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Kapitel 8 2010 – Charleston SC, USA
Daniela

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Der Besuch bei ihrer Großtante Maria bewegte Daniela sehr, vor allem, weil sie meinte, bei ihr eine gewisse Ähnlichkeit mit ihrer Mutter entdeckt zu haben. Sie starrte noch eine Weile auf die Großtante, die regungslos vor ihr lag, bevor sie Lukas ein Zeichen zum Aufbruch gab.

„Was machen wir jetzt?“, fragte er draußen im Gang. „Viel mehr werden wir aus ihr nicht herausbekommen.“

„Vor allem nicht, wenn man Mischke heißt. Sie hat uns erst rausgeschmissen, als du deinen Nachnamen genannt hast.“

Lukas blieb abrupt stehen. „Was willst du damit sagen?“

„Dass sie eindeutig auf deinen Namen reagiert hat.“

Als er seinen Mund öffnete, ohne etwas zu sagen, ging sie los und ließ ihn stehen. Um mehr zu erfahren, würden sie mit der Tochter reden müssen. Einige Schritte weiter bemerkte sie, dass Lukas ihr nicht gefolgt war. „Was ist?“

„Natürlich kennt sie den Namen Mischke. Mein Urgroßvater war damals der zuständige Blockwart. Aber das muss noch lange nichts heißen.“

„Offenbar war der bei unserer Familie nicht gerade beliebt.“

„Woraus schließt du das?“

„Aus ihrer Reaktion.“

„Na ja, so schlimm war die nicht.“

„Wenn du meinst. Komm, wir suchen ihre Tochter auf. Vielleicht erfahren wir von ihr mehr.“

Das Navigationssystem führte sie mitten ins French Quarter, der Altstadt von Charleston. Die Stadt lag auf einer Halbinsel, die von zwei Flüssen umrahmt wurde, die sich in den Atlantik ergossen. Alte, mit spanischem Moos behangene Eichen säumten eine Kopfsteinpflasterstraße, die an stattlichen „Antebellum“-Häusern vorbei zum Battery Park führte. Das Flair der alten Südstaaten war nirgends deutlicher zu spüren als hier.

„Wie aus einer anderen Zeit“, sagte sie. „Ich habe mich ein bisschen über die Stadt schlaugemacht. Hier haben die ersten Kampfhandlungen des Bürgerkriegs stattgefunden; dort drüben auf der Insel, am Fort Sumter.“

„Die Häuser haben sicherlich reichen Familien gehört, die sich Sklaven hielten – vor dem Bürgerkrieg natürlich.“

„Gottseidank gibt’s das heutzutage nicht mehr.“

„Doch, man nennt sie jetzt nur anders.“ Er zwinkerte ihr zu und deutete auf eines der Häuser. „Das da muss es sein.“

Sie vergewisserte sich noch einmal durch einen Blick auf den Zettel, auf dem sie sich die Adresse einer Susann Walker aufgeschrieben hatte. „Stimmt. Wow! Wie geil ist das denn?“

„Die Hütte kostet bestimmt einige Milliönchen. Deine Familie scheint nicht gerade am Hungertuch zu nagen. Da können wir Mischkes nicht mithalten.“

„Na ja, nicht jeder kann es sich leisten, einen Cezanne auf dem Speicher verstauben zu lassen.“

„Man gönnt sich ja sonst nichts“, sagte er schmunzelnd.

Auf der Terrasse vor dem Haus saß ein älteres Paar auf rotgepolsterten, weißen Metallstühlen. Der Mann fuhr mit dem Finger auf seinem Handy herum, während die Frau in ein Tablet vertieft war.

„Wie du siehst, haben sogar hier die neuesten Errungenschaften der Technik Einzug gehalten“, sagte Lukas. „Misses Walker?“

Die Dame hob den Kopf und deutete auf die Haustür. „Inside. We’re just guests.”

Erst jetzt bemerkte Daniela das Schild an der Eingangstür. B&B The Fine Mansion, stand darauf zu lesen. Als sie eintraten, blickte eine hinter dem Tresen der Rezeption stehende Frau auf. Sie trug die dunklen Haare zusammengebunden und musste in ihrem Alter sein.

„Excuse us“, sagte Lukas und erklärte, wen sie suchten.

„Ich bin Susann“, erwiderte die Frau auf Deutsch mit amerikanischem Akzent. „Sie wünschen?“

Leicht verdattert sagte Daniela: „Wir suchen Frau Susann Walker.“

„Das bin ich.“

„So jung?“

Susann zog ihre Augenbrauen nach oben und richtete sich aus ihrer gebückten Haltung auf. „Ich verstehe nicht.“

„Wir gingen davon aus, eine ältere Frau anzutreffen. Übrigens, ich bin Daniela Kiesling aus München.“

Aus Susanns Gesicht verschwand die Skepsis. „München? Meine Mamaw stammt von dort.“

„Maria Hahnbaum? Sie kann unmöglich ihre Mutter sein.“

„Mamaw ist der amerikanische Kosename für Großmutter. Woher kennen Sie sie?“

„Sie sprechen sehr gut Deutsch“, bemerkte Lukas.

