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6 Gibt es in den Dialekten Relikte aus früheren Sprachen?

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Die Erforschung der alten Ortsdialekte dient nicht nur dazu, die Verbreitung der einzelnen Mundarten im Raum beschreiben zu können, sondern man kann mithilfe einzelner Wörter auch etwas über frühere Siedlungskontakte und Siedlungsbewegungen herausbekommen. Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang Dialektwörter, die in der Hochsprache keine Konkurrenz haben, da es sich um Bezeichnungen von Sachen handelt, die wie etwa in der Landwirtschaft eher kleinräumig verbreitet und nicht für alle Deutschen von Bedeutung sind. Aus diesem Grund wird bei Dialekterhebungen der Bereich „Landwirtschaft“ besonders intensiv erhoben. Im Rahmen der Arbeit am „Vorarlberger Sprachatlas“ konnte der Verfasser dieser Zeilen zusammen mit dem Münchner Sprachwissenschaftler Thomas Krefeld Wörter finden, die noch auf die Besiedlung Süddeutschlands durch die Römer zurückgehen. Solche „Archaismen“ sind zum Beispiel Wörter wie Benne „Behälter“, Brente „Rahmgeschirr“, Schotten „Käsewasser“, Kriss „ Tannenreisig“ oder Tobel „Schlucht“. Besonders bemerkenswert war, dass die Verbreitungsgrenze in Oberschwaben und im Allgäu bei einigen dort verbreiteten Archaismen wie Schump „Jungvieh“ und Feel „Mädchen“ (Karte 7) weitgehend mit dem spätrömischen Limes übereinstimmte. Da aber Wörter von der einen zur anderen Sprache nur dann weitergegeben werden können, wenn zwischen den beiden unterschiedlichen Sprachgruppen Kontakt besteht, können wir mithilfe der Reliktwörter nachweisen, dass sich nach dem Fall des spätrömischen Limes immer noch eine romanisch sprechende Bevölkerung südlich der Donau aufhielt und den germanischen „Eroberern“ einzelne Wörter weitergab. Je häufiger wir in den heutigen Mundarten noch solche Wörter finden, umso stärker und länger muss dieses Nebeneinander von romanischer und germanischer Bevölkerung gewesen sein. Die Dialektgeografie kann also mit ihren Wortsammlungen Wesentliches zur Siedlungsgeschichte eines Landes beitragen.


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