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DER PARKPLATZ DES CASINOS füllte sich bereits, und spätestens um sechs Uhr würde er über das lange Wochenende übervoll sein.

»Fahr weiter um die Ecke. Ich habe Theresa gesagt, wir würden sie da treffen, wo die Busse alle ankommen.«

Dort war keine Parklücke zu sehen, und die Autos kreisten umher wie die Geier. Ava fädelte sich in den Reigen ein; sie begann sich über die Vagheit ihrer Mutter zu ärgern. »Noch fünf Minuten – dann setze ich dich ab und verschwinde«, sagte sie.

Jennie Lee hielt ihre Aufmerksamkeit auf den Casino-Eingang gerichtet und ignorierte die Bemerkung ihrer Tochter.

»Hast du mich gehört?«

»Da ist sie«, sagte sie dann. »Die kleine Frau in Jeans und der roten Bluse.«

Ava fuhr so nah wie möglich an den Eingang des Casinos heran und hielt. Jennie öffnete die Tür und lief zu Theresa hinüber. Sie sprachen kurz miteinander; Jennie schien ins Casino hineingehen zu wollen, aber Theresa schüttelte den Kopf. Dann kamen die beiden Frauen auf den Wagen zu. Jennie stieg vorn ein, Theresa hinten.

»Theresa sagt, sie kann nicht im Casino mit uns sprechen. Angestellten ist es nicht erlaubt, mit Gästen Umgang zu haben«, erklärte Jennie. »Auf dem Highway 14 gibt es kurz vor der Rama Road einen Tim Hortons Coffee-Shop. Warum fahren wir nicht dort hin?«

Ava versuchte an sich zu halten. Wenn Theresa doch wusste, dass sie im Casino nicht miteinander sprechen konnten, warum bat sie dann darum, sich hier mit ihr zu treffen? Warum nicht direkt bei Tim Hortons? Abgesehen davon wusste ihre Mutter, dass Ava Tim Hortons nicht leiden konnte; mit ihrem Vorschlag zahlte sie Ava heim, dass sie bei der Parkplatzsuche so grantig gewesen war.

»Es tut mir so leid, Ihnen diese Umstände zu bereiten«, sagte Theresa Ng.

Ava schaute im Rückspiegel in Theresas rundes Gesicht: blasse Lippen, kein Make-up; das Haar zu einem strengen Zopf zurückgebunden, so dass ihre nervös und verschüchtert blickenden Augen noch betont wurden. Die Frau lächelte, zeigte wunderschöne weiße Zähne, und ihre rechte Hand zupfte den Saum ihrer roten Seidenbluse zurecht.

»Kein Problem«, sagte Ava.

Tim Hortons war so typisch kanadisch wie Curling und das Tragen von Shorts, kaum dass die Frühlingstemperatur zehn Grad Celsius erreichte. Das Land liebte diese Kette, das wurde einmal mehr deutlich, als Ava sich mit ihrem Audi A6 auf dem Highway 12 dem Lokal näherte. Vor dem Drive-Through-Schalter hatte sich eine Schlange gebildet, die fast bis zur Hauptstraße reichte, und das war keineswegs ungewöhnlich – so sah es vermutlich in diesem Moment bei jedem Tim Hortons in ganz Kanada aus.

Ava fand eine Lücke auf dem vollen Parkplatz. Sie stieg aus und ging schnellen Schrittes zu dem Coffee-Shop hinüber; ihre Mutter und Theresa folgten ihr, ins Gespräch vertieft. Ava hörte, wie Theresa sich bei Jennie dafür entschuldigte, ihr so viel Mühe bereitet zu haben. Die Entschuldigung ist an die Falsche gerichtet, dachte Ava, aber sie schien aufrichtig gemeint, und die Frau machte einen sympathischen Eindruck.

Theresa bestand darauf, für Avas Flasche Wasser und Jennies Tee zu bezahlen. Sie fanden einen Tisch hinten im Lokal und wischten die Donut-Krümel und Kaffeeflecken mit einer Serviette fort.

»Theresa ist halb Vietnamesin, halb Chinesin«, erklärte Jennie noch einmal. »Ihre Mutter stammt ursprünglich aus Shanghai. Sie sind in den siebziger Jahren hierhergekommen, als die Kommunisten auch den Süden übernahmen. Sie und ihre Mutter und ihre drei Schwestern.«

»Meine beiden Brüder sind später nachgekommen«, fügte Theresa hinzu.

»Sie sind alle katholisch – so wie wir«, ergänzte Jennie.

