps abtaste. Er hat den Körper eines Gottes und einen aromatischen Moschusduft, der von Sekunde zu Sekunde intensiver wird. Mir wird so heiß, dass ich kaum klar denken kann. Spürt er das Knistern denn nicht?
Seine Hand legt er auf meine und löst den Griff. Erneut schiebt er mich von sich weg und sagt: »Ich bin gerade im Dienst. Wenn du dich unterhalten willst, kannst du später auf mich zukommen.«
Die Partysongs, die mir normalerweise das Trommelfell zerreißen, sind kaum zu hören. Da ist nur Seriks brummende Stimme, die meine Beine weich werden lässt.
»Also findest du mich gut?«, frage ich und trete näher an ihn heran. Ich will ihn berühren, schmecken, fühlen. Ich will alles und ich weiß nicht einmal warum. Da ist nur dieses Bedürfnis, ihn zu verschlingen, mit Haut und Haaren, komplett. Wie kann man nur so geil aussehen?
»Sorry«, sagt er und neigt den Kopf zur Seite, als würde er gerade nicht mit mir reden. »Ihr habt die Situation unter Kontrolle? Gut. Verstanden.« Unterhält er sich jetzt mit den anderen Sicherheitsmännern? Vor mir? Ich will mich schon wieder in sein Blickfeld drängen, da straft er mich mit einem Seufzen.
»Tut mir leid, ich habe kein Interesse.«
Mir rinnt ein eiskalter Schauer über den Rücken, der auf seinem Weg jedes Haar kribbeln lässt.
Serik drückt mich an der Schulter aus dem Weg, wodurch ich tollpatschig gegen den Tresen der Bar knalle. Autsch, das hat wehgetan.
Mit offenem Mund starre ich ihm nach, ehe ich mir die Hand auf das schnell pochende Herz lege. Was für ein Kerl! Der hat ja richtig Eier mich abzuweisen!
So etwas ist mir noch nie passiert. Meine Gefühle drehen durch und ich sitze in der ersten Reihe einer Achterbahn. Serik hat irgendetwas, das mich gleichzeitig begeistert, wie es mich auch wild macht. Ich will ihn. Verdammt, ich will ihn.
Laut lachend drücke ich mich durch die Menge und sehe Serik dabei zu, wie er sich an den Eingang stellt und alles überwacht. Nicht ein einziges Mal schaut er zu mir herüber.
Was für ein Arschloch. Was für ein attraktives Arschloch. Wenn er davon ausgeht, mich los zu sein, dann hat er sich geirrt. Das ist nur eine Herausforderung, die ich annehmen werde.
Mein Herz bricht einen Geschwindigkeitsrekord, während ich mich auf einen Barhocker setze und Serik beobachte. Ob er wirklich nicht auf mich steht? Unvorstellbar! Ich habe das Aussehen eines Models! Klar würde es nicht für etwas Ernstes reichen, aber das will ich auch gar nicht. Für mich zählt nur grandioser Sex und wie wäre dieser mit ihm? Serik sieht aus, als könnte er mich zum Japsen und meinen Körper zum Beben bringen. Warum gönnt er mir den Spaß nicht?
Ich bekomme einen Cocktail hingestellt, den ich direkt bis zur Hälfte leer trinke. Die fruchtige Süße kommt genau passend.
Wenn ich recht überlege, war es nicht die beste Art, mich unüberlegt an Serik heranzumachen. Vielleicht wäre eine weniger provokante Taktik besser gewesen. Nur woher hätte ich das wissen sollen? Normalerweise springen alle darauf an.
»Was war das denn für einer?« Jesse drängt den Kerl neben mir weg, der mir über den Rücken gestreichelt hat.
»Keine Ahnung.«
»Nicht der. Der da drüben. Der Mafiosi.«
»Ah. Serik«, sage ich und schlürfe am Strohhalm. »Der arbeitet ab heute hier. Neue Security.«
Jesses Mund wird eine gerade Linie. Voller Abscheu verzieht er das Gesicht und betrachtet den Mann, der uns keines Blickes würdigt. »Der sieht aus wie ein aufgeblasener Mistkerl.«
»Ist er auch.«
Mein Magen gluckert. Zum Glück habe ich heute nicht viel zu tun. Es ist nicht sonderlich voll und die meisten sind auf dem Dancefloor. Eigentlich liebe ich das Singen, aber manchmal gibt es Tage, an denen nur wenige vor der Bühne stehen. Dann kommt es mir so vor, als wollten sie nur gaffen und gar nicht hören wie ich klinge. Mir ist bewusst, dass ich mich verhalte wie ein Stripper, aber das ist zum Teil mein Job. Die anderen Tänzer sind doch auch halb nackt. Dadurch will ich aber nicht ausschließlich auf meinen Körper reduziert werden. Zumindest ist das ein geheimer Wunsch. Bei Serik wäre mir jedoch jedes Mittel recht gewesen, damit er länger bei mir bleibt. So ein seltsames Kribbeln hatte ich noch nie im Bauch. Wie er mich angesehen hat, war so außergewöhnlich, als wäre es in Zeitlupe geschehen.
Ich kaue auf dem Strohhalm herum und lasse die Schultern fallen.
Aber was, wenn es wirklich nichts neben meinem Aussehen gibt? Haben die Kerle am Ende sogar recht, die mich benutzen und wegwerfen? Es ist ja nicht so, dass ich mich nie nach einer Beziehung gesehnt habe. Es ist nur so verdammt kompliziert.
Die Hand, die Jesse auf meinen Nacken legt, ist angenehm schwer. Er lässt sie über meine verschwitzte Haut gleiten, ehe er mir den Hinterkopf krault.
»Soll ich dich hochbringen?«
Auf mein Zimmer? Aber es ist ja nicht einmal ein Uhr morgens. Ich muss noch bis drei durchhalten.
»Musst du nicht nach Hause? Es ist schon spät.«
»Ich starte einfach von hier aus zum Job.« Lächelnd nimmt er meine Hand und zieht mich an Serik und allen anderen vorbei zur Wendeltreppe. »Wenn ich in der Nähe wohnen würde, wäre es leichter.«
Das stimmt. Andererseits wäre es Schwachsinn. Sein Job ist im Luxusviertel und damit ziemlich weit weg von hier. Der Arbeitsweg wäre noch länger und außerdem ist das ›MakeMeMoan‹ nicht gerade the place to be. Ehrlich gesagt kommt hier das ganze Gesocks hin, das nirgendwo sonst untertauchen kann. Wer hier ohne einen One-Night-Stand geht, ist selbst schuld. Alle wissen es, auch wenn man so tut, als wäre es nicht so.
»Bringst du mich ins Bett?«, fragt Jesse mit einem sanften Zug um die Lippen. »Das konntest du schon immer gut.«
Das weiß er noch? Hach, wie peinlich. »Du kannst nicht andauernd hier pennen. Das kann echt Ärger geben.« Ich mag den Inhaber, aber wenn er von meinem Theater genug hat, dann fliege ich schneller raus, als ich bis drei zählen kann.