Читать книгу Der schottische Bankier von Surabaya - Ian Hamilton - Страница 15
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ОглавлениеDIE FAHRT DEN DON VALLEY PARKWAY hinauf verlief so zäh wie immer, und der Verkehr ließ auch nicht nach, als sie auf den Highway 7 abbog und Chinatown North erreichte. Mittlerweile lebten ungefähr fünfhunderttausend Menschen chinesischer Herkunft im Großraum Toronto. Die erste große Welle war aus Hongkong gekommen, kurz vor der Eingliederung der ehemals britischen Kolonie, gefolgt von einem Zustrom aus dem Mutterland. In Toronto gab es chinesische Tageszeitungen, chinesische Radio- und Fernsehstationen, gigantische Einkaufszentren, die denen in Hongkong nachempfunden waren, sowie Restaurants – Hunderte von Restaurants –, die jede erdenkliche asiatische Küche anboten, kreiert von Chefköchen aus Spitzenrestaurants in Hongkong, Shanghai und Beijing, die Spitzengehälter für ihre Übersiedlung bekamen. Jennie Lee behauptete, dass die chinesischen Restaurants in Toronto inzwischen die besten der Welt waren, und Ava konnte ihr nicht widersprechen.
Als sie damals in Toronto angekommen waren, hatte sich die einzige Chinatown in der Innenstadt befunden. Jeden Samstagmorgen hatte Jennie Ava und Marian ins Auto geladen und sie zum Abakus- und Mandarin-Unterricht gebracht, während sie chinesisches Gemüse einkaufen ging und ihren geliebten thailändischen Jasminreis im Zehn-Kilo-Sack. Diese alte Chinatown war dicht bevölkert, und deshalb hatte Jennie sich mit ihren Töchtern in Richmond Hill, im Norden von Toronto, niedergelassen, wo sich im Laufe der Zeit eine wohlhabende, gebildete chinesische Community entwickelte.
Mimi hatte Ava einmal gefragt, warum so viele Chinesinnen und Chinesen nach Richmond Hill zogen. Die Antwort war einfach. Viele Jahre lang war Vancouver der bevorzugte Ankunftsort für chinesische Einwanderinnen und Einwanderer gewesen, und in Richmond, einer Stadt im Süden von Vancouver, hatten sie sich niedergelassen. Als Toronto Vancouver allmählich als wirtschaftliches Zentrum der chinesischen Community in Kanada ablöste, zogen viele im Westen angesiedelte Chinesinnen und Chinesen nach Osten. Und weil sie – wie alle Landsleute in Hongkong – den Namen Richmond kannten, landeten sie in Richmond Hill. Als Jennie mit ihren Töchtern nach Osten ging, um dem tristen Regenklima Vancouvers, wie sie es nannte und das sie viel zu sehr an Hongkong erinnerte, zu entrinnen, hatte es dort noch nicht viele Chinesinnen und Chinesen gegeben. Doch innerhalb weniger Jahre war Richmond Hill, Ontario, so chinesisch wie Richmond, British Columbia.
Das Lucky Season befand sich in einem Einkaufszentrum namens Times Square, das der Hongkonger Mall gleichen Namens nachempfunden war. Es war kein schickes Restaurant, aber man bekam ein köstliches und preisgünstiges Dim Sum. Jennie hatte das Lokal Jahre zuvor entdeckt und besuchte es seitdem mehrmals in der Woche. Jedes Dim-Sum-Gericht kostete zwei Dollar zwanzig, also etwa die Hälfte von dem, was man in den meisten anderen Lokalen am Highway 7 bezahlte, und vielleicht ein Viertel von dem, was die angesagten Restaurants wie das Lai Wah Heen in der Innenstadt von Toronto in Rechnung stellten. Das Lokal bot Platz für etwa vierhundert Gäste und war immer voll.
Ava kannte die Frau am Empfang – eine weitere von Jennie Lees unzähligen Freundinnen – und wurde sofort an einer Gruppe wartender Gäste vorbei zu einem Tisch geleitet. Niemand beklagte sich über die Vorzugsbehandlung. Beziehungen zu haben war akzeptierter Bestandteil des Alltagslebens in Richmond Hill; es wurde einem keineswegs geneidet – es wurde bewundert.
