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1. Achtsamkeit spart Energie

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Zum Glück können wir lernen, Aufgaben fachgerecht zu erledigen. Bedauerlicherweise erlaubt uns diese Fähigkeit jedoch, dabei unbewusst zu werden. Bedauerlich ist dies deshalb, weil wir einen großen Teil unseres Lebens versäumen, sobald wir unbewusst werden. Wenn wir „auschecken“, dann wandert unser Geist gern zu einem von drei Orten: der Vergangenheit, der Zukunft oder dem Land der Phantasie. Diese drei Bereiche besitzen außerhalb unserer Vorstellung keinerlei Realität. Genau hier, wo wir sind, ist der einzige Ort, an dem, und genau jetzt ist die einzige Zeit, zu der sich unser Leben abspielt.

Das Vermögen des menschlichen Geistes, sich an die Vergangenheit zu erinnern, ist eine einzigartige Gabe. Es hilft uns, aus unseren Irrtümern zu lernen und eine unvorteilhafte Ausrichtung unseres Lebens zu verändern. Schwenkt unser Geist jedoch zurück in die Vergangenheit, dann beginnt er oft, endlos über zurückliegende Fehler nachzugrübeln. „Hätte ich nur dieses gesagt …, dann hätte sie bestimmt jenes gesagt …“ Unglücklicherweise scheint unser Geist uns für dumm zu halten. Er bringt unsere Fehler der Vergangenheit immer wieder aufs Tapet, wiederholt dabei ständig seine Beschuldigungen und Kritik.

Nie würden wir 250-mal bezahlen, um uns denselben schmerzvollen Film anzusehen, doch wir lassen zu, dass unser Geist eine unangenehme Erinnerung immer und immer wieder abspielt, und wir erfahren dabei jedes Mal dieselbe Scham und dieselbe Bekümmerung. Nie würden wir ein Kind 250-mal an einen kleinen Fehler, den es gemacht hat, erinnern, aber wir lassen zu, dass unser Geist immer weiter die Vergangenheit heraufbeschwört und unser kleines inneres Wesen Scham und Wut aussetzt. Es sieht so aus, als fürchtete unser Geist, noch einmal einem Fehlurteil, der Unwissenheit oder Unachtsamkeit zum Opfer zu fallen. Er scheint uns nicht für klug zu halten – klug genug, um aus einem Fehler zu lernen und ihn nicht zu wiederholen.

Dummerweise bringt ein angsterfüllter Geist mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit gerade das hervor, was er am meisten fürchtet. Dem ängstlichen Geist ist nicht klar, dass er nicht für die Gegenwart wach ist, wenn er uns in Tagträume und Bedauern über die Vergangenheit verstrickt. Sind wir nicht fähig, präsent zu sein, dann neigen wir dazu, wenig weise und geschickt zu handeln. Es ist wahrscheinlich, dass wir dann genau das tun, was unser Geist befürchtet.

Die Fähigkeit des menschlichen Geistes, für die Zukunft vorauszuplanen, ist eine weitere unserer einzigartigen Gaben. Sie stellt uns eine Landkarte und einen Kompass zur Verfügung, nach denen wir steuern können. Dies verringert die Wahrscheinlichkeit, dass wir falsch abbiegen und einen langen Umweg machen werden. Sie vergrößert die Wahrscheinlichkeit, dass wir unser Lebensende zufrieden mit unserem Lebensweg und mit dem, was wir geschafft haben, erreichen.

Unglücklicherweise versucht unser Geist in seiner Sorge um uns, Pläne für eine riesige Zahl von möglichen Zukünften zu machen, von denen die meisten niemals eintreten. Diese ständigen Bocksprünge in die Zukunft sind eine Verschwendung unserer mentalen und emotionalen Energie. Die beste Vorbereitung auf die unbekannte Zukunft besteht darin, einen vernünftigen Plan zu machen und dann auf das zu achten, was eben jetzt geschieht. Dann können wir das, was auf uns zufließt, mit einem klaren, flexiblen Geist und mit offenem Herzen begrüßen. Dann sind wir bereit und fähig, unsere Pläne zu verändern und sie der Realität des Augenblicks anzugleichen.

Der Geist liebt es ebenfalls, Ausflüge in das Reich der Phantasie zu unternehmen, indem er einen inneren Film eines neuen und anderen Ichs kreiert – eines berühmten, schönen, machtvollen, talentierten, erfolgreichen, reichen und geliebten Ichs. Das Vermögen des menschlichen Geistes zu phantasieren ist etwas Wunderbares; es ist die Grundlage all unserer Kreativität. Es macht es uns möglich, uns neue Erfindungen vorzustellen, neue Kunstwerke und Kompositionen zu schaffen, neue wissenschaftliche Hypothesen aufzustellen und Pläne für etwas zu entwerfen, das von einem neuen Haus bis zu neuen Kapiteln unseres Lebens reichen kann. Unglücklicherweise kann das auch zu einer Flucht werden – einer Flucht vor allem, was am gegenwärtigen Augenblick unangenehm ist, einer Flucht aus der Angst vor dem Nichtwissen um das, was gegenwärtig auf uns zukommt, einer Flucht vor der Furcht, dass der nächste Moment (oder die nächste Stunde oder das nächste Jahr) uns Schwierigkeiten oder den Tod bringen könnte. Unablässiges Phantasieren und Tagträumen ist etwas anderes als zielgerichtete Kreativität. Kreativität entsteht daraus, dass der Geist in Neutralität verweilt, sodass er sich klären kann und eine saubere Leinwand entsteht, auf der neue Ideen, Gleichungen, Gedichte, Melodien oder farbenfrohe Pinselstriche entstehen können.

Gestatten wir es dem Geist, in der Gegenwart zu ruhen, voll von dem, was tatsächlich genau jetzt geschieht, und ziehen wir ihn ab von wiederholten fruchtlosen, unsere Energie aufzehrenden Ausflügen in die Vergangenheit, die Zukunft und in Phantasiewelten, dann tun wir etwas sehr Wichtiges. Wir erhalten die Energie des Geistes. Er bleibt frisch und offen, bereit, auf alles zu reagieren, was in ihm auftaucht.

Das mag sich trivial anhören, aber das ist es keineswegs. Gewöhnlich ruht unser Geist nie. Selbst während der Nacht ist er aktiv und erzeugt aus einer Mischung aus unseren Ängsten und den Ereignissen unseres Lebens Träume. Wir wissen, dass unser Körper ohne Verschnaufpausen nicht funktionieren kann, deshalb gönnen wir ihm jede Nacht wenigstens ein paar Stunden, in denen er sich hinlegen und ausruhen kann. Wir vergessen jedoch, dass auch unser Geist Ruhephasen braucht. Er findet sie im gegenwärtigen Moment, in dem er sich niederlassen und sich dem Fluss der Ereignisse überantworten kann.

Die Übung der Achtsamkeit erinnert uns daran, unsere Energie nicht für Reisen in die Vergangenheit und die Zukunft zu vergeuden, sondern immer wieder an ebendiesen Ort zurückzukehren und in dem zu ruhen, was genau jetzt geschieht.

Achtsam durch den Tag

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