Читать книгу Doktor Dolittles schwimmende Insel - Hugh Lofting - Страница 12
8. Kapitel
ОглавлениеBIST DU EIN GUTER BEOBACHTER?
Gerade in diesem Augenblick kam Polynesia ins Zimmer und sagte etwas in der Vogelsprache zum Doktor. Er legte sofort Messer und Gabel hin und eilte aus dem Zimmer.
„Es ist wirklich ein Skandal“‚ rief der Papagei‚ sobald der Doktor die Tür hinter sich geschlossen hatte. „Kaum ist er nach Hause gekommen‚ so wissen das die Tiere der ganzen Gegend‚ und jede kranke Katze und jedes räudige Kaninchen kommt meilenweit her‚ ihn um Rat zu fragen. Jetzt wartet eine große dicke Häsin mit ihrem quieksenden Jungen an der Hintertür. ‚Kann ich vielleicht den Doktor sprechen? Glaube‚ es hat Krämpfe.‘ Wahrscheinlich hat das dumme Ding wieder giftigen Nachtschatten gegessen. Der arme Mann hat nie Ruhe. Ich habe ihm mal gesagt‚ er soll sich für die Tiere besondere Sprechstunden einrichten. Aber er ist zu freundlich und rücksichtsvoll. Niemals weigert er sich‚ jemand zu sehen‚ wenn ihm wirklich was fehlt. Er sagt‚ dringende Fälle dürfe man nie warten lassen.“
„Warum gehen die Tiere nicht zu anderen Ärzten?“ fragte ich.
„O mein Gott!“ rief der Papagei und schüttelte verächtlich den Kopf‚ „es gibt ja keinen anderen Tierdoktor‚ wenigstens keinen richtigen. Natürlich gibt es gewöhnliche Tierärzte‚ aber‚ meiner Seel’‚ die sind nichts wert. Sie verstehen nicht die Tiersprache‚ und wie kann man dann erwarten‚ daß sie irgend etwas nützen können. Stell dir nur vor‚ du gehst mit deinem Vater zu einem Doktor‚ der kein Wort von dem versteht‚ was ihr sagt‚ und euch nicht einmal in eurer eigenen Sprache sagen kann‚ was ihr tun müßt‚ um gesund zu werden. Pah‚ diese Tierärzte! Du ahnst nicht‚ wie dumm sie sind. Stell des Doktors Speck aufs Feuer‚ damit er warm bleibt.“
„Glaubst du‚ ich könnte die Tiersprache lernen?“ fragte ich und stellte den Teller auf den Herd.
„Das kommt darauf an“‚ sagte Polynesia. „Bist du gut in der Schule?“
„Das weiß ich nicht“‚ antwortete ich beschämt‚ „ich bin nie zur Schule gegangen — mein Vater ist zu arm‚ um mich hinzuschicken.“
„Da versäumst du nicht viel“‚ sagte der Papagei‚ „wenigstens nach dem‚ was ich von Schuljungens weiß. Aber hör einmal‚ beobachtest du gut? Angenommen: du entdeckst zwei Stare auf einem Apfelbaum‚ und siehst sie dir genau an — würdest du einen vom andern unterscheiden können‚ wenn du sie am nächsten Tage wiedersiehst?“
„Ich weiß nicht‚ ich habe es nie versucht.“
„So etwas“‚ sagte Polynesia und bürstete mit ihrem linken Fuß ein paar Krumen von der Tischdecke‚ „so etwas nennt man Beobachtungsgabe. Die kleinen Dinge bei Vögeln und Tieren beobachten‚ die Art‚ wie sie gehen und ihre Köpfe bewegen‚ mit den Flügeln und Schwänzen schlagen‚ wie sie schnüffeln und sich die Bärte streichen und mit den Schwänzen wackeln — all diese kleinen Dinge mußt du beobachten‚ wenn du die Tiersprache lernen willst‚ denn die meisten Tiere sprechen kaum mit der Zunge‚ sie brauchen statt dessen ihren Atem‚ ihre Schwänze oder ihre Füße dazu. Das kommt daher‚ weil viele von ihnen in alten Zeiten‚ als es noch mehr Löwen und Tiger gab‚ sich fürchteten‚ irgendein Geräusch zu machen‚ aus Angst‚ die wilden Bestien könnten sie hören. Den Vögeln war es natürlich gleichgültig‚ sie hatten immer Flügel‚ um wegzufliegen. Aber das erste‚ woran du denken mußt‚ ist‚ ein guter Beobachter zu werden‚ denn das ist ungeheuer wichtig‚ wenn man die Sprache der Tiere lernen will.“
„Es hört sich ziemlich schwer an“‚ sagte ich.
„Man muß sehr geduldig sein“‚ sagte Polynesia‚ „es dauert lange Zeit‚ bis man nur ein paar Worte richtig sagen kann‚ aber wenn du oft herkommst‚ werde ich dir Stunden geben. Und hast du erst einmal angefangen‚ wirst du erstaunt sein‚ wie schnell du vorwärtskommst. Es wäre gut‚ wenn du es lerntest‚ dann könntest du dem Doktor etwas Arbeit abnehmen. Ich meine die leichtere Arbeit‚ wie Verbände machen und Pillen geben. Ja‚ ja‚ das ist eine gute Idee! Es wäre großartig‚ wenn der arme Mann etwas Hilfe und Ruhe bekäme. Es ist ein Skandal‚ wieviel er arbeitet. Ich sehe nicht ein‚ warum du nicht imstande sein solltest‚ ihm eine Menge zu helfen — das heißt: wenn du dich wirklich für Tiere interessiert.“
„Ach‚ ich würde es von Herzen gern tun!“ rief ich. „Glaubst du‚ der Doktor wird mir’s erlauben?“
„Sicherlich! Sobald du etwas von Medizin verstehst. Ich selbst werde ihm davon erzählen. Ich höre ihn kommen. Schnell‚ stell seinen Speck wieder auf den Tisch!“