Читать книгу Achtsam durch den Tag - Jan Chozen Bays - Страница 21
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Füllwörter
DIE ÜBUNG: Werden Sie sich der „Füllwörter“ und „Füllsätze“, die Sie verwenden, bewusst und versuchen Sie, diese aus Ihrer Rede zu entfernen. Füllwörter sind Wörter, die nichts Sinnvolles zu dem hinzufügen, was Sie sagen, wie etwa „ähh“, „also“, „na ja“, „irgendwie“, „gewissermaßen“ und so weiter. Von Zeit zu Zeit nehmen Sie neue Füllwörter in Ihr Vokabular auf. Zu den neuen Wörtern könnten „im Grunde“ und „jedenfalls“ gehören.
Über das Vermeiden von Füllwörtern hinaus könnten Sie darauf achten, warum Sie diese gewöhnlich verwenden – in welchen Situationen und zu welchem Zweck.
Gedächtnisstützen
Anfangs ist es unheimlich schwierig, selbst zu bemerken, wann man Füllwörter benutzt. Sie werden sehr wahrscheinlich Freunde oder Familienmitglieder um Hilfe bitten müssen. Kinder werden ihre Eltern mit Wonne beim Benutzen von Füllwörtern erwischen und sie korrigieren. Bitten Sie sie, die Hand zu heben, wenn sie hören, wie Sie ein Füllwort benutzen. Anfangs werden die Hände mit quälender Häufigkeit emporschnellen. Außerdem ist die Gewohnheit, Füllwörter zu benutzen, so unbewusst, dass Sie wahrscheinlich oft nachfragen müssen, welches Füllwort Sie gerade ausgesprochen haben.
Eine andere Methode, auf die Füllwörter, die Sie benutzen, und auf deren Häufigkeit aufmerksam zu werden, besteht darin, sich selbst beim Reden aufzunehmen. Bitten Sie einen Mitbewohner, einen Ehepartner oder eines Ihrer Kinder, Sie während einer Unterhaltung oder während eines Telefongesprächs mit dem Handy oder der Videokamera aufzunehmen. Hören Sie sich das Ergebnis anschließend an, machen Sie eine Liste der Füllwörter und zählen Sie deren Häufigkeit.
Entdeckungen
In unserem Kloster erwies sich diese Achtsamkeitsübung als eine der herausforderndsten, die wir praktizieren. Es ist frustrierend schwierig, die eigenen Füllwörter zu hören und sie einzufangen, noch bevor wir sie ausgesprochen haben – wenn man nicht gerade ein geschulter Redner ist. In den Klubs der Toastmaster [Gruppen, die das Vortragen in der Öffentlichkeit trainieren] fällt einigen Mitgliedern die Aufgabe zu, während eines Vortrags die Füllwörter zu notieren, um den anderen so zu helfen, effektivere Redner zu werden. Hat man erst einmal begonnen, auf Füllwörter zu achten, dann hört man sie überall – im Radio, im Fernsehen und bei alltäglichen Unterhaltungen. Man hat geschätzt, dass ein typischer amerikanischer Teenager das Füllwort „like“ [entspricht dem Deutschen „irgendwie“] etwa 200.000 Mal pro Jahr benutzt! Ihnen wird auch auffallen, welche Redner keine Füllwörter benutzen, und Ihnen wird bewusst werden, dass der Verzicht auf Füllwörter eine Rede effektiver und eindrücklicher macht. Hören Sie sich zum Beispiel die Reden von Martin Luther King, dem Dalai Lama oder Präsident Barack Obama an und achten Sie dabei auf Füllwörter.
Füllwörter scheinen mehrere Funktionen zu haben. Sie sind einerseits Platzhalter, die dem Zuhörer vermitteln, dass Sie anfangen werden zu reden oder dass Sie noch nicht mit dem Reden aufgehört haben. „Also … ich habe ihm gesagt, nicht wahr, was ich von seiner Idee halte, und dann, ähh, habe ich gesagt, nun ja, jedenfalls …“ Füllwörter dienen auch dazu, das, was wir sagen, abzumildern, es weniger definitiv oder selbstbewusst klingen zu lassen. „Na ja, ich denke, wir sollten im Grunde doch vielleicht mit dem Projekt loslegen.“ Befürchten wir, eine Reaktion hervorzurufen, die besagt, dass wir nicht recht haben? Wir wünschen uns sicher keinen Arzt oder kein Staatsoberhaupt, das so wischiwaschi daherredet. Füllwörter können die Zuhörer enorm irritieren, wenn sie den Sinn der Aussage dermaßen verwässern, dass sie sich lächerlich anhört. „Also Jesus, ähh, hat ja doch wohl gesagt, nicht wahr: Liebe, im Grunde, also deinen Nächsten, nun ja, sozusagen genauso wie gewissermaßen dich selbst.“
Vertiefung
Der Gebrauch von Füllwörtern ist erst während der vergangenen 50 Jahre üblich geworden. Liegt das daran, dass man in der Schule weniger Wert auf präzisen Ausdruck, Redegewandtheit und Rhetorik legt? Oder haben wir uns in der heutigen postmodernen, multikulturellen Gesellschaft, in der die Wahrheit oft als relativ gilt, bewusst angewöhnt, auf weniger eindeutige Weise zu reden? Befürchten wir, etwas zu sagen, das nicht politisch korrekt ist oder eine Reaktion unserer Zuhörerschaft auslösen könnte? Versinken wir im Sumpf des moralischen Relativismus? Wenn sich dieser Trend fortsetzt, dann werden wir eines Tages sagen: „Stehlen ist, na ja, also mehr oder weniger nicht ganz richtig.“
Wenn unser Geist klar ist, dann können wir geradeheraus reden und dabei präzise sein, ohne andere zu beleidigen.
Diese Achtsamkeitsübung zeigt, wie tief unbewusstes Verhalten in unserem Geist verwurzelt ist und wie schwierig es ist, es zu verhindern. Unbewusste Gewohnheiten, wie etwa der Gebrauch von Füllwörtern, sind genau das – unbewusst. Solange sie unbewusst bleiben, ist es unmöglich, etwas daran zu ändern. Nur wenn wir ein Verhaltensmuster ins Licht der Bewusstheit rücken, entsteht etwas Raum, um daran zu arbeiten, es zu durchbrechen. Selbst dann ist es noch schwierig genug, ein Verhalten zu ändern, das uns in Fleisch und Blut übergegangen ist. Sobald wir aufhören, aktiv daran zu arbeiten, die unerwünschte Gewohnheit zu verhindern, kehrt sie sehr schnell wieder. Wollen wir uns selbst ändern und unser Potenzial verwirklichen, verlangt das Freundlichkeit, Entschlossenheit und ausdauernde sowie fortlaufende Praxis.
SCHLUSSWORTE: „Bis ihr den Mund aufmacht, halte ich euch alle für erleuchtet.“ – Zen-Meister Suzuki Roshi