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Keine Spuren hinterlassen

DIE ÜBUNG: Wählen Sie ein Zimmer Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung aus und versuchen Sie eine Woche lang, dort keine Spur davon zu hinterlassen, dass Sie diesen Raum benutzt haben. Für die meisten Menschen funktioniert das am besten mit dem Badezimmer oder der Küche. Wenn Sie etwas in diesem Raum getan haben, also etwa eine Mahlzeit zubereitet oder geduscht haben, dann räumen Sie alles so auf, dass nichts mehr daraufhinweist, dass Sie dort tätig waren – außer vielleicht der Geruch des Essens oder der Duft der Seife.

Gedächtnisstützen

Hängen Sie in dem ausgewählten Zimmer ein Schild auf, auf dem steht: „Keine Spuren hinterlassen!“

In Zen-Gemälden steht die Schildkröte für die Praxis, keine Spuren zu hinterlassen, weil sie ihre Fußspuren im Sand mit dem Schwanz wieder auswischt, während sie vorankrabbelt. Statt ein Schild zu schreiben, könnten Sie auch das Bild einer Schildkröte als Erinnerungsstütze verwenden.

Entdeckungen

Wir lassen einen Raum oft unordentlicher zurück, als er bei unserem Eintreten war. Wir denken: „Ich kann ja später aufräumen.“ Aber dieses „Später“ kommt dann einfach nicht, bis die Unordnung unerträglich geworden ist und uns so sehr stört, dass wir beginnen, gründlich aufzuräumen. Oder wir sind verärgert über jemand anderen, der seinen Teil der Hausarbeit nicht erledigt. Wie viel leichter ist alles, wenn wir uns sofort um die Dinge kümmern. Dann müssen wir uns gar nicht erst über die zunehmende Unordnung aufregen.

Diese Übung hilft, uns der Neigung bewusst zu werden, uns von der Erledigung bestimmter Dinge abzuwenden, auch wenn es kleine Dinge sind, um die wir uns im Laufe des Tages kümmern könnten, wozu wir aber irgendwie nicht motiviert sind. Wir könnten den Müll auf dem Bürgersteig aufheben, wenn wir daran vorbeigehen; wir könnten das Papiertaschentuch aufheben, das im Badezimmer neben dem Abfalleimer gelandet ist. Wir könnten die Kissen auf der Couch wieder glatt streichen, nachdem wir aufgestanden sind; wir könnten unsere Kaffeetasse ausspülen, statt sie einfach nur in die Spüle zu stellen. Und wir könnten unsere Werkzeuge wegräumen, auch wenn wir sie morgen wieder verwenden möchten.

Eine Übende hat beobachtet, dass sich die Achtsamkeit dann, wenn man in einem Raum keine Spuren zurücklässt, in andere Bereiche ausbreitet. Dass sie ihre schmutzigen Teller sofort nach dem Essen abwusch, führte dazu, dass sie ihr Bett gleich nach dem Aufstehen machte, und dann dazu, dass sie gleich nach dem Duschen die Haare aus dem Sieb über dem Abfluss entfernte. Anfangs müssen wir etwas Energie aufbringen, aber danach scheint diese Energie noch mehr Energie zu erzeugen.

Vertiefung

Diese Übung bringt unsere Neigung zur Faulheit ans Licht. Das Wort „Faulheit“ ist eine Beschreibung, keine Kritik. Wenn wir nicht mit vollem Engagement leben, lassen wir oft eine Unordnung zurück, die andere dann aufräumen können. Es ist so leicht, zwar das Geschirr zu spülen, es dann aber nicht in den Schrank zurückzustellen. Es ist so leicht, die Meditation ausfallen zu lassen, wenn unser Leben hektisch wird.

Diese Übung lenkt unsere Aufmerksamkeit auch wieder auf die vielen kleinen Dinge, die den ganzen Tag lang unser Leben und unsere Arbeit unterstützen – die Gabeln und die Löffel, mit denen wir essen, die Kleidung, die uns warm hält, die Zimmer, die uns Unterschlupf gewähren. Wenn wir unsere Dinge mit Achtsamkeit waschen, trocknen, ausfegen, zusammenfalten und wegräumen, dann wird das zu einem Ausdruck unserer Dankbarkeit für ihren stillen Dienst.

Der Zen-Meister Dogen schrieb spezielle Anweisungen für den Koch in seinem Kloster: „Reinige die Essstäbchen, Kellen und alle anderen Utensilien. Behandle sie alle mit gleicher Sorgfalt und Aufmerksamkeit und lege alles dorthin zurück, wo es auf natürliche Weise hingehört.“ Es hat etwas sehr Befriedigendes, Dinge, die schmutzig sind, zu waschen und Dinge in Ordnung zu bringen. Es ist ebenso befriedigend, alles, was uns dient, mit Sorgfalt zu behandeln, sei es nun ein Plastikteller oder feinstes Porzellan. Unser Geist fühlt sich „sauberer“ und unser Leben fühlt sich weniger kompliziert an, wenn wir den Raum und die Dinge um uns herum aufgeräumt haben. Eine Freundin erzählte mir, wie sie kiloweise alte Kleidungsstücke, längst abgelaufene Medikamente und allen möglichen Müll aus dem Haus einer älteren Tante ausmistete. „Zuerst schien ihr das gar nicht recht zu sein, aber dann entspannte sie sich, und mit jedem Müllsack, den wir hinaustrugen, schien sie jünger zu werden.“

Dieses Gefühl der Befriedigung, das wir daraus gewinnen, keine Spuren zu hinterlassen, scheint unseren tiefen Wunsch widerzuspiegeln, die Welt zumindest nicht schlechter zurückzulassen, als wir sie vorgefunden haben – wenn irgend möglich sogar ein wenig besser. Die einzigen Spuren, die wir im Idealfall hinterlassen, verraten, wie wir andere Menschen geliebt, inspiriert, gelehrt und ihnen gedient haben. Dies wird die größte positive Wirkung auf Menschen in der Zukunft haben.

SCHLUSSWORTE: Üben Sie zuerst, keine Spuren zu hinterlassen. Üben Sie dann, die Dinge besser zurückzulassen, als Sie sie vorgefunden haben.

Achtsam durch den Tag

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