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Vorschulzeit

Ich wuchs nach der Trennung meiner Eltern bis zur ersten Klasse bei meinem Vater auf.

Dessen Arbeit im Jugendclub als Hausmeister ist mir heute noch suspekt. Ich muss hin und wieder irgendwie in seine Arbeit oder in sein Freizeitvergnügen geraten sein. Ich erinnere mich daran, dass ich in einem großen Raum war und auf einmal völlig fasziniert auf etwas schaue, das an der Wand passiert. Um mich herum entdecke ich mir fremde Menschen, die wie ich auf die Wand blickten, wo sich eine afroamerikanische Frau völlig nackt, mit braun lackierten Fingernägeln, breitbeinig in den Schritt greift, um sich Lust zu verschaffen. Noch heute empfinde ich braune Fingernägel an Frauen als abstoßend. Vielleicht wegen solcher oder auch anderer Vorkommnisse sind wir wohl dann umgezogen.

Mitte der 70er war die Ehe meiner Eltern am Ende und beide reichten die Scheidung ein. Der Alkohol war ein fester Bestandteil dieser Ehe gewesen und so lebten mein Bruder und ich in Billstedt bei unserem Vater, meine Großeltern väterlicherseits eine Straße direkt überquerend gegenüber. Oft haben sie uns zugewunken, damit wir zu ihnen zum Essen kamen. Noch heute frage ich mich, wie ich es aus dieser Entfernung mitbekommen konnte. Meine Schwester schien sich dem Drama bereits entzogen zu haben.

Wie sie mir Jahre später erzählte, tat sie, was in ihren Möglichkeiten stand. Mein Bruder und ich, teilten uns ein Zimmer mit einem Etagenbett bei unserem Vater, er schlief oben und ich unten. Hin und wieder gab es Streit, wer das Licht ausmachen sollte, meistens verlor ich und manchmal hatte ich auch Nasenbluten - Gerangel unter Geschwistern eben. Mein Bruder hatte trotz solcher Zwischenfälle zu dieser Zeit immer ein Auge auf mich und er passte, so gut es ihm eben möglich war, auf mich auf. Umso verletzender muss es für ihn gewesen sein, wenn ich ihn verpetzte und er eine ordentliche Tracht Prügel wegen mir bezog. Ich konnte nicht lügen, das kann ich heute immer noch nicht. Nichtsdestotrotz machte er Sachen, die mich bewusst verletzten. „Sailing“, ein Song von Rod Stewart, lief damals im Radio rauf und runter und mein Bruder erzählte mir dabei immer Geschichten zu diesem Song, die mich zum Weinen brachten. Auch er hatte etwas zu verarbeiten und meinte es wohl nicht böse, jedoch weinte ich bei vielen seiner Geschichten, denn er dichtete diesen Song um.

In seiner Version des Liedes ging es darum, dass unsere Mutter sterben würde und wir allein wären. Mit sechs Jahren verkraftet man so etwas nicht so gut, aber auch er mit seinen zwölf Jahren wusste wahrscheinlich nicht, was er da sagte. Dennoch hat sich die Erinnerung in meinem Kopf festgebrannt. Jeder versuchte auf seine Weise, mit der Trennung unserer Eltern klarzukommen, vielleicht war das seine.

Noch heute höre ich den Song, obwohl er wirklich toll ist, mit einem bedrückenden Gefühl im Bauch.

Das Leben bei meinem Vater war kein Leichtes.

Manchmal wurde die Küche abgeschlossen, damit wir nicht ans Essen kamen. Als mein Bruder und ich trotzdem versuchten, sie zu öffnen, weil wir Hunger hatten, gab es Schläge. Ich hatte uns mal wieder verraten und mein Bruder musste das ausbaden.

So etwas wie Liebe spürte ich bei meinem Vater nie. Ich kann mich an keine väterliche Umarmung erinnern, an keinen Kuss auf die Wange oder an ein paar liebe Worte.

Rote Linie

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