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Poisson wollte mit Adoree sobald wie möglich nach Paris zur Mutter fahren. Noch vor dem großen Fest sollte der Besuch stattfinden. Madame hatte die Idee gehabt, dass Elisabeth Philidor auf dem Fest für die Gäste singen könnte. Dergestalt würde auch Adoree im Mittelpunkt stehen und die Liaison mit Poisson ließe sich offiziell an. Dass ihr Bruder noch nicht geadelt war, würde sich erst einmal positiv auf die Verlobung auswirken. Nach der Heirat könnte dann aus Adoree und Abel immer noch eine Marquise und einen Marquis werden.

Am Abend vor der Abreise war Poission aus Pompadour zurückgekommen. Dorthin hatte er den schwarzen Hengst gebracht. Dem Neapolitaner sollten Stuten für die letzten Bedeckungen des Frühsommers zugeführt werden. Nur schwer hatte sich der begeisterte Reiter von dem schönen Tier trennen können. Bei der Ankunft auf dem Gestüt traf Poisson den königlichen Directeur sämtlicher französischer Gestüte, Monsieur Garsault. Dieser war eigens wegen des außergewöhnlich seltenen italienischen Hengstes angereist und wollte es sich nicht nehmen lassen, zusammen mit Poission die passende Auswahl der zuzuführenden Stuten vorzunehmen. Garsault lobte das Exterieur des Pferdes über alle Maßen. Sei in diesem Tier nicht jegliche Vorteile vereint, welche die seit dreihundert Jahren durchgeführte Veredelung hervor gebracht habe? Aus dem schweren italienischen Streitross war ein elegantes, ausgewogenes Schulpferd ansprechender Größe geworden. Da Vererber mit schwarzer Fellfarbe sehr selten sind, könne man nur hoffen, dass die Rappfarbe sich bei den vorzunehmenden Kreuzungen durchsetzen werde. Beide Pferdekenner hielten ein schlichtes Schwarz für ideal, weil bei den bunten Pferden die unruhige Bemalung augenscheinlich jede Korrektheit des Reitens verschleiere. Ein einheitliches Schwarz oder Weiß hingegen wirke sich allemal neutraler aus und lenke das Augenmerk auf die Vollkommenheit der Lektionen. Der eigens für den Beritt der Hengste des Haras de Pompadour angestellte Écuyer hatte den Hengst vorgeführt. Der junge Mann würde Poission zukünftig darüber Bericht erstatten, wie der Schwarze sich unter dem Sattel und insbesondere bei den Schulen über der Erde machte. Poission hatte nämlich vor, den Hengst im Winter nach Versailles in die Reitakademie zu stellen. Kaum einer wusste von seinem heimlichen Traum, mit dem Neapolitaner Hengst die 'Goldene Trense', also die höchste Auszeichnung der Grande Ecurie, zu erringen. Das Pferd sollte sich dort in der Manege bewähren und seinen Nachfahren für das Gestüt Pompadour alle Ehre machen.

Allerdings war in Poission noch ein weiteres Vorhaben gereift. Da er an die Zukunft dachte, in der seiner Meinung nach weiterhin Kriegerische Auseinandersetzungen der Mächtigen eine Rolle spielten, setzte er auf die Zucht eines wendigen, schnellen Reittiers, das für das Militär zäh genug wäre. Und in Friedenszeiten würde sich so ein Ross gut für die Jagd eignen. Deswegen hatte er mit seiner Schwester verabredet, den Neapolitaner en passant mit ihren eigenen Araberstuten anzupaaren. Diese waren zusammen mit zwei tunesischen Hengsten nach Europa gekommen.

