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Leo Steiger seufzte, aber nur leise. Der Alte brauste rasch auf, das war im Ministerium bekannt, und besonders heftig, wenn er sich im Unrecht wusste. Auch jetzt stieg ihm eine verdächtige Röte in den Nacken.

"Also stimmt, was in den Zeitungen steht?"

"Also stimmt was?"

"Dass diese Reggl einmal die Büroleiterin unseres verehrten Innenministers war?"

"Ja, das stimmt, aber den Job hatte sie schon vor langer Zeit aufgegeben."

"Dann haben Sie sie also gekannt?"

"Was heißt schon gekannt? Ich bin drei- oder viermal mit ihr zusammengetroffen. Sie wissen doch, ich gehe allen Politikern gern aus dem Weg und mein oberster Boss hier im Haus ist und bleibt der Staatssekretär."

Und mit dem Kunstliebhaber und -sammler Arnulf Simmering verstand sich der Alte, wie der Leiter der Polizeiabteilung im Innenministerium allgemein genannt wurde, ausgezeichnet. Aber Steiger ließ nicht locker. "Aber Sie werden doch einen Eindruck von ihr gewonnen haben. Tüchtig und fleißig? Eine graue Maus? Unauffällig, der gute Geist hinter den Kulissen?"

Tschakowiak prustete laut los. "Graue Maus, unauffällig? Mein lieber Steiger, als ich erotisch sozialisiert wurde, nannte man solche Frauen noch heißblütig, zumindest temperamentvoll. Sie war alles andere als eine graue Maus. Sehr tüchtig, sehr fleißig, sehr zuverlässig, aber so, wie sie körperlich gebaut und psychisch gestrickt war, absolut unfähig, hinter den Kulissen zu wirken, sie agierte ausschließlich auf der Bühne, möglichst nahe an der Rampe. Und wenn sie dann mit ihrem bewundernswerten Po wackelte, richtete jeder Beleuchter seinen Scheinwerfer auf sie."

"Zur Freude des Ministers?"

"Das kann ich nicht beurteilen, jedenfalls zum wachsenden Verdruss seiner Marie-Luise, die er später geheiratet hat. Und die von ihm verlangte, diese Frau aus seiner unmittelbaren Nähe zu entfernen. Was er dann auch getan hat. Seine Büroleiterin wechselte in die Freie Wirtschaft. Und auf ihren Stuhl im Ministerbüro folgte ein farbloses Männlein, ein typisches Parteigewächs, grau und blutarm."

"Hatte die Reggl Feinde?"

"Wahrscheinlich."

"Gibt es keinen Hinweis auf das Motiv, sie und die beiden anderen Frauen zu erschießen?"

"Wenn ich die Akten richtig gelesen habe - kein Hinweis."

"Dann gibt es anscheinend auch keine heiße Spur?"

"Nein. Nichts. Die Mirbach, die die Untersuchungen leitet, ist noch dabei, jeden einzelnen Stein zum zweiten Mal umzuwenden, aber sie ist in den drei Wochen keinen Schritt weitergekommen. Tatort und Tatwaffe haben nichts verraten. Indizien, Zeugen, Spuren - alles Fehlanzeige. Kennen Sie die Mirbach?"

"Flüchtig, aus einem Seminar über Spurenrekonstruktion und Spurensicherung."

"Eine tüchtige Frau, intelligent, umsichtig, erfahren." Tschako lobte nicht gerne, und Frauen erst recht nicht, wie Steiger wusste. Also machte man der Mirbach keine Vorwürfe wegen der geringen Fortschritte. "Sie schreibt übrigens hervorragende Berichte. Da merkt man noch, wer früher viele richtige Bücher gelesen hat."

"Na schön, sie ist also der Aufklärung keinen Schritt nähergekommen. Was soll ich dann da?"

"Ihr helfen und der Opposition den Wind aus den Segeln nehmen. Haben Sie heute Morgen den Kommentar in der Landeszeitung gelesen?"

Die etwas langweilige, sehr seriöse Landeszeitung stand, was jedermann wusste, der oppositionellen Bürgerunion nahe und ließ keine Gelegenheit verstreichen, der Regierungskoalition aus Sozialer Volkspartei und Liberaler Mitte eins auszuwischen.

