Читать книгу Gesund alt werden ist cool. Das Mikro-Nährstoff-Geheimnis - Imre Kusztrich - Страница 5
ОглавлениеVorwort
Sie sehen das im Augenblick für Ihr Schicksal womöglich am stärksten entscheidende Buch. Zum ersten Mal werden gewünschte Leistungen menschlicher Organe mit den für ihre Aktivitäten unerlässlich notwendigen Mikronährstoffen verbunden. Für das Gehirn. Für das Herz. Für die Leber und so weiter.
Theoretisch versetzen derartige Erkenntnisse jede und jeden von uns in die Lage, bewusst Gesundheit zu konsumieren.
Und wir alle sind nicht einmal nur auf Empfehlungen unabhängiger Ernährungsexperten angewiesen. Das Internet stattet uns mit Informationen in einer Vielfalt und Fülle aus, wie keine Generation vor uns sie erleben durfte. Plötzlich werden undenkbare Beispiele zu Leitfiguren. Nehmen wir Mick Jagger, Jahrgang 1943, seit 1962 das Gesicht der Band „The Rolling Stones“. Dass er seine Schulbildung an der angesehenen London School of Economics and Political Science erhielt, war angesichts seiner Drogen-Exzesse schnell vergessen. Es war nur eine Frage der Zeit, wann die Musikszene ihren nächsten Helden zu jung verliert. Dann der radikale Schnitt im Alter von 52 Jahren, den die britische Tageszeitung Financial Times so interpretierte: „Plötzlich wurde ihm bewusst: Alt werden ist cool, zu früh sterben nicht“. Der geläuterte Mick Jagger ist heute Ehrenpräsident der University of London, Ehrenmitglied seiner Schule und darf seit 2003 als Ritter den Namenszusatz Sir führen.
Es wäre so leicht. In der Realität fehlt jedoch völlig die Orientierung am verfügbaren Wissen auf breiter Front. In diesem Vakuum Gegenzug diktieren Nahrungskonzerne mit Unterstützung der größten Agenturen durch die beiden vorrangigen Einkaufskriterien Geschmack und Preis Millionen Menschen die Entscheidungen im Supermarkt. Was das unterm Strich bedeutet, haben die beiden Autoren dieses Buches in „Mein Speck kommt von eurem Dreck. Die Zerstörung der Nahrung“ (IGK-Verlag, 2020) auf 380 Seiten und gestützt von mehr als 30 alarmierenden wissenschaftlichen Studien im Detail beschrieben.
Hier einige der berechtigten Vorwürfe.
Von genialen Nahrungsmittelingenieuren geprägte sehr geschmackvolle Produkte aus denaturierten, raffinierten, billigsten Bestandteilen, darunter industriell in Massen hergestelltes Pflanzenöl, Mehl, Molkepulver und Zuckerarten, mit Emulgatoren und zahllosen anderen chemischen Hilfsmitteln, können die Wahrscheinlichkeit bestimmter Krebserkrankungen erhöhen und das Leben verkürzen.
Unter der Überschrift “Ultraprozessierte Nahrung und Krebs” veröffentlichte das “British Medical Journal”, BMJ, am 10. Januar 2018 den Befund aus der NutriNet-Santé-Studie von französischen und brasilianischen Forschern unter Führung der Pariser Universität Sorbonne. Sie bezeichneten ihre Ergebnisse als einen Weckruf an Gesundheitsbehörden, die Herstellung von Fertignahrungsmitteln strenger zu regulieren. Was hatten sie herausgefunden? Nichts weniger als den begründeten Verdacht, dass eine Zunahme um zehn Prozent oder mehr des Konsums von hochprozessierter Nahrung die Wahrscheinlichkeit von Krebs und speziell von Brustkrebs signifikant steigert. Dass dabei auch fast immer Übergewicht im Spiel war, fiel gar nicht mehr ins Gewicht.
Noch konkreter wurde das Journal der American Medical Association, der größten Standesvertretung der Ärzte und Medizinstudenten in den Vereinigten Staaten mit Sitz in Chicago, „JAMA Internal Medicine“, das am 11. Februar 2018 an Hand der Daten von 44.551 erwachsenen Männern und Frauen grundsätzlich eine höhere Sterblichkeit in Verbindung mit hochprozessierten essbaren Produkten meldete (Quelle: [93] „Association Between Ultraprocessed Food Consumption and Risk of Mortality Among Middle-aged Adults in France“).
Viele dieser umstrittenen Produkte sind ausgesprochen verführerisch und schaffen es trotzdem in die Bioregale.
