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4. Kapitel

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DAS WIFF-WAFF

Endlich konnte ich mich umsehen. Die Diele war mit Tieren vollgestopft. Alle Arten schienen hier versammelt. Eine Taube‚ eine weiße Maus‚ eine Eule‚ eine Fledermaus‚ ein Maulwurf‚ sogar ein kleines Schwein kam vom verregneten Garten herein und wischte sich sorgfältig die Füße an einer Matte ab‚ während das Licht der Kerze auf seinem nassen rosa Rücken glänzte.

Der Doktor nahm der Ente den Leuchter ab und wandte sich zu mir: „Du mußt die nassen Kleider ausziehen. Übrigens: wie heißt du?“

„Thomas Stubbins“‚ sagte ich.

„Ach‚ bist du der Sohn des Schuhmachers Stubbins?“

„Ja“‚ antwortete ich.

„Dein Vater ist ein ausgezeichneter Schuhmacher“‚ sagte der Doktor. „Sieh dir mal die an.“ Er hielt mir seinen rechten Fuß hin‚ um mir die riesigen Stiefel zu zeigen‚ die er trug. „Die hat mir dein Vater vor vier Jahren gemacht‚ und seitdem habe ich sie immer getragen‚ wirklich herrliche Stiefel. Nun mußt du dir schnell die nassen Kleider ausziehen‚ Stubbins‚ wart’ einen Augenblick‚ bis ich noch ein paar Kerzen angezündet habe‚ dann werden wir hinaufgehen und uns trockene Kleider suchen. Du bekommst einen alten Anzug von mir‚ bis wir deine Kleider am Küchenfeuer getrocknet haben.“ Wir gingen nach oben‚ und der Rock des Doktors‚ den er mir gab‚ war so groß‚ daß ich in einem fort auf meine eignen Rockschöße trat‚ als ich Holz vom Keller hinauftragen half. Aber bald flackerte ein riesiges Feuer im Kamin‚ und wir hingen unsere nassen Kleider zum Trocknen auf.

„Nun wollen wir uns Abendbrot machen“‚ sagte der Doktor. „Du bleibst doch hier und ißt mit mir‚ Stubbins?“

Ich begann diesen komischen kleinen Mann bereits lieb zu haben, der zu mir ‚Stubbins‘ statt ‚Kleiner‘ oder ‚Tommy‘ sagte. (Ich haßte es so‚ ‚Kleiner‘ genannt zu werden.) Dieser Mann behandelte mich genau wie einen erwachsenen Freund. Und als er mich bat‚ bei ihm zu bleiben und mit ihm Abendbrot zu essen‚ war ich stolz und glücklich. Aber plötzlich fiel mir ein‚ ich hatte meiner Mutter nichts von einem so langen Fortbleiben gesagt. Daher antwortete ich traurig:

„Vielen Dank! Ich würde gern bleiben‚ aber ich fürchte‚ meine Mutter wird sich ängstigen‚ wenn ich nicht zurückkomme und sie nicht weiß‚ wo ich bin.“

„Ach‚ lieber Stubbins“‚ sagte der Doktor und warf ein neues Scheit Holz in das Feuer. „Deine Kleider sind noch nicht trocken‚ du mußt darauf warten‚ nicht wahr? Bis dahin haben wir uns Abendbrot gemacht und gegessen. Hast du vielleicht gesehen‚ wo ich meine Tasche hingestellt habe?“

„Sicher in die Halle‚ ich werde mal nachsehen.“ Ich fand die Handtasche an der Eingangstür. Sie war aus schwarzem Leder und sah alt aus. Eins ihrer Schlösser war entzwei und wurde mit einem Bindfaden zusammengehalten. „Vielen Dank“‚ sagte der Doktor‚ als ich sie ihm brachte.

„Ist dies das ganze Gepäck‚ das Sie auf der Reise mithatten?“ fragte ich.

„Ja“‚ sagte der Doktor‚ als er den Bindfaden aufschnürte‚ „ich halte nichts von vielem Gepäck. Es ist so eine Last — das Leben ist zu kurz‚ um sich damit abzuquälen. Und weißt du: es ist auch nicht nötig. Wo habe ich nur die Würstchen hingetan?“

Der Doktor suchte in der Tasche. Zuerst holte er ein frisches Brot‚ dann ein Glas mit einem seltsamen Metalldeckel heraus. Er hielt das Glas sehr sorgfältig ans Licht‚ bevor er es auf den Tisch setzte‚ und ich entdeckte darin ein seltsames kleines Wassertier. Zuletzt brachte der Doktor ein Pfund Würstchen hervor.

Während er eifrig die Würstchen über dem Herdfeuer briet‚ ging ich hin und sah mir das kleine Geschöpf an‚ das in dem Glas herumschwamm.

„Was ist das für ein Tier?“ fragte ich.

„Ach“‚ sagte der Doktor und drehte sich um‚ „das ist ein Wiff-Waff. Sein richtiger Name ist Hippocampus pippitopitus. Aber die Eingeborenen nennen es einfach Wiff-Waff‚ weil es beim Schwimmen immer mit seinem Schwanz hin und her wackelt. Um es zu bekommen‚ habe ich meine letzte Reise unternommen. Ich will nämlich die Sprache der Schaltiere lernen. Sie haben bestimmt eine Sprache. Ein bißchen Haifischsprache und etwas Tümmlerdialekt kann ich schon sprechen‚ aber ich möchte die Sprache der Schaltiere: der Muscheln‚ Krebse und Schnekken lernen.“

„Warum denn?“ fragte ich.

