Читать книгу Achtsam durch den Tag - Jan Chozen Bays - Страница 13
6. Achtsamkeit fördert unser spirituelles Leben
ОглавлениеDie Hilfsmittel der Achtsamkeit sind eine Einladung, den vielen kleinen Aktivitäten des Lebens mit Aufmerksamkeit zu begegnen. Sie sind besonders für Menschen nützlich, die inmitten all der Ablenkungen des modernen Lebens Spiritualität kultivieren möchten. Der Zen-Meister Shunryu Suzuki Roshi sagte einmal: „Das Zen ist nichts besonders Aufregendes, sondern die Sammlung auf unsere gewöhnliche Alltagsroutine.“ Die Achtsamkeitsübung richtet unsere Aufmerksamkeit wieder auf diesen Körper, diese Zeit und diesen Ort. Und genau dort können wir mit der ewigen Präsenz, die wir das Göttliche nennen, in Berührung kommen. Wenn wir achtsam sind, dann wissen wir jeden Augenblick des einzigartigen Lebens, das uns gegeben wurde, zu schätzen. Achtsamkeit ist eine Weise, unsere Dankbarkeit für ein Geschenk, das wir niemals zurückzahlen können, zum Ausdruck zu bringen. Achtsamkeit kann zu einem fortlaufenden Gebet der Dankbarkeit werden.
Christliche Mystiker sprechen von einem „Leben unablässigen Gebets“. Was mag das bedeuten? Wie könnte so etwas möglich sein, wo wir doch ständig eilig in dem rasenden Verkehr des modernen Lebens unterwegs sind und die Kurve kratzen, ohne genug Zeit zu finden, mit unserer Familie, geschweige denn mit Gott zu sprechen?
Wahres Gebet ist kein Bitten um etwas, sondern ein Lauschen. Tiefes Lauschen. Wenn wir ganz tief lauschen, bemerken wir, dass selbst das „Geräusch“ unserer eigenen Gedanken störend, ja sogar lästig ist. Wenn wir von den Gedanken ablassen, treten wir in eine tiefere innere Stille und Empfänglichkeit ein. Ist es uns möglich, diese offene Stille in unserem Kern, ja als unseren Kern zu bewahren, dann lassen wir uns nicht mehr verwirren in dem Versuch, die unzähligen einander widersprechenden inneren Stimmen auf die Reihe zu bekommen und unter ihnen zu wählen. Unsere Aufmerksamkeit ist nicht mehr in das emotionale Dickicht in unserem Inneren verstrickt. Sie ist nach außen gerichtet. Wir suchen nach dem Göttlichen in allen Erscheinungen, hören auf das Göttliche in allen Klängen, werden in allen Berührungen vom Göttlichen gestreift. Wenn Dinge auf uns zukommen, reagieren wir angemessen und kehren dann dazu zurück, in der inneren Stille zu ruhen. Dies ist ein im Glauben gelebtes Leben, im Glauben an den Einen Geist, ein Leben des unablässigen Gebets.
Wenn wir Achtsamkeit nach und nach in unsere Routineaktivitäten einfließen lassen, dann erwachen wir zum Mysterium eines jeden Augenblicks, um das wir nicht wissen können, bis der Augenblick eintritt. Wenn die Dinge sich zeigen, sind wir bereit, sie anzunehmen und zu antworten. Wir sind empfänglich für das, was uns von Moment zu Moment von der Großen Gegenwart geschenkt wird. Es sind einfache Geschenke: die Wärme, die sich auf unsere Hände überträgt, während wir eine Schale Tee halten, Tausende von winzigen Liebkosungen durch die Kleidung auf unserer Haut, die komplexe Musik der Regentropfen und ein weiterer Atemzug. Wenn wir unsere volle Aufmerksamkeit auf die lebendige Wahrheit jedes einzelnen Augenblicks zu richten vermögen, dann durchschreiten wir das Tor zu einem Leben des unablässigen Gebets.