Der brasilianische Ernährungswissenschaftler Dr. Carlos A. Monteira hat dafür vor zwei Jahrzehnten den Begriff ultraprozessiert kreiert.
Es sind komplex verarbeitete Nahrungsmittel mit Chemikalien, die in einer Küche nie vorkommen. Inzwischen werden sie von der Wissenschaft offiziell als süchtig machend eingestuft2. Vermutlich ist es ihre von der Nahrungsindustrie festgelegte Rolle, im Übermaß verzehrt zu werden. Sie enthalten fünf oder mehr Inhaltsstoffe, die meisten mit unaussprechlichen Namen. Sie sind vorgefertigt und bequem, hochprofitabel, stark mit Geschmacksstoffen gepusht, erschwinglich und werden aggressiv vermarktet.
Eine grundsätzlich falsche Ernährungsweise wie die häufige Entscheidung für hochprozessierte Nahrungsmittel hat verheerende Auswirkungen auf das jeweilige Immunsystem. Sie haben einen höheren glykämischen Index, steigern den Blutzuckerspiegel und wurden 2019 von Epidemiologen an der Universität Paris mit einer Warnung vor Diabetes in Verbindung gebracht. Neben dem Inhaltsstoff Zucker weit vorne auch dort, wo es niemand vermutet, sind Substanzen mit bestimmten Effekten verräterisch: Maltodextrin, Maltose, hydrogeniert, umgeesterte Öle, Farbstoffe, Emulgatoren, Geschmacksverstärker, Süßungsmittel, Verdickungsmittel, Aufschäumungsmittel, Anti-Schaum-Substanzen, Geliermittel, Glanzmittel.
Viele Verbraucher nehmen bereits einen beträchtlichen Teil ihrer verzehrten Kalorien in ultraveränderter Nahrung zu sich.
Mit hochprozessierten Nahrungsmitteln sind Risikofaktoren für zahlreiche schwere Erkrankungen wie das Metabolische Syndrom – Diabetes, Übergewicht, Bluthochdruck, Herzleiden - verbunden. Treibender Faktor sind Entzündungen. Die Darmwände werden löchrig und permanent durchlässig. Fremdstoffe, Gifte und Krankheitserreger schlüpfen durch. Das löst Abwehrreaktionen des Immunsystems aus.
Auf den Punkt gebracht: Hochprozessierte Nahrung verändert die Darmflora schwer nachteilig für unsere Gesundheit.
2018 wurde durch eine Reihe von Studienergebnissen verstärkt darauf hingewiesen, dass Darmentzündungen hinter der weltweit alarmierenden Zunahme an neuen Formen von schwerer Depression stehen. Depression und Diabetes treten häufig gemeinsam auf, oft mit Übergewicht verbunden. Bei uns wird hochgerechnet, dass jeder Achte im Laufe seines Lebens an Depression behandelt werden muss.
Die Situation in den U.S.A. ist stärker erforscht als bei uns. Etwa 80 Prozent der konsumierten Kalorien stammen aus Fertigessen und Getränken aus dem Supermarkt, die überwiegend hochprozessiert und generell ungesund sind, laut einer Studie der „Northwestern Medicine“ vom 26. Juli 2019. Ihre Wissenschaftler analysierten 230.156 Produkte aus dem Supermarkt. 71 Prozent waren ultraprozessiert, darunter Brot, Salatdressing, Zwischengerichte, Getränke mit Geschmack und Süßigkeiten. Im Sortiment der 25 Branchengrößten sind sogar 86 Prozent der Waren in höchstem Maße denaturiert, also nicht annähernd noch in ihrer ursprünglichen Form.
Die meisten Menschen haben keine Ahnung, was dieser Kategorie ultraprozessiert hinzugerechnet werden muss. Häufige negative Beispiele: Hummus mit toxischen Eigenschaften in Bezug auf weiße Blutkörperchen; Pesto mit Überdosis Salz; dunkle Schokolade mit künstlichen Geschmacksstoffen; Frühstückszerealien mit hoher Last an Zucker oder Milchprodukte mit Farbstoffen, Süßstoffen oder dem umstrittenen Verdickungsmittel E407 Carrageen. Es ist der Müslimix am Morgen, die Mandelmilch im Kaffee, das süße Joghurt abends.