Der Französische König hatte sie als ehrenvolles Geschenk von All Pascha, dem Bay von Tunis, erhalten, ihre Kostbarkeit aber missachtet, da ein derart leichter, kleiner Pferdetyp seinem diffizilen Geschmack nicht entsprach. Madame jedoch hatte sofort den Nutzen der edlen Blüter erkannt und deshalb den König darum gebeten, ihr die Stuten für die Zucht zu schenken. So war es gekommen, dass die Wüstenpferde zur Gründung des Gestüts auf dem unbelebten Landsitz Pompadour beigetragen hatten.

Man war zum Schluss über das Gelände geritten und hatte die Nachzucht beobachtet. Frühe Fohlen, tummelten sich spielerisch mit ihren Müttern, Jährlinge und Nachkommen aus den Zuchtversuchen der ersten Jahre tobten wild herum. Noch war es ein gemischte Herde verschiedener Farben und Stämme mit wendigen, schnellen oder mehr gesetzten Typen, die besonders hochtrabende Bewegungen zeigten. Hier würde man in Zukunft selektieren müssen.

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Adoree hatte schon sehnsüchtig in fertiger Bagage auf Poisson gewartet. Sie hatte Lisette hin und her gescheucht, immer wieder die Kleiderauswahl geändert und in letzter Minute noch einen von Madame empfohlenen Schneider aus Paris bestellt. Adoree wollte bei ihrer Stiefmutter den Eindruck hinterlassen, gut versorgt zu sein. Diese sollte sehen, dass Poisson sich ernsthaft kümmerte und sie, das vaterlose Kind einer mittellosen Opernsängerin, liebte. Noch würde die junge Frau nicht offiziell in die Gesellschaft eingeführt werden, jedoch standen einige Soireés in Poissons engerem Kreis bald an. Auf diesen Anlässen wollte das Mädchen auf jeden Fall einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Poisson verstand die ganze Aufregung nicht so ganz. Er tat das Aussuchen der Verkleidungen als nebensächlichen Weiberkram ab und amüsierte sich über das Reisefieber. Man wollte möglichst früh am nächsten Morgen nach Paris aufbrechen.

An Madame Philidor war bereits vor einigen Tagen ein Brief gegangen, in welchem Poisson den Wunsch nach einem Treffen geäußert hatte. Poisson öffnete gerade das Couvert mit der Rückantwort, als Adoree atemlos in seinem Arbeitszimmer erschien.

„Ich kann Madame nicht finden! Und das jetzt, wo ich mich doch ein paar Ratschläge von ihr bräuchte und wir uns noch verabschieden wollten. Wo ist sie nur?“

Poisson lachte:

„Ich habe es schon lange aufgegeben, auf meine Schwester aufzupassen. Sie wird wohl beschäftigt sein und sich später einfinden. Aber sieh, Adoree, hier, die Antwort deiner Mutter.“

Er wedelte ihr das Blatt um das Näschen herum, so dass dem Mädchen ganz schwindelig wurde: „Was schreibt sie? Will sie uns empfangen? Kann sie mir verzeihen? Ist sie noch im Hause des Ungarn? Wann..“

An dieser Stelle unterbrach er sie lachend.

„Es ist nur eine kurze Notiz. Sie enthält das Datum und den Ort für das Treffen. Sonst nichts.“ Adoree war die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben:

„Sonst nichts? Kein Gruß?“

„Oh, das habe ich ganz übersehen, hier unten, da steht noch etwas...“

Sie stürmte zu ihm, riss dem scheinbar Verdutzten das Papier aus der Hand und las laut vor: „Umarmt meine geliebte einzige Tochter und gebt ihr einen Kuss von mir.“

Poisson hatte sich vom Schreibpult erhoben und sich sich vor dem strahlenden Mädchen verbeugt. Jetzt nahm er es sanft in seine Arme und flüsterte ihm ins Ohr:

