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1.3.2.1. Eine keynesianische Wachstumstheorie

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In der keynesianischen Wachstumstheorie versuchten Schüler von John Maynard Keynes das eigentlich Unmögliche: die kurzfristig und konjunkturorientierte Theorie nach Keynes (vgl. Kapitel 2) wurde um den längerfristigen Aspekt erweitert, der aus der Kapitalstockbildung resultiert. Es geht um die Frage, inwieweit zusätzliche Investitionen eine Ausweitung des Produktionspotenzials bewirken und eine neue Nachfrage schaffen. Eine Kapazitätserhöhung ist auf das Ausmaß der Investitionen zurückzuführen.

Nicholas Kaldor (1908–1986) stellte die These auf, dass es endogene Faktoren gibt, die in Form einer veränderten Einkommensverteilung dafür Sorge tragen, dass der Wachstumsprozess stabil verläuft.[11] Das Modell von Kaldor wird im Folgenden kurz dargestellt.

Ausgangspunkt des Modells sind die Investitionen. Es wird die ex post-Gleichheit von Ersparnissen und Investitionen angenommen. Mit anderen Worten: in einer Volkswirtschaft muss nach Abschluss einer Periode z.B. am 31.12. all das Kapital, das von den privaten Haushalten, den Unternehmen und dem Staat gespart wurde, von diesen investiert worden sein (Terlau et al. 2013). Kaldor geht davon aus, dass die Investitionstätigkeit vom Zins abhängt. Wenn der Zins zulegt, wird das Entleihen von Kapital auf dem Kapitalmarkt kostspieliger. Ein Unternehmer wird abwägen, ob die erwartete Rendite der geplanten Investitionen so hoch ist, dass die Fremdkapitalkosten wenigstens gedeckt sind. Hinsichtlich der Sparfunktion unterscheidet er das Verhalten der Lohneinkommensbezieher von dem der Bezieher von Gewinn- und Vermögenseinkünften. |17|Kaldor nennt diese Einkommen Profiteinkommen. Es gilt die Annahme, dass die Sparneigung der Bezieher von Lohneinkommen geringer ist als die der ‚Profiteinkommensbezieher‘. Dies hängt mit der Beobachtung zusammen, dass Lohneinkommensbezieher tendenziell ein geringeres Einkommen erwerben und der Anteil der Konsumausgaben an diesem Einkommen höher ist als ‚Profiteinkommensbeziehern‘. Insofern können die Lohneinkommensbezieher nur einen geringeren Anteil ihres Einkommens sparen als die Profiteinkommensbezieher. Die Investitionstätigkeit kann annahmegemäß bestimmt werden, indem der tatsächlich vorhandene Kapitalstock mit dem idealerweise vorhandenen Kapitalstock verglichen wird. Es wird unterstellt, dass dieser optimale Kapitalstock während einer Periode erreicht werden kann. Das bedeutet, dass der tatsächliche Kapitalstock zu Beginn einer Periode dem optimalen Kapitalstock der Vorperiode entspricht. Die Produktionshöhe der Vorperiode ist nun für das Investitionskalkül und damit für den Kapitalstock in der aktuellen Periode ausschlaggebend. Der Anteil des Profiteinkommens der Vorperiode am Kapitalstock der Vorperiode wird zur Ermittlung der Profitrate mit der Produktionshöhe der Vorperiode multipliziert. Kaldor nimmt an, dass der optimale Kapitalstock bzw. die Investitionstätigkeit von der Produktionshöhe und von der Profitrate abhängen. Mit Hilfe der Sparquote, dem Anteil der Ersparnis am Volkseinkommen, und der Investitionsquote, dem Anteil der Investitionen am Volkseinkommen, kann nach Kaldor analysiert werden, ob ein stabiles Wachstumsgleichgewicht erreicht werden kann.

