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2.2 Konjunkturdiagnose

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Um eine erfolgreiche Konjunkturpolitik mit dem Ziel der Glättung der Konjunkturschwankungen umsetzen zu können, ist es unabdingbar, gewisse Gesetzmäßigkeiten konjunktureller Entwicklungen zu erkennen und deren Ursachen offen zu legen. Eine |29|Reihe von Wissenschaftlern hat versucht, aus empirischen Daten und deren Entwicklung Muster zu isolieren und wiederkehrende Konjunkturzyklen zu definieren.[18] Zu diesen gehören

 Joseph Kitchin (Kitchin, 1923)

 Clement Juglar (Juglar, 1860)

 Simon Kuznets (Kuznets, 1930)

 Nicolai Kondratieff (Kondratieff, 1926)

Ein Kitchin-Zyklus hat eine Gesamtlänge von im Durchschnitt drei bis vier Jahren. Unter Wirtschaftswissenschaftlern gilt ein Kitchin-Zyklus als relativ ‚harmlos‘, da angenommen wird, dass auftretende Nachfrageschwankungen durch den Lagerauf- oder -abbau ausgeglichen werden können. Das bedeutet, dass keine oder nur geringe Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Beschäftigung auftreten. Die Lagerveränderungen wirken quasi als Puffer. – Zur aktuellen Relevanz: Seit vielen Jahren ist zu beobachten, dass Lagerhaltungszeiten von den Unternehmen aus Kostengründen minimiert und damit optimiert werden. Die Folge ist, dass Nachfrageschwankungen unmittelbarer auf die Beschäftigungssituation rückkoppeln. Insofern ist die Pufferfunktion nicht mehr gegeben und der Kitchin-Zyklus nicht mehr relevant.

Ein Juglar-Zyklus weist eine Gesamtlänge von acht bis zwölf Jahren auf. Diese Zyklen gelten nach wie vor als zentrale Konjunkturzyklen in marktwirtschaftlichen Systemen. Änderungen der Nachfrage schlagen vollständig auf die Produktion und damit auf die Beschäftigungssituation und das wirtschaftliche Wachstum durch. Typischerweise setzt hier die 80 Jahre später entwickelte keynesianische Konjunkturpolitik an. Maßnahmen zur Stärkung der Nachfrage seitens des Staates sollen einen konjunkturellen Einbruch überwinden helfen.

Ein Kuznets-Zyklus ist ein Wachstumszyklus, da er eine Länge von ca. zwanzig Jahren hat. Er wird als Re-Investitionszyklus bezeichnet. Als Grund für wirtschaftliche Schwankungen werden Investitionsschübe genannt, die auftreten, wenn sich in bestimmten Branchen wegen hohen Kapitalbedarfs und langer Nutzungsphasen Investitionen stauen. Diese müssen dann kurzfristig komprimiert realisiert werden. Die Investitionsexplosion bewirkt dann eine intensive, gegebenenfalls zu hohe Auslastung der Produktionskapazitäten.

Ein Kondratieff-Zyklus weist eine Dauer von 50 bis 60 Jahren auf. Er ist eher als Trend- oder Wachstumszyklus zu verstehen und wird durch Innovationsschübe verursacht. So verortete Kondratieff zwischen 1790 und 1840 einen Zyklus, der durch die technischen Entwicklungen in der Eisen- und Textilindustrie hervorgerufen wurde. Zwischen 1840 und 1900 begründeten der Eisenbahnbau, die Dampfmaschine und die Stahlindustrie einen wirtschaftlichen Aufschwung. Zurzeit befinden wir uns im |30|fünften Kondratieff-Zyklus, der auf die weitreichenden Innovationen in der Informationstechnologie zurückzuführen ist.

Diese empirisch, d.h. ex post, diagnostizierten Zyklen lassen sich allerdings nicht dazu nutzen, Prognosen über künftige Entwicklungen zu treffen. Sie dienen lediglich der Interpretation wirtschaftlicher Entwicklungen, die in der Vergangenheit Platz gegriffen haben, und der Analyse geeigneter wirtschaftspolitischer Maßnahmen, die einst umgesetzt wurden.

Neben den genannten Konjunkturzyklen, die unterschiedliche Ursachen und Phasenlängen aufweisen, gibt es sogenannte politische Konjunkturzyklen. Sie werden von exogenen Faktoren bestimmt, d.h. die Ursache des Entstehens konjunktureller Störungen hängt nicht unmittelbar mit ökonomischen Faktoren zusammen. Die Dauer eines politisch motivierten Konjunkturzyklus’ wird – so die Theorie von William D. Nordhaus (geb. 1941) – von der Länge der Legislaturperiode der im Amt befindlichen Regierung bzw. Regierungskoalition beeinflusst. Grundsätzlich hängt die Wiederwahl einer Regierung davon ab, ob die Beschäftigungssituation und die Wirtschaftsstruktur am Ende der Legislaturperiode das Plazet der Wähler finden. Es liegt damit nahe, dass eine an ihrer Wiederwahl interessierte Regierung gegen Ende der Legislaturperiode versucht, mit allen Mitteln eine prosperierende Wirtschaft, also einen Aufschwung aufrechtzuhalten oder gar zu erzeugen. Die Wiederwahl kann z.B. erreicht werden, indem der Staat versucht, durch die Ausweitung der Transferleistungen an die privaten Haushalte zunächst die Kaufkraft und schließlich den privaten Konsum kurzfristig zu erhöhen. Mittelfristig ist der durch diese Maßnahme erzeugte Aufschwung allerdings ein konjunkturelles Strohfeuer, da die zusätzlichen Transferausgaben mittels zusätzlicher Staatsausgaben und damit Staatsverschuldung finanziert werden müssen. Die Steuereinnahmen werden in einer derartigen Phase nicht erhöht, da damit die zusätzliche Kaufkraft der Wirtschaftssubjekte unmittelbar abgeschöpft werden würde. Dass die Staatsverschuldung in der Zukunft im Wege der Steuerfinanzierung zu bedienen und zu tilgen ist, durchschaut der wählende Bürger dem Konzept der politischen Konjunkturzyklen zufolge nicht oder er steht dieser Situation gleichgültig gegenüber.[19] Neben der Ausweitung der Transferleistungen kann der Staat die Subventionierung bestimmter, üblicherweise beschäftigungsintensiver Branchen ausweiten, um Wählerstimmen zu sichern bzw. zu sammeln. Hier gelten die gleichen kritischen Argumente, die bereits aufgeführt wurden. Die politischen Verantwortungsträger stören die Folgen dieser Maßnahmen für die Staatsverschuldung und auch die Inflation nur am Rande, solange die Wiederwahl ermöglicht wird. Nach der gewonnenen Wahl werden recht bald Instrumente eingesetzt, die die Staatsfinanzen begünstigen, die Inflation bekämpfen etc. Auch die positive Entwicklung der Beschäftigungssituation wird gelegentlich geopfert, um die anderen Stabilitätsziele erneut zu erreichen – zumindest bis zur nächsten Wahl. Dann wird erneut eine expansive Wirtschaftspolitik verfolgt. Die Beschäftigungssituation verbessert sich, die Wähler |31|sind zufrieden. Aufgrund der anstehenden Wahlen wurden ein Aufschwung und ein Abschwung eingeleitet.

Der letztgenannte Konjunkturzyklus wird inzwischen, abgesehen von exogenen Schocks, die eine Wirtschaft treffen können, gemeinhin als besonders relevant für die konjunkturelle Lage einer Volkswirtschaft eingestuft.

Makroökonomik und Wirtschaftspolitik

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