Während sich nur ein unbedeutender Teil der Öffentlichkeit über die Verlängerung der Zulassung für Glyphosat in der Europäischen Union erregt, bleiben beispielsweise in unserer Nahrung legal zugelassene Zerstörer von Nervenzellen absolut unbeachtet. Wissenschaftliche Bezeichnung: Exzitotoxine. Die bedeutendste Gruppe erscheint auf Lebensmitteletiketten unter irreführend-harmlosen Namen wie Aromastoffe, Hefeextrakt oder pflanzliches Protein.
Sie sind noch nicht einmal die gefährlichsten.
Transfette oder Transfettsäuren, abgekürzt TFS, sind die schädlichste Fettart überhaupt und haben mehr schlimme Wirkungen in unserem Körper als jeder weitere Nahrungsbestandteil. Laut einem Gesetzentwurf der EU-Kommission von 2015 sollen Transfette in Nahrungsmitteln ab 2021 nicht zwei Prozent der verwendeten Fettmasse überschreiten. Transfette sind industriell gehärtet und werden auch ungekühlt monatelang nicht ranzig. Das macht sie für die Nahrungsbranche so verlockend. Spitzenreiter wie fetter Blätterteig können bis zu 30 Prozent erreichen. In einzelnen Mitgliedsstaaten existieren bereits nationale Regelungen, nicht aber in Deutschland. Eine gefährliche Transfettquelle bilden industriell hergestellte und lose verkaufte Produkte ohne gesetzmäßiges Zutatenverzeichnis, wie zum Beispiel Backwaren oder frei verkaufte frittierte Lebensmittel. Es ist doppelt riskant, weil auch noch im Körper selbst durch Zigarettenrauch, Luftverschmutzung, Lösungsmittel und andere Fremdstoffe neben freien Sauerstoffradikalen aus gesunden Fetten eigene Transfette entstehen. Im Zusammenwirken mit oxidativem Stress fördern sie das Entstehen chronischer Krankheiten. Zu den Folgen von Transfetten werden Entzündungen im Körper, Gefäßveränderungen, Schlaganfall, Herzinfarkt, Diabetes, Adipositas, Bluthochdruck und Alzheimer gerechnet.
Unseren Haushaltszucker nennen wir mit wenig Argwohn einfach Zucker, während diese Bezeichnung für eine Gruppe aus bis zu 70 verschiedenen Süßungsmitteln verwendet wird, die auf einem Nahrungsmitteletikette vorkommen können. Allerdings denkt bei Mannit, Sorbitol oder Maissirup kaum jemand an Zucker. Besonders der aus Maisstärke billigst herzustellende High Fructose Corn Syrup, abgekürzt HFCS, wird nahezu allen industriell produzierten Nahrungsmitteln kräftig zugemischt und gilt als eine der intensivsten Belastungen des Organismus überhaupt.
Zucker-Kohlenhydrate fördern die verstärkte Freisetzung von Insulin. Es ist als Vermehrungshormon nicht nur ein treibender Faktor für Fettleibigkeit und die stark zunehmende Krankheit nicht-alkoholische Fettleber. Krebszellen sind auf Zuckerernährung angewiesen, und sie werden mittels hochprozessierter Kost intensiv von nichtsahnenden Zeitgenossinnen und Zeitgenossen gefüttert. Die damit verbundenen Risiken halten auch Weltmarken nicht davon ab, Zucker ausschweifend einzusetzen, selbst in Angeboten, wo niemand ihn vermutet, im täglichen Brot zum Beispiel, und in unvorstellbarer Dimension. 100 Milliliter Feigensenf können 84 Gramm Zucker und zuckerähnliche Substanzen enthalten.
Mit jedem Bissen versorgen wir den menschlichen Organismus mit lebenswichtiger Energie, aber oft zu selten mit essenziellen Nährstoffen für seinen Kampf gegen Krankheitserreger und für Millionen biologische Prozesse jede Sekunde in den elf Gruppen seiner Trillionen Zellen.
In seiner Geschichte stieß der Mensch auf viele tausend verzehrbare Pflanzen, aber er hat sich nur für wenige hundert entschieden, weil sie mit mehr Vorteilen verbunden sind als andere. Bis in das Mittelalter mussten Speisen auch Funktionen von Medikamenten erfüllen. Durch die Mechanisierung der Medizin verlor das Essen zunehmend seine Rolle als Element des Gesundbleibens.
Das rächte sich noch nie so stark wie heute.
Diese Hiobsbotschaft ist unentrinnbar mit einer dramatisch wichtigen Einsicht verbunden: Ohne Cleverness, ohne Coolness ist ein langes Leben in Gesundheit nicht zu erzielen.