„Ich darf doch?“ Ohne eine Antwort abzuwarten zog er den warmen Körper an sich und küsste seine Geliebte innig auf den Mund. Adoree sank seufzend an seine Brust und überließ sich ihm erstmalig hingebungsvoll. Er fühlte ihr Aufgeben. Ihr Widerstand gegen das Körperliche war aufgebraucht. Alles aufgestaute Männliche erwachte in Poisson. Jetzt würde sie sich ihm hingeben, ohne Gedanken, ohne Zweifel. Vorsichtig nahm er den leichten Körper auf die Arme und trug zur Bettstatt hinüber. Adoree sah ihn mit großen Augen an. Wie ein überraschtes Tier bettete er sie auf die Kissen. Vorsichtig legte er sich ihr gegenüber. Liebend, erwartend, verwundert lagen sie voreinander in unter dem Baldachin und sahen sich reglos in die Augen. Endlich bewegte sie ihren Körper, rückte auf ihn zu und begann, die Knöpfe seiner Weste zu öffnen, mechanisch und routiniert. Spürte sich in seinen überraschten Augenschein hinein. Forderte Abwarten und Bewegungslosigkeit. Ohne Blinzeln betrachtete er sein Spiegelbild in ihrer Pupille. Versteifte sich, als sie bei den Hosenknöpfen ankam. Diese Art von Erregung. Er war in ihrer Hand. Sanft blies Adoree die entblöste Stelle. Seine Nerven zuckten. Er schloss die Augen. Offensichtlich hatte sie sich von ihm abgewendet. Bewegung, Kleiderrascheln. Dann lag sie auf ihm. Er spürte ihren heißen Atem an seinem Mund. Die ihren steiften seine Lippen, kitzelndes Schaudern. Eine Haarlocke fiel auf seine Stirn hinab. Fortgepustet. Sie umfasste seine Handgelenke, streichelte die weiche Haut am Puls mit dem Ringfinger und verschränkte ihre Hände mit seinen. Dann führte sie die rechte auf ihren Rücken, hob die Linke dazu und überließ ihm die Bänder des Mieders. Er konnte ihren Herzschlag spüren, der durch ihren prallen Busen an seine Brust drückte. Ihr Körper lag jetzt ganz schwer. Die Bänder waren geöffnet. Er schlug die Augen auf und las ihre Hingabe. Jetzt wälzten sie sich auf die Seite und entblößten ungestüm ihre Haut.

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Sie wachte auf. Friedlich lag er da neben ihr wie ein Säugling atmete genüsslich im Schlaf. Über der hohen Stirn dünnes Haar auf der gewölbten Schädeldecke. Rosige Pausbacken, seine volle, rote Unterlippe. Als hätte er gerade an ihrer Brust getrunken. Allein seine scharf geschnittene, recht französische Nase ragte ihr entgegen. Eine große Nase, ganz so wie sein Geschlecht. Sie streichelte die Stelle auf der Seidendecke, wo es sich ausruhen musste. Die Konturen seines runden, ein wenig feisten Babybauches zeichneten sich ab. Daran seine Beine. Diese waren ein wenig zu kurz geraten. Deshalb hatte sie den heißen Körper nach dem Akt zugedeckt. Sie begann streifend, seinen markanten Unterarm zu liebkosen. Trocken schimmernde Sehnen und bläuliche Adern. Am zarten Fleisch der Armbeuge hinauf. Über den Muskelsträngen wölbte sich der Bizeps stramm. Er hat die schönsten Arme, dachte sie. Wie ein Bauer, oder Handwerker. Und starke, sanfte Finger, lang und geschmeidig, kraftvoll und genau. Künstlerhände. Gerade grunzte er wohlig mit gekräuselter Nasenspitze. War nicht alles an diesem Mann unpassend? Seine Körperteile, die nicht zueinander gehörten. Und seine Gedanken und Gefühle, um die war es ja ähnlich bestellt. Es war wohl dieser lebendige Gegensatz, den man seinem Werk ansah... Madame de Pompadour erhob sich vorsichtig von den Kissen und schlang das Seidenplaid um den nackten Leib. Geräuschlos schlich sie in den kleinen Baderaum, den sie sich in ihrem eigenen Reich hatte einbauen lassen und begann, den bereitstehenden medizinischen Aufguss in einer Kanne mit aufzulösen. Das Gemisch wurde in das kupferne im Bidet gegossen. Madame spreizte die Beine darüber und wusch sich sorgfältig das Geschlecht. Sie setzte ihr ganzes Vertrauen in diese Art von Hygiene, welche neuerdings von fremdländischen Badern und Ärzten empfohlen wurde. Während des Rituals besah sie sich ihren makellosen Körper. Dieser war gealtert, keine Frage, aber immer noch schön. Keine Anzeichen von irgendwelchen Krankheiten der inneren Organe. Ein wenig Bauchfalten nach dem dritten Abort. Der Fötus war erst im siebten Monat abgegangen. Eine Schande. Ein Junge. Alles wäre anders gekommen, hätte der König seinen neuen Sohn formell anerkannt ... Aber dafür hatte es nicht gereicht. Das Kind war gestorben. In ihr. Sie hatte auch am Schluss versagt. Die letzte Chance vertan. Aussehen, Wirkung und Begierde - alles nutzlos und nichtig. Wie gleichgültig ihr das nun war! Frei konnte sie jetzt über ihren Leib verfügen, diesen pflegen und zu sich kommen lassen. Hatte ihr der Akt mit Saly dazu verholfen, dass sie sich nun in Gänze außerhalb und frei fühlte?