„Nun‚ einige Schaltiere sind die ältesten Geschöpfe der Welt‚ von denen wir wissen. Man findet ihre vieltausend Jahre alten Schalen versteinert in den Felsen. Wenn ich ihre Sprache sprechen könnte‚ würde ich sicher von ihnen erfahren‚ wie die Welt in uralten Zeiten gewesen ist.“

„Aber können Sie das nicht ebenso gut von anderen Tieren erfahren?“

„Ich glaube nicht“‚ sagte der Doktor und zerteilte die Würste mit einer Gabel. „Die Affen‚ die ich vor ein paar Jahren in Afrika kennen lernte‚ haben mir zwar geholfen und mir viel von vergangenen Zeiten erzählt —‚ aber ihre Kenntnisse reichten nur ungefähr tausend Jahre zurück. Nein‚ ich bin überzeugt‚ man kann nur von den Schaltieren die älteste Geschichte der Welt erfahren‚ einzig und allein von ihnen. Die meisten anderen Tiere‚ die in jenen uralten Zeiten gelebt haben‚ sind ausgestorben.“

„Können Sie schon etwas Schaltiersprache?“ fragte ich.

„Nein‚ ich habe grade erst angefangen. Ich mußte den besonderen Pfeifenfisch haben‚ der halb Muschel und halb Fisch ist. Ich bin ihm bis zum östlichen Mittelmeer gefolgt; aber ich fürchte‚ er wird mir nicht sehr viel helfen. Um die Wahrheit zu gestehen‚ enttäuscht mich sein Äußeres. Er sieht nicht sehr klug aus‚ nicht wahr?“

„Nein‚ wahrhaftig nicht“‚ stimmte ich bei.

„So“‚ sagte der Doktor‚ „die Würste sind grade gar‚ komm‚ reich mir deinen Teller‚ damit ich dir auftun kann.“ Wir setzten uns an den Küchentisch und begannen ein herzhaftes Mahl.

Es war eine wunderbare Küche — ich habe darin noch oft gegessen und aß dort lieber als in dem schönsten Speisesaal der Welt. Es war gemütlich‚ heimisch und warm‚ und alles war so bequem. Man nahm das Essen heiß vom Feuer‚ stellte es auf den Tisch und aß es. Während man seine Suppe löffelte‚ sah man sein Brot auf dem Rost liegen und konnte aufpassen‚ daß es nicht anbrannte. Wenn man Salz vergessen hatte‚ brauchte man nicht in ein anderes Zimmer zu gehen‚ sondern nur die große Holzbüchse von der Anrichte hinter sich zu nehmen. Der Herd‚ der größte‚ den ich je gesehen habe‚ war wie ein Zimmer für sich. Man konnte sich hineinstellen‚ selbst wenn die Scheite schon brannten‚ oder auf jeder Seite sitzen und sich Kastanien rösten‚ wenn das Mahl vorüber war. Man konnte dem Summen des Kessels lauschen‚ Geschichten erzählen‚ oder sich beim flackernden Feuer Bilder besehen. Es war eine herrliche Küche — sie war wie der Doktor. Bequem‚ vernünftig‚ freundlich und zuverlässig.

Während wir aßen‚ öffnete sich plötzlich die Tür und herein spazierten die Ente Dab-Dab und der Hund Jip‚ die Laken und Kissenbezüge hinter sich über den sauber gefegten Erdboden zogen. Der Doktor‚ der mein Erstaunen sah‚ erklärte mir‚ daß sie die Bettwäsche für ihn vor dem Feuer anwärmen wollten.

„Dab-Dab ist eine großartige Haushälterin. Ich hatte einst eine Schwester‚ die mir den Haushalt führte — arme‚ gute Sarah‚ ich möchte wissen‚ wie es ihr geht‚ ich habe sie viele Jahre nicht gesehen —‚ aber sie war nicht halb so gut wie Dab-Dab. Nimm noch ein Würstchen!“

Der Doktor blickte sich um und sprach in seltsamen Zeichen und Lauten einige Worte zu der Ente und dem Hund. Sie schienen ihn völlig zu verstehen.

„Verstehen Sie auch die Eichhörnchensprache?“

„ Ja‚ natürlich‚ sie ist ganz leicht. Du könntest sie auch ohne große Mühe lernen. Aber warum fragst du?“

„Weil ich zu Haus ein krankes Eichhörnchen habe. Ich rettete es vor einem Falken‚ aber zwei Beine sind schwer verletzt‚ und ich möchte‚ daß Sie sich’s mal ansehen. Darf ich’s Ihnen morgen herbringen?“

„Wenn es ein schwerer Bruch ist‚ wär’s besser‚ ich sähe es mir noch heute abend an. Es ist zwar schon zu spät‚ um noch viel zu tun‚ aber ich werde mit dir nach Hause gehen und es untersuchen.“

Wir besahen die Kleider am Feuer‚ und meine waren schon ganz trocken. Ich ging ins Schlafzimmer hinauf und zog mich um‚ und als ich hinunterkam‚ wartete der Doktor schon mit seiner schwarzen Tasche voll Medizin und Bandagen auf mich.

„Komm“‚ sagte er‚ „es hat aufgehört zu regnen.“

Draußen war es wieder hell geworden‚ der Abendhimmel war von der untergehenden Sonne gerötet‚ und die Drosseln sangen im Garten‚ als wir das Tor öffneten‚ um auf die Straße hinunterzugehen.

Doktor Dolittles schwimmende Insel

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