Die Restaurantmitarbeiterin erkundigte sich nach Jennie. Ava erklärte, dass ihre Mutter den Sommer in einem Cottage verbracht hatte. Die Frau – sie war in flachen Schuhen mindestens eins fünfundachtzig groß und hatte im Basketballteam der chinesischen Frauen mitgespielt – sah ungläubig zu Ava herunter. »Ich dachte, sie wäre nach Hongkong gefahren oder so. In einem Cottage kann ich sie mir nicht vorstellen.«
Ava zuckte die Achseln. »Sie hat es überlebt.«
»Möchten Sie Sauer-Scharf-Suppe?«, fragte die Frau.
»Ja, wie immer. Die bestelle ich jetzt schon. Und alles andere, wenn mein Gast eingetroffen ist.«
Wenn es ums Essen ging, war Ava erklärtermaßen voreingenommen. Sie glaubte, dass die chinesische Küche in all ihrer unglaublichen Vielfalt und ihrer Wertschätzung frischer Zutaten nicht zu übertreffen war. Und wenn sie nur ein einziges Gericht würde wählen dürfen, dann wäre es Sauer-Scharf-Suppe. Sie hatte sie, so meinte sie, buchstäblich tausendfach in Hunderten von Restaurants gegessen. Und jedes Mal, wenn sie sie aß, war sie anders – nicht nur von Restaurant zu Restaurant, sondern selbst in ein und demselben Restaurant an verschiedenen Tagen. Die fortwährende Überraschung entzückte sie. Die Vielfalt, was die möglichen Zutaten anging, sowohl die unabdingbaren als auch die wahlweisen, war so breit gefächert, dass kleine Abweichungen hier und da das ganze Geschmacksprofil verändern konnten. Wie der Name schon sagte, musste die Suppe scharf sein, deshalb gehörten Pfeffer- und Chilischoten auf jeden Fall hinein. Sie sollte außerdem eine leicht saure Note haben, also musste dem Hühnerfond, der die Grundlage bildete, Essig zugegeben werden, zusammen mit – und hier wurden Köchinnen und Köche wirklich kreativ – einer Kombination aus Tofu, Schweinefleisch, Bambussprossen, Mu-Err- und Shiitake-Pilzen, Sojasauce, Sesamöl, Zucker, Frühlingszwiebeln, Shrimps, Jakobsmuscheln und Entenfleisch.
Jedes Restaurant, das eine gute Sauer-Scharf-Suppe zu kochen wusste, konnte auf Ava zählen. Das Lucky Season servierte eine hervorragende und gehörte auf alle Fälle zu ihren Top Three. Ava mochte ihre Suppe besonders scharf, und der Koch im Lucky Season sparte nicht an schwarzem Pfeffer und Chili, ging maßvoll mit dem Essig um und fügte Streifen von roter und grüner Paprika hinzu. Seine Suppe war von hellbrauner Farbe, aber Ava hatte auch schon rote, rosa und dunkelbraune Varianten gegessen. Sie tunkte ihren Löffel ein und holte einen hellrosa Shrimp heraus, um den ein Mu-Err-Streifchen gewickelt war. Sie aß ihn und lächelte.
Joey Lac kam pünktlich. Ava hatte ihre Suppe bereits gegessen und plauderte mit der Restaurantmitarbeiterin, als sie einen Mann an der Tür stehen sah, der den Blick über den Gastraum schweifen ließ. Er war größer, als sie erwartet hatte, annähernd eins achtzig, und ziemlich gewichtig. Ava stand auf und winkte ihm zu. Er sah sie an und schaute dann um sich, als wolle er sich vergewissern, dass sie wirklich allein war. Theresas Bruder hat ihn paranoid gemacht, dachte Ava.
Schwerfällig kam er auf sie zu, Schweißperlen zeigten sich auf seiner Oberlippe und der Stirn. Ava streckte ihm die Hand hin. »Danke, dass Sie gekommen sind.«
»Sie sind anders, als ich erwartet hatte«, sagte er.
»Wieso?«
»Ich hatte jemand Älteren erwartet, eine Vietnamesin. Sie sind keine Vietnamesin, oder?«
»Nun, ich bin älter, als ich aussehe, und nein, ich bin keine Vietnamesin. Ich bin Chinesin. Warum überrascht Sie das?«
»Sie trauen nicht vielen Menschen, die keine Vietnamesen sind.«
»Vielleicht bin ich ihre einzige Hoffnung, ihr Geld zurückzubekommen. Oder vielleicht müssen sie, nach dem, was Lam ihnen angetan hat, neu einschätzen, wem sie vertrauen können.«
»Ich denke, es ist am wahrscheinlichsten, dass Sie ihre einzige Hoffnung sind«, erwiderte Lac und ließ sich bedächtig auf dem Stuhl ihr gegenüber nieder.