Katholisch und teils aus Shanghai stammend. Kein Wunder, dass meine Mutter helfen will, dachte Ava.

»Wir wohnen alle in Mississauga, in derselben Straße«, fuhr Theresa fort. »Anfangs haben wir alle zusammen in einem Haus gelebt – meine Schwestern, meine Mutter und ich. Wir sind alle arbeiten gegangen, haben das Haus abbezahlt und dann ein weiteres gekauft, in das meine älteste Schwester nach ihrer Heirat mit ihrem Mann gezogen ist. Als wir auch das abbezahlt hatten, haben wir ein weiteres Haus gekauft und so weiter. Heute besitzen wir sechs Häuser in der Straße. Alle wohnen nah beieinander – es ist perfekt.«

»Sie haben es weit gebracht.«

Theresa senkte den Kopf, und um ihre Mundwinkel erschienen Sorgenfalten. »Wir hatten es zu noch weit mehr gebracht.«

Ava wartete darauf, dass sie fortfuhr. Als das nicht geschah, tätschelte Jennie Theresas Hand. »Sie müssen sich nicht schämen.«

»Erzählen Sie mir, was passiert ist, und lassen Sie sich ruhig Zeit«, sagte Ava.

Theresa blickte auf. Zorn blitzte durch die aufsteigenden Tränen. »Meine Familie hat Geld in einen Fonds investiert, der von einem Mann verwaltet wurde, der der Freund eines Freundes meines ältesten Bruders ist. Angeblich war es eine sichere Geldanlage, mit einer Rendite von ungefähr zehn Prozent im Jahr.«

Der Name Ponzi schoss Ava durch den Kopf. Der Mann hatte mit seiner Betrugsmasche in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zahlreiche Anleger in den USA um ein beträchtliches Vermögen gebracht.

»In den ersten zwei Jahren trafen die Schecks mit der Ausschüttung jeden Monat pünktlich wie ein Uhrwerk bei uns ein, also haben wir mehr und mehr Geld investiert«, fuhr Theresa fort. »Dann begannen die Probleme, und es ging alles sehr schnell. Eines Tages kam der Scheck zu spät – vielleicht zwei Wochen später –, und die Leute wurden schon nervös. Aber dann kam die Zahlung, zusammen mit einem Schreiben, in dem es hieß, bei der Bank habe es ein kleines technisches Problem gegeben. Doch im darauffolgenden Monat ließ die Zahlung wieder auf sich warten. Mein Bruder ist zum Büro des Anlageberaters gegangen und stand vor verschlossenen Türen. Das war’s dann. Ende. Aus.«

»Wie hieß der Finanzdienstleister?«

»Emerald Lion.«

Ava ging ihr Gedächtnis durch, wurde aber nicht fündig. »Ich erinnere mich nicht, von denen je gelesen oder gehört zu haben.«

»Sie wurden in Sing Tao und den anderen chinesischen Zeitungen erwähnt«, sagte Jennie.

»Und in den vietnamesischen«, fügte Theresa hinzu.

»Wann?«

»Vor etwa sechs Monaten.«

»Und was hatten die Zeitungen zu sagen?«

»Wie meinen Sie das?«

»Wie wurde darüber berichtet? Wurde davor gewarnt?«

»Zwischen den Zeilen. Aber sie waren sehr vorsichtig, weil niemand von ihnen mit Lam Van Dinh gesprochen hatte.«

»Er hat den Fonds verwaltet?«

»Ja.«

»Und was haben die zuständigen Behörden gesagt?«

Theresas Gesicht wurde ausdruckslos.

Ava fragte weiter: »Der Fonds war registriert, oder? Die Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde hat ihn doch sicherlich geprüft?«

»Ich weiß von keiner Aufsichtsbehörde, und ich habe keine Ahnung, ob der Fonds registriert war.«

»Theresa, eine Abteilung der Ontario Securities Commission befasst sich mit Investmentfonds. Um legal in der Provinz operieren zu dürfen, musste Emerald Lion bei ihnen registriert sein.«

»Darüber weiß ich nichts.«

»Nun, dann gibt es auch noch die Polizei. Sie sind doch sicher zur Polizei gegangen?«

»Einer der anderen, die ihr Geld verloren haben, ist zur Polizei gegangen, hat dann aber beschlossen, die Sache nicht weiterzuverfolgen.«

»Und warum nicht?«

Theresas verkniffene Miene verriet ihr Unbehagen. Sie warf Jennie einen flüchtigen Blick zu, Fragezeichen in den Augen.

»Sie hatten Angst«, erklärte Jennie Lee.