„Ich habe eine Weile in Berlin gelebt. Worum geht es?“

Daniela hatte ihre Überraschung überwunden und erzählte Susann in knappen Worten, dass sie mit Maria verwandt sei und mehr über sie erfahren wolle.

Susann hörte konzentriert zu. „Das ist hochinteressant. Vermutlich kann ich Ihnen sogar mehr behilflich sein, als sie annehmen. Mamaw hat ihre Geschichte nämlich aufgeschrieben, als sie merkte, dass ihr Erinnerungsvermögen nachlässt.“

„Es wäre toll, wenn wir das lesen dürften“, sagte Lukas.

„Später. Ich muss hier erst noch einiges erledigen. Wo wohnen Sie?“

„Wir haben noch nichts gebucht. Vielleicht hätten Sie Zimmer frei?“, fragte Daniela. „Das wäre echt super.“

„Ein Doppelzimmer?“

Hitze stieg in Danielas Wangen und auch Lukas wurde rot. „Nein, zwei Einzelzimmer.

Susann nickte wissend. „Mamaw hat das Haus gekauft, umgebaut und dann renoviert. Für wie lange bräuchten Sie die Zimmer?“

Also musste Maria über finanzielle Mittel verfügen. Bislang hatte sie ihre Familie weder als arm noch als besonders reich erachtet. „Für drei Tage nur, dann fliegen wir zurück.“

Susann schaute in ein Buch auf dem Tresen, dann in den Computer. „Drei Nächte ist okay.“

„Prima. Bist du damit einverstanden, Lukas?“

Der nickte bloß. „Schade, dass zwei Zimmer frei sind. Ich hätte mir das sehr romantisch im Doppelzimmer vorgestellt.“

„Na na, Herr Mischke.“

„Sie sind ein Mischke?“, fragte Susann und runzelte die Stirn.

Die Frage war berechtigt, denn sie hatte vorhin nur seinen Vornamen erwähnt. „Offenbar ist Ihre Familie nicht gut auf den Namen zu sprechen?“

„Nicht wirklich, um es höflich auszudrücken. Aber Sie werden es selbst lesen.“

Am Nachmittag machte Daniela es sich auf der überdachten Terrasse auf einem weißen Rattansofa mit blauen Kissenbezügen bequem. Ein Deckenventilator machte die Hitze einigermaßen erträglich. Susann hatte ihnen eine Karaffe mit Wasser gebracht, in der aufgeschnittene Zitronenscheiben für Aroma und viele Eiswürfel für Frische sorgten.

Der Witterung entsprechend trug sie ein leichtes Sommerkleid, während Lukas sich mit Shorts und T-Shirt den männlichen Gästen angepasst hatte. Ihm fehlte jetzt nur noch ein Basecap auf dem Kopf, um als Ami durchzugehen. Entspannt zurückgelehnt und offensichtlich in Gedanken versunken, saß er auf der zweiten Couch. In dem exotisch anmutenden Garten herrschten Ruhe und Frieden, Geräusche von draußen drangen kaum herein. Ein kleines Paradies.

Susann erschien und legte vier Notizbücher in verschiedenfarbigen Stoffumschlägen auf den Tisch.

„Hier sind die Aufzeichnungen“, sagte Susann und setzte sich auf den Sessel neben Daniela. „Das rot eingebundene ist das erste.“

„Soll ich vorlesen, Lukas?“

„Es wäre einfacher, wenn sich der Herr neben Sie setzen würde, dann können sie gemeinsam lesen“, sagte Susann.

Lukas warf Daniela einen fragenden Blick zu. Was war bloß in ihn gefahren? Anfangs war er ihr aufgeschlossener vorgekommen. „Prima Idee“, sagte sie und klopfte mit der flachen Hand auf den freien Platz neben sich.

Er saß jetzt direkt neben ihr, damit er mit hineinsehen konnte, und rückte sogar noch ein bisschen näher, so dass sie die Wärme seiner behaarten Beine an ihren eigenen spüren konnte.

Lukas griff nach einem der Bücher und schlug es auf. Eine grazile, rechtsgeneigte Handschrift, mit schwungvollen Unter- und Oberlinien forderte sie zum Lesen auf, zog ihren Blick förmlich an sich.

„Sind Sie sicher, dass das im Sinn ihrer Mamaw ist?“, fragte sie.

„Ich glaube, sie würde sich wünschen, dass ihre Geschichte nicht vergessen wird. Sie werden pfleglich damit umgehen, nicht wahr?“

„Ganz bestimmt“, erwiderte Lukas.

„Sie haben mir noch nicht erklärt, warum Sie Daniela begleiten.“

Lukas presste die Lippen kurz zusammen und blickte zu Boden, bevor er tief Luft holte. „Ich will Ihnen nichts vormachen. Es geht um Bilder. Bilder, die mein Urgroßvater meinem Vater vererbt hat und deren Herkunft zweifelhaft ist.“

„Aus jüdischen Besitz?“

„Genau.“

„Dann sollten Sie unbedingt Marias Geschichte lesen. Sie wird Ihnen auf die richtige Spur helfen.“

„Gut, das machen wir.“

Daniela schlug die erste Seite auf. ‚Für Martin‘, stand als Widmung darauf geschrieben und darunter: ‚und für Franzl, ermordet von seinem besten Freund.‘

Marias Geheimnis

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