Ava setzte sich ebenfalls. »Wie dem auch sei. Noch einmal danke, dass Sie gekommen sind.«
»Ich wollte nicht, aber es ist besser, als wenn Sie in meinem Büro aufgekreuzt wären. Dort hat es schon genug Ärger gegeben, und mit meiner Familie ebenfalls. Ich kann von Glück sagen, dass ich meinen Job noch habe.«
Sofort tauchten Fragen in Avas Kopf auf, aber sie zügelte sich und nahm sich vor, nichts zu überstürzen. Lac war bereits nervös genug. »Lassen Sie uns was zu essen bestellen, und dann können wir reden«, schlug sie vor. »Gibt es etwas Bestimmtes, das Sie mögen oder nicht mögen?«
»Ich mag Hühnerfüße.«
»Entenfüße?«
»Die auch.«
Ava füllte das Dim-Sum-Menü aus und hielt es hoch, damit eine Bedienung es nahm, abzeichnete und zur Küche brachte.
»Ich habe außerdem Har Gau, mit Fischpaste gefüllte Auberginen und frittierten Tintenfisch bestellt.«
»Super«, sagte er ohne Enthusiasmus.
»Wo haben Sie studiert?«, fragte Ava.
»York University.«
»Ich auch. Welcher Jahrgang?«
»1990.«
»Ah, ich war ein paar Jahre nach Ihnen dort.«
»Was Sie nicht sagen«, erwiderte er und sah sie zum ersten Mal direkt an. »Erzählen Sie mir, was das für ein Unternehmen ist, für das Sie arbeiten. Und wieso glauben Sie, dass Sie Lam finden können und, falls es Ihnen gelingt, dass Sie einen Teil des Geldes wiederbeschaffen können?«
»Meine Firma ist in Hongkong angesiedelt«, antwortete sie, erfreut, dass er zur Sache kommen wollte. »Aufträge wie diesen übernehmen wir seit mehr als zehn Jahren. Menschen, die um ihr Geld gebracht werden und es auf traditionelle Weise nicht zurückbekommen, wenden sich an uns. Unsere Klientel sitzt vorwiegend in Asien. Wir haben eine außerordentlich hohe Erfolgsrate.«
»Am Telefon haben Sie gesagt, dass Sie wissen, wo Lam sich aufhält. Stimmt das?«
»Ja.«
»Spielt aber auch keine Rolle. Ich glaube nicht, dass er das Geld hat«, fuhr Lac fort.
»Irgendjemand hat es. Das Geld ist irgendwo hingegangen.«
»Und Sie werden es finden?«
Ava zuckte die Achseln. »Sie hatten Ärger auf der Arbeit deswegen?«
»Ein Klient hat Geld in den Fonds investiert.«
»Und mit Ihrer Familie?«
»Einer meiner Onkel.«
»Wie heißt er?«
»Louis Lac.«
Der Name klang vertraut. Ava holte ihr Notizbuch hervor und ging die Einträge durch, die sie in dem vietnamesischen Restaurant gemacht hatte. Da war er – er war um zwei Millionen Dollar betrogen worden.