"Kanitz war ziemlich empört und hat Simmering angespitzt. Es müsse alles unternommen werden, um den Fall aufzuklären, und als Simmering ihm später erklären musste, dass eine ganz normale Gruppe aus dem Referat 11 des Präsidiums mit dem Fall befasst sei, ist unser leicht cholerischer Innenminister im Quadrat gesprungen. So ginge das aber nicht, er wünsche, dass sofort das Landeskriminalamt eingeschaltet werde. Deswegen sitzen Sie hier."

"Warum ist der Minister so nervös?"

"Im nächsten Jahr wird gewählt, Steiger. Die Vorbereitungen des Wahlkampfes haben längst begonnen, Kanitz hat dieses Problem Lommerfeld geerbt und meint, damit trage er bereits sein politisches Päckchen. Die Büchsenspanner sind schon am Werk und die Dreckschleuderer heben bereits die Schützengräben aus."

"Ich bin also das LKA, das sich einmischt?"

"So ist es, fleißig, tüchtig, erfolgreich, zäh und mit jener fortune begabt, die Friedrich der Große von seinen Generälen erwartete."

"Wenn ich mich nicht irre, hat ja auch nicht er, sondern sein Bruder Heinrich die wirklich wichtigen Schlachten für Preußen gewonnen."

Der Alte biss für ein paar Sekunden die Zähne zusammen, bevor er gefährlich leise erklärte. "Steiger, Sie sollen keine Klischees beseitigen, sondern herausfinden, welcher Vollidiot drei Frauen erschossen hat. Und das sollen Sie bitte leisten, ohne Staub aufzuwirbeln."

"Chef, Sie gestatten mir die Bemerkung, dass bei diesem Wetter von Staub keine Rede sein kann, allenfalls von Pulverschnee."

Tschakowiak lief puterrot an. "Raus!", brüllte er. "Die Mirbach wartet auf Sie im Wehrhofener Revier. Und drüben weiß Rotteck Bescheid."

"Und Sie zeichnen wie üblich meine Spesen ohne Nachfragen ab?"

Provozieren konnte man den Alten nicht. Wenn er die Absicht merkte, wurde er von einer Sekunde auf die andere ruhig wie ein Grabstein, griff nach der Zigarrenkiste und begann, wohlig stöhnend, darin zu grabbeln. Das Riechen an dem ausgewählten Exemplar, das Anschneiden und Anzünden war ein Ritual, bei dem er sich nicht stören ließ. Steiger betrachtete ihn schmunzelnd. Er saß nicht das erste Mal im Allerheiligsten und wurde auf eine Mission geschickt, an der "wichtige Leute" ein wie auch immer geartetes, auf jeden Fall "großes Interesse" hegten, das sie freilich nicht publik machen wollten. Tschakowiak konnte ihm viel von bevorstehenden Landtagswahlen erzählen, viel wahrscheinlicher war, dass der Innenminister, dessen hemmungsloser Ehrgeiz sich herumgesprochen hatte, Freunden wie Feinden keinen Anhaltspunkt bieten wollte, sich ihm in den Weg zu stellen.

Mit drei Zügen konnte der Alte sein großes Zimmer blau einnebeln, und als Steiger, dem es langweilig wurde, einmal kräftig hustete, knurrte Taschakowiak: "Schon verstanden. Gehen Sie los und lösen Sie den Fall! Bitte kein Aufsehen und schöne Grüße an Karin Mirbach. Trösten Sie ruhig eine geknickte Seele. Ach, und fast hätte ich's vergessen: Sie berichten nur mir und zwar nur mündlich."

Steiger verkniff sich die Frage, ob der Alte denn nun die dazu nötigen Spesen abzeichnen werde. Und wer stellte den für die Moosgrundmorde zuständigen Staatsanwalt ruhig?

Der lange Flur zum Treppenhaus und den Aufzügen war mit braun-grünen Fliesen ausgelegt, auf denen seine Schritte widerhallten. Im Landeskriminalamt auf der anderen Straßenseite wurden schon gewaltige Intrigen gesponnen, aber kein Vergleich mit dem Innenministerium und seinen Seilschaften.

Die Horst Bieber Krimi Sammlung 2021: Krimi Paket 8 Romane auf 1500 Seiten

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