»Wovor?«

Jennie wandte sich an Theresa. »Sie können Ava vertrauen, das habe ich Ihnen doch gesagt. Sie hat schon Menschen mit größeren Problemen als Ihrem geholfen, und sie weiß, wie man den Mund hält. Nicht wahr, Ava?«

»Mummy, ich bin nicht sicher –«

»Theresa, erzählen Sie ihr, was passiert ist«, sagte Jennie beharrlich.

»Bargeld.«

Ava blinzelte. »Jetzt bin ich mehr als verwirrt.«

»Sie alle haben diesem Lam Bargeld gegeben«, sagte Jennie.

»Das war die Idee meines Bruders«, ergänzte Theresa. »Er sprach mit einem Freund, der einige vietnamesische Lebensmittelgeschäfte mit veralteten Registrierkassen besitzt, aus denen er Geld genommen hat. Das Problem war, dass er mehr Bargeld hatte, als er ausgeben konnte, ohne Verdacht zu erregen. Ich meine, versuchen Sie mal ein Auto bar zu bezahlen oder ein Haus. Und dann hatte er Angst vor der kanadischen Steuerbehörde und der Polizei. Man kann solches Geld heute nicht mehr einfach bei einer Bank einzahlen, ohne dass sie tausend Fragen stellen. Also ist er mit Lam ins Geschäft gekommen.«

»Und was hat Lam mit dem Geld gemacht?«

»Es hieß, er habe ein Arrangement mit der Bank Linno in Indonesien getroffen. Sie hätten eine Niederlassung in Toronto. Er würde das Geld dort auf das Fondskonto einzahlen. Er sagte, er hätte Hunderte von kleinen Investoren in diesem Fonds und dass er jede Woche Geld von ihnen bekäme und deshalb regelmäßig investieren könne, ohne die ganzen Umstände, die ihm die kanadischen Banken bereiten würden.«

»Wie viele Investoren gab es?«

Theresa zuckte die Achseln. »Das weiß ich nicht genau, aber nicht mehrere Hundert, denn beim ersten Mal musste man mindestens Hunderttausend in bar einzahlen.«

»Alle haben bar eingezahlt?«

»Natürlich. Das war der Sinn und Zweck.«

»Sie meinen, Geldwäsche war der Sinn und Zweck?«

»Wir wollten doch bloß unser Geld ausgeben, ohne dass uns die Behörden auf die Schliche kamen.«

»Sie haben also Bargeld eingezahlt und Schecks von einer angeblich seriösen Investmentgesellschaft erhalten, richtig?«

»Ja.«

»Und diese Schecks wurden bei der Bank in Indonesien gutgeschrieben?«

»Ja.«

»Also gab es keine Nachfragen von Seiten der Bank, und Sie konnten Geld abheben, wie Sie wollten, ohne sich Sorgen machen zumüssen.«

»Ja.«

»Haben Sie diese Einkünfte der kanadischen Steuerbehörde gemeldet?«

»Nein. Lam hat gesagt, das bräuchten wir nicht.« Theresa spielte nervös mit ihrer Serviette.

»Das ist Unsinn. Die Investmentgesellschaft hätte für alle Auszahlungen T5-Bescheinigungen für Einkünfte aus Kapitalvermögen ausstellen müssen.«

»Sie haben uns nichts dergleichen ausgestellt. Sie haben uns nur einen monatlichen Kontoauszug geschickt, aus dem hervorging, wie viel Geld wir in dem Fonds hatten.«

»Haben sie Ihnen gesagt, wie das Geld investiert wurde?«

»Nein.«

»Diese Menschen setzen nicht viel Vertrauen in Behörden oder Banken«, sagte Jennie zu Ava, als säße Theresa nicht direkt neben ihr.

»Sieht ganz so aus, aber ihr Vertrauen in einen Fonds zu setzen, der vermutlich weder reguliert noch registriert war und dessen Hauptvorzug darin lag, dass er von einem vietnamesischen Landsmann verwaltet wurde, scheint sich nicht bewährt zu haben«, erwiderte Ava. Sie sah, wie Theresa errötete. »Tut mir leid«, sagte sie. »Ich wollte nicht so hart sein.«

»Schon gut, Sie haben ja vollkommen recht.«

»Theresa, wie lange waren Sie an dem Fonds beteiligt?«

»Über zwei Jahre.«

»Wie viel haben Sie in der Zeit ausbezahlt bekommen?«

»Über zweihunderttausend Dollar.«

»Mein Gott. Wie viel Geld hatten Sie denn investiert?«

»Fast drei Millionen Dollar.«

Ava glaubte sie falsch verstanden zu haben und fragte nach: »Sie meinen, die gesamte Fondseinlage belief sich auf drei Millionen?«

»Nein, sie belief sich auf über dreißig Millionen, soweit wir wissen. Meine Familie hatte drei Millionen investiert.«

»Wie sind Sie –«, begann Ava.

