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7. Kapitel
ОглавлениеDIE SPRACHE DER SCHALTIERE
Obgleich ich so spät schlafen gegangen war‚ stand ich am nächsten Morgen sehr früh auf. Die ersten Sperlinge begannen gerade‚ schläfrig auf dem Dach vor meinem Giebelfenster zu piepen‚ als ich aus dem Bett sprang und in meine Kleider schlüpfte.
Ich konnte es kaum erwarten‚ zu dem kleinen Haus mit dem großen Garten zurückzukehren und den Doktor und seinen privaten Zoo zu sehen. Als ich an des Doktors Gartentür angelangt war‚ fiel mir plötzlich ein‚ daß es vielleicht zu früh wäre und der Doktor noch schliefe. Ich sah in den Garten — niemand schien in der Nähe zu sein. Leise öffnete ich die Pforte und ging hinein. Plötzlich hörte ich ganz dicht neben mir eine Stimme:
„Guten Morgen! Wie früh du kommst“‚ und auf der Spitze einer Ligusterhecke saß der graue Papagei Polynesia.
„Guten Morgen“‚ sagte ich‚ „ich komme recht früh. Schläft der Doktor noch?“
„O nein“‚ antwortete Polynesia‚ „er ist schon anderthalb Stunden auf. Er muß irgendwo im Hause stecken. Die Vordertür ist offen‚ drück nur auf die Klinke und geh hinein. Er macht sich sicher in der Küche Frühstück‚ oder vielleicht arbeitet er auch‚ in seinem Studierzimmer. Geh nur hinein! Ich will warten‚ bis die Sonne aufgeht. Aber‚ weiß Gott‚ ich glaube‚ sie hat das Aufgehen vergessen. Ein entsetzliches Klima! Wenn ich jetzt in Afrika wäre‚ würde zu dieser Morgenstunde die Welt vom Sonnenlicht erstrahlen. Sieh nur‚ wie der Nebel über die Kohlköpfe rollt. Vom bloßen Hinsehen kann man das Reißen bekommen! Ein ekelhaftes Klima‚ wirklich! Ich weiß wahrhaftig nicht‚ warum es irgendwer‚ außer einem Frosch‚ in England aushält. Nun‚ ich will dich nicht aufhalten. Lauf zum Doktor!“
„Danke schön“‚ sagte ich‚ „ich will ihn suchen.“
Endlich fand ich den Doktor in seinem Studierzimmer. Ich wußte nicht‚ daß dies sein Studierzimmer genannt wurde. Es war ein sehr interessantes Zimmer‚ mit Fernrohren‚ Mikroskopen und allen Arten seltsamer Gegenstände‚ von denen ich leider nichts verstand. An den Wänden hingen Abbildungen von Tieren‚ Fischen‚ merkwürdigen Pflanzen und Sammlungen von Vogeleiern und Seemuscheln in Glaskästen.
Der Doktor stand in seinem Schlafrock am Mitteltisch. Zuerst glaubte ich‚ er wüsche sich das Gesicht. Er beugte sich über einen viereckigen Glaskasten voll Wasser und hielt ein Ohr unters Wasser‚ während er das andere mit der Hand zuhielt. Als ich hereinkam‚ richtete er sich auf.
„Guten Morgen‚ Stubbins“‚ sagte er. „Wird ein schöner Tag werden‚ nicht wahr? Ich habe gerade dem Wiff-Waff zugehört. Aber er enttäuscht mich sehr‚ wahrhaftig‚ sehr!“
„Warum?“ fragte ich‚ „hat er überhaupt keine Sprache?“
„O doch“‚ sagte der Doktor‚ „er hat schon eine Sprache‚ aber sie ist so ärmlich. Nur ein paar Worte wie ja und nein‚ heiß und kalt — das ist alles‚ was er sagen kann. Er ist eine große Enttäuschung. Weißt du: er gehört zu zwei verschiedenen Fischfamilien‚ und ich hatte geglaubt‚ er würde mir viel nützen können. Ja‚ ja.“
„Wahrscheinlich“‚ sagte ich‚ „hat er nicht viel Verstand‚ wenn seine Sprache nur aus zwei oder drei Worten besteht.“
„Ja‚ ich glaube‚ das ist der Fall. Vielleicht kommt es von dem Leben‚ das er führt. Wiff-Waffs sind jetzt außerordentlich selten und leben sehr einsam. Sie schwimmen in den größten Tiefen herum und immer ganz allein. Ich nehme daher an‚ sie brauchen wirklich nicht viel zu sprechen.“
„Vielleicht würde ein größeres Schaltier mehr sprechen“‚ sagte ich‚ „schließlich ist er doch sehr klein‚ nicht wahr?“
„Ja‚ das stimmt“‚ sagte der Doktor‚ „ich glaube‚ es gibt Schaltiere‚ die viel sprechen. Aber die großen Schaltiere‚ die allergrößten‚ sind schwer zu fangen. Man findet sie nur in größter Meerestiefe‚ und da sie nicht viel schwimmen‚ sondern fast die ganze Zeit auf dem Meeresboden herumkriechen‚ bekommt man sie selten ins Netz. Ich wünschte‚ ich könnte etwas entdecken‚ wodurch ich auf den Meeresgrund gelangte — ich würde dort eine Menge lernen. Aber wir vergessen ganz unser Frühstück. Hast du schon gefrühstückt‚ Stubbins?“
Ich sagte‚ ich hätte es ganz vergessen‚ und der Doktor führte mich sofort in die Küche.
„Ja“‚ sagte er‚ als er das heiße Wasser in die Teekanne goß‚ „wenn es ein Mensch fertig bekäme‚ auf den Meeresgrund zu gelangen und dort eine Weile leben könnte‚ dann würde er wunderbare Dinge entdecken — Dinge‚ von denen nie jemand geträumt hat.“
„Aber Menschen gelangen doch auf den Meeresboden‚ nicht wahr?“ fragte ich ihn‚ „Taucher und solche Leute?“
„Ja‚ sicherlich“‚ sagte der Doktor‚ „Taucher steigen hinunter. Ich bin selbst in einem Tauchanzug hinuntergestiegen. Aber das geht nur dort‚ wo das Meer seicht ist. Wo es wirklich tief ist‚ kommen sie nicht hin. Ich möchte gern in die großen Tiefen hinunter‚ dort‚ wo das Meer Meilen und Meilen tief ist. Nun‚ ich werd’ es schon eines Tages fertig bringen. Komm‚ ich gieße dir noch eine Tasse Tee ein.“