Es gilt weiterhin die Annahme, dass die Investitionen gleich der Ersparnis sind. Die gesamtwirtschaftliche Sparquote setzt sich aus der gewichteten Sparneigung der Lohneinkommensbezieher und der Sparneigung der ‚Profitbezieher‘ zusammen. Beide Sparneigungen sind einkommensabhängig und unterschiedlich. Unter Berücksichtigung der Kapitalintensität und des Anteils der Profiteinkommen am Kapitalstock kann die gesamtwirtschaftliche Investitionsquote ermittelt werden. Für beide relativen Größen liegen lineare Zusammenhänge vor. In der grafischen Darstellung haben beide Funktionen einen positiven Y-Achsenabschnitt und eine positive Steigung. Im Punkt (P/Y)* liegt ein Gleichgewicht vor, wobei P/Y die Profitquote ist. Hat sich die Wirtschaft zu diesem Gleichgewicht zwischen Spar- und Investitionsquote hin entwickelt, dann ist auch die Einkommensverteilung zwischen Lohneinkommen und ‚Profiteinkommen‘ stabil. Wenn jedoch der Anteil der ‚Profiteinkommen‘ am Volkseinkommen höher ist als im Gleichgewicht, dann ist die Ersparnisbildung größer als die Investitionstätigkeit. Dies führt zu sinkenden Preisen mit der Folge, dass die Unternehmen aufgrund sinkender Gewinnerwartungen weniger investieren. Die sinkende Investitionstätigkeit beinhaltet, dass die Profitquote P/Y fällt. Der Prozess läuft, bis die gleichgewichtige Profitquote erneut erreicht ist. Kaldor nimmt demnach in seinem Modell an, dass Preisveränderungen Anpassungen der Einkommensverteilung auslösen. Diese sorgen einerseits für eine Verhaltensänderung der Wirtschaftssubjekte hinsichtlich der Ersparnisbildung. Andererseits verändert sich durch Preisbewegungen die Investitionsnachfrage. Mit Hilfe des Akzelerators führt dies erneut zum alten Gleichgewicht mit der Profitquote (P/Y)*.

|18|Abbildung 6:

Spar- und Investitionsquote im Wachstumsmodell von Kaldor (Quelle: Eigene Darstellung nach Jürgen Heubes, Konjunktur und Wachstum, München 1991, 162).

Nachdem Kaldor zunächst die konjunkturelle Stabilität seines Modells nachgewiesen hat, versucht er in einem zweiten Schritt, die langfristigen Angebotsmöglichkeiten einer Volkswirtschaft einzubeziehen. Kaldor nimmt an, dass die langfristige Wachstumsrate der Produktion bei konstantem Arbeitseinsatz – schließlich ändert sich das Erwerbstätigenpotenzial nur in der sehr langen Frist – von der Veränderung des Kapitalstocks abhängt. Die Wachstumsrate des Kapitals bzw. die Zunahme des Kapitalstocks hängt, so Kaldor und eine Vielzahl weiterer Ökonomen, vom technischen Fortschritt ab. Ein gleichgewichtiges Wachstum ist in dem Fall erreicht, in dem die Wachstumsraten von Output und Kapital übereinstimmen. Jedoch steigt die Wachstumsrate des Outputs infolge zunehmender Probleme bei der Umsetzung technischen Fortschritts unter Umständen nur unterproportional im Vergleich zur Wachstumsrate des Kapitals. Das bedeutet, dass die Kapitalproduktivität, d.h. das Verhältnis zwischen der Produktion und dem Kapitaleinsatz, während des Anpassungsprozesses zum gleichgewichtigen Wachstum zunimmt. Werden die Bedingungen der Investitionsquote erneut in die Überlegungen zur langfristigen Veränderung des Kapitalstocks einbezogen, dann kann sich die Wachstumsrate des Kapitalstocks der Wachstumsrate der Produktion anpassen. Hinsichtlich der Profitquote ergibt sich unter Beachtung der Sparquote und der Identität von Ersparnis und Investitionen, dass die Investitionsquote und auch die Profitquote während des Anpassungsprozesses ansteigen. Dies bewirkt eine weitere Beschleunigung der Anpassung. Diese Zusammenhänge weisen darauf hin, dass der langfristige Gleichgewichtspfad gemäß den Überlegungen von Kaldor stabil ist. Wenn die Wachstumsraten des Outputs und des Kapitalstocks voneinander abweichen, treten Anpassungsprozesse in Kraft, die zu einem gleichgewichtigen Wachstum hinführen. Der dargestellte Wachstumsprozess wird nach Kaldor immer wieder auf den langfristigen Gleichgewichtspfad zurückgeführt, auf dem das BIP und der Kapitalbestand mit der gleichen Rate wachsen.

|19|Kaldor stellte die These auf, dass endogene Faktoren existieren, die in Form einer veränderten Einkommensverteilung dafür Sorge tragen, dass der Wachstumsprozess stabil verläuft. Nachdem er gezeigt hat, dass Preisveränderungen Anpassungsprozesse hinsichtlich der Einkommensverteilung bewirken, legt er dar, dass gleichgewichtiges Wirtschaftswachstum auf dem gesamtwirtschaftlichem Güterangebot und der gesamtwirtschaftlichen Güternachfrage basieren. Kaldor bestätigt die oben genannten stilisierten Fakten und wird damit der Forderung von Heubes gerecht.

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