Jennie fiel ihr ins Wort. »Theresa, ich hätte gern noch einen Tee. Sind Sie so nett, mir noch einen zu holen? Und Ava, was ist mit dir? Noch ein Wasser?«

Theresa schien nur allzu froh, sich davonmachen zu können. Als sie außer Hörweite war, sagte Jennie zu Ava: »Ich weiß, was du fragen wolltest, und ich finde nicht, dass du diese Frage stellen solltest. Spielt es wirklich eine Rolle, wie sie an so viel Bargeld gekommen sind? Sie alle arbeiten hart und sie sparen eisern. Belass es dabei. Es ist unangenehm genug für sie.«

»Mummy, indem sie die Einkünfte nicht angegeben haben, haben sie bereits gegen das Gesetz verstoßen. Das Geld dann zu waschen verschlimmert den Tatbestand.«

»Seit wann bist du so kanadisch-korrekt?«, fragte Jennie. »Dürfen nur die Großen und Reichen tun, was immer sie wollen, um Steuerzahlungen zu vermeiden?«

»Das ist nicht der Punkt.«

»Nein, der Punkt ist, dass Theresa und ihre Familie jahrelang geschuftet und alles wieder in ihre Familie gesteckt haben, und nun ist das Geld weg und sie möchten, dass du ihnen hilfst, es wiederzubeschaffen. Damit verdienst du doch deinen Lebensunterhalt, stimmt’s?«

»Das weißt du.«

»Und wenn du das in Asien machst, seid ihr, du und Onkel, dann auch so kleinlich, wenn es darum geht, wie eure steinreichen Klienten an ihr Geld gekommen sind und wie sie es wieder in ihren Besitz bringen?«

Ava lehnte sich zurück und starrte ihre Mutter an. »Du weißt nichts über die meisten meiner Klienten und über die gebührende Sorgfalt, mit der wir vorgehen«, erwiderte sie.

»Ich kenne Tommy Ordonez, weil du mich um Hilfe gebeten hattest, erinnerst du dich? Du musstest seine Schwägerin in Vancouver ausfindig machen. Als du mich angerufen hast, habe ich dich da gefragt, wie Ordonez zum reichsten Mann der Philippinen geworden ist? Habe ich dich nach der gebührenden Sorgfalt gefragt? Ich kann mich nur erinnern, dass meine Tochter meine Hilfe gebraucht hat.«

Ava und Onkel hatten mehr als fünfzig Millionen Dollar für Ordonez zurückgeholt – Geld aus seinen Unternehmen, das sein Bruder bei einem Online-Poker-Betrug verloren hatte. In Avas Kopf tauchte ein Argument nach dem anderen auf, was den Unterschied zwischen jenem Fall und Theresa Ngs Problem anging, und verschwand ebenso schnell wieder. Aus Auseinandersetzungen mit ihrer Mutter ging sie selten als Siegerin hervor, und schon gar nicht, wenn Jennie beschlossen hatte, dass sie keinen Millimeter nachgeben würde, egal was Ava an logischen Argumenten aufbieten mochte.

Theresa kehrte mit zwei Tassen und einer Flasche Wasser auf einem Tablett zurück. Sie wich Avas Blick aus, und Ava verspürte einen Anflug von Mitleid mit ihr.

»Also, Theresa, dieser Lam hat aufgehört, Ihnen Dividenden zu zahlen, und ist seit sechs Monaten verschwunden«, sagte sie, als Theresa ihnen die Getränke hingestellt und sich wieder hingesetzt hatte.

»Ja, so in etwa.«

»Und weder Sie noch irgendjemand von den anderen, die Geld verloren haben, hat sich an die Behörden gewandt – bis auf die eine Person, die zur Polizei gegangen ist, dann aber einen Rückzieher gemacht hat.«

»Ja, so ist es.«

»Sie haben also absolut nichts unternommen, um zu versuchen, Ihr Geld zurückzubekommen?«

»Wir haben versucht, Lam ausfindig zu machen.«

»Wie?«

»Wir haben einen Privatdetektiv engagiert. Einen Kanadier. Ich glaube nicht, dass er uns wirklich ernstgenommen hat.«

»Und was hat er herausgefunden?«

»Nichts.«

»Und wieso glauben Sie, ich könnte mehr Erfolg haben?«

»Wir glauben zu wissen, wo Lam jetzt ist.«

»Sie glauben es?«, fragte Ava.