»Ihr Onkel ist einer meiner Klienten. Er gehört zu denen, die uns beauftragt haben.«
Die Har Gau, Shrimps in Teigtaschen, wurden serviert, und Joey langte zu. Ava wartete, bis er sein erstes Har Gau verspeist hatte. Dann fragte sie: »Woher kennen Sie Lam?«
»Wir waren zusammen an der Uni. Wir haben im selben Jahr unseren Abschluss gemacht, und wir haben beide ein paar Jahre bei der Commonwealth Bank gearbeitet, ehe unsere Wege sich trennten. Wir sind immer in Verbindung geblieben. Wir waren eine ganze Clique, alles Vietnamesen – wir haben immer zusammengehalten. Es war ein gutes Netzwerk, ehe Lam diese Scheiße gebaut hat.«
Ava nahm sich ein Har Gau aus dem Bambuskörbchen und tunkte es in Chilisauce. »Sie waren also nicht der Einzige, der Interessenten Lams Fonds empfohlen hat.«
»Nein, aber ich bin der Einzige, auf den man mit einem Baseballschläger losgegangen ist.«
»Das war unnötig«, sagte sie. »Menschen werden zuweilen zu emotional, wenn es um Geld geht.«
Die übrigen Gerichte wurden serviert. Während Lac sich die Hühnerfüße vornahm, fragte Ava: »Was für ein Mann ist Lam?«
Lac hielt inne. »Ich dachte … Ich hielt ihn für einen guten Kerl, zumindest für einen anständigen. Er war Wirtschaftsprüfer, genau wie Sie und ich, und er hat seinen Beruf ernst genommen. Bis diese Scheiße passiert ist, hätte ich ihm ohne zu zögern mein Geld anvertraut.«
»Aber das haben Sie nicht.«
»Ich hatte nicht genug Geld, um in diesen Fonds einzusteigen.«
»Glück gehabt«, erwiderte Ava und bereute es auf der Stelle. Seine bisherige Schilderung verdiente keinen Sarkasmus. »Entschuldigung, ich habe es nicht so gemeint.«
»Ich habe mir schon Schlimmeres anhören müssen. Früher habe ich meinen Onkel immer gern besucht, aber die Zeiten sind vorbei. Und Bobby Ng und ich sind jahrelang Freunde gewesen. Auch vorbei. Lam hat das alles ruiniert.«
»Und Sie hielten ihn für einen guten Kerl.«
»Jep. Und in meinem tiefsten Inneren tue ich das bis heute.«
»Wieso?«
»Wenn Sie ihn finden, werden Sie das verstehen«, erwiderte Lac.
»Was soll das heißen?«
»Lam ist so klein, dass sein Vater ihn überreden wollte, Jockey zu werden. Und er ist ebenso schüchtern, wie er klein ist. An der Uni war er der Typ, der immer versucht hat, es allen recht zu machen – der sich mit allen gut stellen wollte. Er hat mir fast ein wenig leidgetan, bis ich ihn etwas besser kennenlernte und mitbekam, wie clever er ist und wie integer. Er könnte keiner Fliege was zuleide tun, wirklich nicht. Ich habe keine Ahnung, wie er in dieses Schlamassel geraten konnte, aber ich bin überzeugt, dass das so nicht geplant war – also dass keine böse Absicht dahintersteckte.«
»Wie können Sie da so sicher sein?«
»Ich habe ihn gesehen, gleich nachdem der Scheiß anfing. Das erste Mal, als er Probleme hatte, die Zahlungen zu leisten. Er hat mir erzählt, er hätte das komplette Geld investiert und dass die Ausschüttungen sich verzögerten, weil die Bank Schwierigkeiten mit einer neuen Software hätte. Er hat mir geschworen, dass das Geld sicher wäre, und ich habe ihm geglaubt.«
»Warum?«
»Ich hatte nicht den Eindruck, dass er mir was vorlog. Er war offenkundig besorgt, aber er konnte mir in die Augen sehen. Das hat mich überzeugt.«
»Sie haben ihn mehr als einmal getroffen?«
»Ja, ungefähr eine Woche später kam mein Onkel zu mir und bat mich, mit Lam zu sprechen, um sein Geld aus dem Fonds abzuziehen. Ich habe mich mit Lam in der Stadt getroffen. Er war ein völliges Wrack – er zitterte, er stotterte, er konnte gar nicht klar denken, er wirkte fast desorientiert. Er hat mir erzählt, dass er nicht schlafen könne und dass er Pillen nehme und angefangen habe zu trinken. Er hat sich ganz und gar nicht wie jemand verhalten, der Millionen von Dollar beiseitegeschafft hat und sich damit aus dem Staub machen wollte.«
»Was hat er in Bezug auf das Geld Ihres Onkels gesagt?«
»Er hat gesagt, im Vertrag stehe, dass mein Onkel ihm dreißig Tage vorher Bescheid geben müsse, ehe er sein Geld zurückfordern könne.«
