Читать книгу Clarissas empfindsame Reise - Irene Dische - Страница 13
ОглавлениеAuf der Straße
Meinem neuen Kavalier fehlten gewisse Qualitäten, die ich an einem Reisegefährten schätze, aber immerhin verstand er es, ein Mädchen zu beeindrucken, das lange in Europa gelebt hatte und gar nicht mehr wusste, was Geschäftstüchtigkeit ist. Statt einen Wagen zu mieten, machte er einen palästinensischen Automechaniker ausfindig, der ihm für ein Bakschisch und das Versprechen, nichts kaputt zu machen (den Kilometerzähler würde er nachher wieder zurückstellen), das weiße Jaguar-Cabrio lieh, das für zwei Monate bei ihm in der Garage unterstand. Es gehörte einem Architekten, der im Ausland zu tun hatte.
Ich verstehe ein bisschen was vom Autofahren. Man könnte sogar sagen, dass ich mit Autos eine Zeit lang Intimverkehr hatte und praktisch an nichts anderes mehr dachte. Aber diese Leidenschaft litt unter Materialermüdung und ging bei einem kleinen Unfall zu Bruch. Danach konnte ich gar nicht mehr begreifen, dass mir Autos mal so viel bedeutet hatten. Eines Abends, bei einem romantischen ersten Abendessen, erzählte mir Hans, er habe irgendwo gelesen, Autos befriedigten das Verlangen des Menschen, ein Vierbeiner zu werden, sie erlaubten dem geistbegabten Wesen, sich vorübergehend in ein Mitglied des Tierreichs zurückzuverwandeln. Wäre mir Hans damit einen Monat früher gekommen, hätte ich ihn zum Teufel gejagt. Nun hingegen fand ich seine herablassende Art therapeutisch sinnvoll und beschloss, ihn zu heiraten.
Die Jaguar-Leidenschaft meines Reisegefährten fand ich unerträglich. Doch dann sagte ich mir, ein Jaguar ist wie ein Hemd von Versace – es erregt Aufmerksamkeit, und dagegen habe ich nichts. Bequem in den Beifahrersitz geschmiegt, das dichte rote Haar wie eine Fahne flatternd im Wind, Cabriodach runter, Busen hoch, Arm auf der Wagentür – diese Pose passte zu Clarissa.