»Vor vier Tagen hat mich meine Schwester angerufen, die zusammen mit meiner Mutter Verwandte in Saigon besucht – Ho-Chi-Minh-Stadt, wie es heute heißt, aber für uns ist es immer noch Saigon. Sie hatten unsere Cousins und Cousinen zum Essen ins Hyatt im Zentrum eingeladen, und als sie gingen, fuhr ein großer BMW vor dem Hotel vor. Meine Schwester schwört, dass sie Lam aus dem Wagen steigen und ins Hotel gehen sah.«

»Woher wusste sie, dass er es war?«

»Sein Foto war in allen hiesigen vietnamesischen Zeitungen, als die Fondsgesellschaft in Schwierigkeiten geriet, und meine Schwester sagt, dass sie ihn von dem Foto her erkannt hat. Und natürlich hat sie ihn bei seinem Namen gerufen. Sie hat gesagt, er habe sich sofort umgedreht, sie angesehen und sei dann ins Hotel gerannt.«

»Er war es«, sagte Jennie und nickte Theresa zu.

Theresa erwiderte ihr Nicken und schaute dann Ava an. Aus ihren Augen war die Ungewissheit verschwunden und von einem Zorn ersetzt worden, der an Hass grenzte. »Ich war gleichzeitig aufgebracht und glücklich. Ich habe mit meiner übrigen Familie gesprochen, und wir haben meine Schwester gebeten, jeden Abend zu dem Hotel zurückzukehren und zu sehen, ob sie mit ihm sprechen könnte. Er hat sich nicht wieder blicken lassen. Unterdessen habe ich Ihrer Mutter alles erzählt, und sie war so freundlich, auf die Möglichkeit hinzuweisen, dass Sie uns vielleicht helfen könnten.«

»Ich habe keine Versprechungen gemacht«, versicherte Jennie Ava. »Ich habe Theresa nur erzählt, dass du und der Mann in Hongkong, mit dem du zusammenarbeitest, sehr gut darin seid, Geld wiederzubeschaffen. Das stimmt doch schließlich, oder?«

»Ja, mehr hat sie nicht gesagt«, bestätigte Theresa.

Ava verspürte den Druck dennoch. »Sie müssen wissen, dass nicht ich entscheide, welche Fälle wir übernehmen und welche nicht. Ich muss mit meinem Boss in Hongkong sprechen. Sie haben uns nicht gerade viele Anhaltspunkte geliefert. Ich meine, ein mögliches Auftauchen vor einem Hotel –«

»Meine Schwester hat sein Autokennzeichen aufgeschrieben – das haben Sie also auch.«

»Gut, das ist hilfreich, aber die Summe, um die es geht, spielt ebenfalls eine Rolle. Ich möchte Sie nicht beleidigen, Theresa, oder die Bedeutung herunterspielen, die sie für Sie hat, aber es ist weniger, als wir normalerweise in Erwägung ziehen würden.«

Theresa warf Jennie einen flehenden Blick zu.

»Aber du wirst mit Onkel reden, ja?«, fragte Jennie.

Ava seufzte. Sie wusste, dass ihre Mutter kein Nein als Antwort akzeptieren würde. »Okay, ich rede mit ihm. Aber ich verspreche nichts.«

»Danke«, sagte Theresa.

»Und dann ist da noch unser Honorar. Wir kommen für unsere Auslagen auf – für alle –, aber wir behalten dreißig Prozent ein von dem, was wir eintreiben. Ist das annehmbar für Sie?«

»Und wenn Sie nichts zurückholen?«

»Dann sind die Ausgaben dennoch unsere Kosten, nicht Ihre.«

Theresa nickte. »Siebzig Prozent von etwas ist besser als hundert Prozent von nichts.«

»Müssen Sie mit Ihrer Familie sprechen?«

»Nein, ich kann die Entscheidung treffen, und ich denke, dass es ein faires Angebot ist.«

»Okay. Ich muss dennoch mit Hongkong sprechen, um grünes Licht zu bekommen.«

»Ava, kannst du ihr nicht jetzt gleich zusagen?«, drängte Jennie sie.

»Mummy, das geht nicht.«

»Aber du gibst dein Bestes, was Onkel angeht, ja?«

»Ja, ich gebe mein Bestes, aber ich kann nichts versprechen.«

»Ava.« Jennie ließ nicht locker.

»Ich kann nichts versprechen«, wiederholte Ava.

Der schottische Bankier von Surabaya

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