»Stimmt das?«
»Keine Ahnung. Es war mir auch egal. Ich habe ihn dennoch gedrängt, als Freund. Er hat gesagt, er könne mir nicht helfen, und ist bloß noch nervöser geworden.«
»Und Sie hatten nicht den Verdacht, dass etwas nicht stimmt?«
»Er hat gesagt, die Art und Weise, wie die Investoren auf die verspätete Dividendenausschüttung reagiert hätten, habe ihn sehr bestürzt«, antwortete Lac. »Und nach dem, was Bobby Ng mir angetan hat, kann ich ihm das nicht verdenken.«
»Wie gesagt, das war vollkommen unangemessen.«
»Vielleicht machte Lam sich Sorgen wegen jemandem wie Bobby – jemandem, der vielleicht etwas Tödlicheres einsetzen würde als einen Baseballschläger.«
»Sie haben ihn nicht gefragt?«
»Ich war nicht gerade voll bei der Sache. Ich war mit der Frage beschäftigt, wie mein Onkel reagieren würde.«
Ava warf einen Blick in ihr Notizbuch. »Er hat das Geld in bar eingesammelt, richtig?«
»Das ist die vietnamesische Art.«
»Und bei der Bank Linno eingezahlt?«
»So hat er gesagt.«
»Was wissen Sie über diese Bank?«
Lac zuckte die Achseln. »Sie hatte eine Zweigstelle hier. In der College Street. Sie ist mittlerweile geschlossen.«
Ava verschlug es den Atem. »Woher wissen Sie das?«
»Ich bin dagewesen. Nachdem Lam verschwunden war, war das eine der wenigen Spuren, denen ich nachgehen konnte.«
»Und sie war geschlossen?«
»Ich habe mit einem Buchhalter gesprochen, der ein Büro auf derselben Etage hat, und er hat mir erzählt, dass sie übers Wochenende die Biege gemacht hätten. Der Vermieter war nicht besonders erfreut.«
»Kannte der Buchhalter jemanden, der dort gearbeitet hat?«
»Ich glaube nicht. Ich habe ihn nicht gefragt. Ich habe dann den Vermieter kontaktiert, um zu sehen, ob er mir den Namen und die Telefonnummer der Person gibt, die den Mietvertrag unterschrieben hat. Das hat er getan. Es war ein Typ aus Indonesien, den der Vermieter aufzuspüren versuchte.«
»Haben Sie in Indonesien angerufen?«
»Hab ich. Der Typ ist weder rangegangen, noch hat er mich zurückgerufen.«
»Wissen Sie seinen Namen noch?«
»Ich habe ihn im Büro.«
»Können Sie ihn mir zusammen mit der Telefonnummer mailen?«
»Klar.«
»Und den Namen und die Telefonnummer des Vermieters bitte auch.«
Lac runzelte die Stirn und presste die Lippen zusammen. »Ich mache das, aber ich glaube, Sie verschwenden Ihre Zeit.«
Ava schüttelte den Kopf und reichte ihm ihre Karte. »Meine E-Mail-Adresse steht hier drauf«, sagte sie. »Diese Sache mit der geschlossenen Zweigstelle – das ist doch sehr merkwürdig. Das ganze Geld von Lam zu nehmen und dann, wenn er in finanzielle Probleme gerät, die Türen zu verschließen …«
»Natürlich ist das seltsam, aber es war ja auch keine gewöhnliche Bank. Das Büro war im siebten Stock eines heruntergekommenen Gebäudes, und nach dem, was mir der Buchhalter erzählt hat, hat es nie viel Publikumsverkehr gegeben.«
»Was für eine Art von Bank ist das eigentlich? Ich habe mir deren Website angesehen und kaum Informationen gefunden.«
»Auf dem Schild an der Tür stand PRIVATE INVESTMENT-BANK, von daher haben sie vermutlich keine gewöhnlichen Bankleistungen angeboten.«
»Hatten sie eine Banklizenz?«
»Nicht dass ich wüsste, und ich habe gründlich recherchiert.«
»Da bin ich sicher«, erwiderte Ava.
»Es ist eine Sackgasse.«
»Wann haben Sie Lam das letzte Mal gesehen oder von ihm gehört?«
»Als ich mich mit ihm getroffen habe, um ihn zu bitten, meinem Onkel sein Geld zurückzugeben.«
»Hat er jemals über die Bank gesprochen?«
»Nicht ein Wort.«
»Und Sie glauben wirklich nicht, dass Lam sich mit dem Geld aus dem Staub gemacht hat?«
Lac warf den Kopf in den Nacken und kniff die Augen zusammen. »Nein, aber ich wünschte, ich würde es glauben. Das wäre einfacher, denn dann bestünde zumindest die leise Hoffnung, es zurückzubekommen. Aber es sieht Lam nicht ähnlich, Geld zu veruntreuen. Das ist nicht seine Art.«
»Das sagen Sie«, entgegnete Ava. »Aber wenn er es nicht veruntreut hat, wo ist es dann abgeblieben?«