Verliebt in diesen Gedanken, trocknete sie sich mit einem weichen Tuch. Dann legte sie sich ihr türkischen Kaftan an und beschloss, in der petit cuisine ein orientalisches Mahl zuzubereiten. Saly sollte mit dem Geruch von süßen Früchten, Honig, Koriander, Safran und Kümmel aufwachen. Ein süßer Tee würde ihm nach der Anstrengung wieder Beine machen. Fröhlich verschwand sie.

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Mitten in der Nacht war er aufgewacht. Fühlte sich berauscht in einer anderen Welt. Golden flackerte es im Lichtschein der vielen Kerzen. Leicht fühlte sich alles an in der Fremde. Aber nicht in Italien. Es war der Orient, von dem er nicht viel verstand. Gerüche, abgedunkelte Hitze und Klänge. Die Reise hatte er gar nicht mit bekommen. Ihm war eine Frucht gereicht worden, die man nur lutschen konnte, ein Brot, das mehr roch als schmeckte und etwas Süßes, das seinen Gaumen zum schmelzen gebracht hatte. Das, was ihm danach eingeflößt worden verbrannte ihn innerlich und ließ ihn erwachen. Langes, dunkles Haar floss über ihn und ihr Gewand. Ihre Augen fixierten die seinen, dabei fütterte sie ihn wie ein Kleinkind. Er schmatzte und sie lächelte verstohlen. Niemals mehr wollte er diese Kissen verlassen. Er griff nach der Hand, die ihm eine klebrige Dattel in den Mund schieben wollte. Drehte das Handgelenk in ihre Richtung und zwang es, ihre Lippen über die Frucht zu stülpen. Sie sog und leckte. Er nippte am Tee. Immerwieder diese Blicke. Verführerisch und aufreizend. Ergeben legte er den Kopf in ihren Schoß und genoss seine Wiedergeburt.

Im frühen Morgengrauen wachte Adoree mit dem ersten Vogelgezwitscher auf. Eng verschränkt in ihn spürte sie die Wärme seines Körpers. Das Heben und Senken seines Brustkorbes nahm sie in sich auf, ihre Wange an seiner pulsierenden Halsschlagader und das Starren über seine Schulter hinweg nach draußen. Ohne jeglichen Gedanken. Leicht und frei im Genuss des mühelosen Augenblicks. Bald würden sie aufbrechen in ein neues Leben.

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