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7 Wann spricht man Dialekt?

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In den Jahren 2010–2012 führten wir am Ludwig-Uhland-Institut der Universität Tübingen eine Umfrage durch, bei der wir über ganz Baden-Württemberg verteilt Rathäuser angeschrieben haben mit der Bitte, uns auf einer Skala von A bis G anzukreuzen, in welcher Situation man im jeweiligen Ort mehr Ortsdialekt (A) oder mehr „Hochdeutsch“ (G) spricht. 136 Fragebögen kamen zurück. Wenn wir unsere 7er-Skala von A–G auf die oben bereits dargelegte fünfstufige Mehrsprachigkeit in Süddeutschland übertragen, indem wir die beiden Extrempunkte (A, B) und (F, G) jeweils zusammenfassen, kommen wir zu folgendem Ergebnis: Der Anwendungsbereich der bodenständigen Ortsmundart (Stufen A, B) ist in Baden-Württemberg zunächst einmal überall die Familie, wobei mit den Großeltern noch „stärker“ Dialekt gesprochen wird als mit den Geschwistern, und mit diesen wiederum noch stärker Dialekt gesprochen wird als mit den eigenen Kindern. Des Weiteren wird der Ortsdialekt noch relativ häufig mit den Freunden, guten Bekannten und im Verein gesprochen. Die Stufen C und D, die man mit einer Art Regionalsprache und regionaler Umgangssprache gleichsetzen kann, werden nach Angaben unserer Gewährspersonen in den Ortschaften Baden-Württembergs im Gespräch mit dem Briefträger, mit dem Metzger und Bäcker sowie auf dem Rathaus verwendet, insofern dieses im Ort ist. Die Stufen E, F und G, die zunehmend in Richtung Hochsprache gehen, werden bei uns in den Schulen eingesetzt, wobei man in der Grundschule noch etwas dialektaler spricht (Stufe E) als im Gymnasium (Stufe F). Die Stufe F ist dann auch die sprachliche Ebene, auf der man Fremden, Norddeutschen wie Ausländern, begegnet. Sie ist aber auch auf den Ämtern in der Stadt angebracht. Die letzte Stufe auf dem Weg zur Hochsprache (Ebene G) ist schließlich für einen Anruf bei einer Mitmachsendung im Radio reserviert.

Die Ergebnisse der Umfrage machen deutlich, wie differenziert die sprachliche Situation in Baden-Württemberg ist, und wir können davon ausgehen, dass eine Umfrage in Bayern zu ähnlichen Ergebnissen, vermutlich sogar mit noch stärkerer Dialektverwendung, kommen würde. Wie sehr der Dialekt mit einer vertrauten Umgebung zusammenhängt, zeigt das folgende Diagramm. Links steht das Ergebnis für den sprachlichen Umgang mit den Großeltern, gefolgt von der angemessenen sprachlichen Ebene im Verein. Wie deutlich süddeutsche Sprecher beim Wechsel der Situation auch die sprachliche Ebene wechseln, zeigt sehr schön der Vergleich der beiden Situationen im Rathaus. Ist das Rathaus noch im Ort, wird Ortsdialekt, Regionalsprache oder eine großräumige Umgangssprache gesprochen, ist es aber außerhalb, sodass man die Personen eventuell nicht kennt, so geht das sprachliche Register eher in Richtung (regionales) Hochdeutsch.

Welche sprachliche Ebene wählt man in Baden-Württemberg im Gespräch mit …? (Angaben in %)


Sobald süddeutsche Sprecher ihren Heimatort verlassen und in die nächstgrößere Gemeinde gehen, wechseln sie auch ihre Sprache, wobei sie dann Sprachformen, die ihnen zu dialektal vorkommen, weglassen. Der Dialektforschung ist es allerdings bislang nur für einzelne Orte gelungen, diesen sprachlichen Wechsel genau zu beschreiben. Dieses Defizit liegt allerdings auch daran, dass für weite Teile Baden-Württembergs und damit auch des Schwäbischen die bodenständigen Mundarten noch gar nicht erfasst waren. Das Tübinger Projekt „Sprachalltag“ versucht zurzeit, genau diese Forschungslücke zu schließen.

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