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4.3 Weitere „typographische“1 Gestaltungsmerkmale antiker Handschriften und die Frage nach „Lesehilfen“
ОглавлениеNeben der scriptio continuaSchriftscriptio continua weisen antike Hss.Handschrift/Manuskript noch eine ganze Reihe weiterer Merkmale auf, die in Relation zur LesepraxisLese-praxis zu interpretieren sind. Ein Großteil dieser Merkmale – z.B. DiakritikaDiakritika, Interpunktion, Dikola, ParagraphoiParagraphos – werden üblicherweise als „LesehilfenLese-hilfe (reading aid)“ verstanden, wobei implizit an Hilfen für das VorlesenRezeptionkollektiv-indirekt gedacht wird. In diesem Zuge abzuhandeln ist auch die Frage nach der durchschnittlichen Zeilenlänge in literarischen PapyriPapyrus mit Prosa aus der Kaiserzeit, die nach W. A. Johnson in einem Zusammenhang zu konkreten Leseanlässen gestanden hätten: „Bookrolls were not, in gross terms, conceptualized as static repositories of information (or of pleasure), but rather as vehicles for performative reading in high social contexts.“2 Insbesondere in der Forschung zu den neutestamentlichen Papyri werden diese sog. „Lesehilfen“ in den frühen Papyri, die traditionellerweise auf das 2. Jh. datiert werden, als Evidenz dafür herangezogen, dass diese Hss. für die Lesung im „GottesdienstGottesdienst“ geschriebenSchriftGeschriebenes worden wären.3
Interpretationen, die „typographischen“ Merkmale antiker und antik-christlicher Hss.Handschrift/Manuskript in der Summe als Hilfen für das VorlesenRezeptionkollektiv-indirekt interpretieren, stehen in der Gefahr eines Zirkelschlusses, da sie die schwierigere LesbarkeitLesbarkeit der scriptio continuaSchriftscriptio continua a priori voraussetzen.4 Dies ist allerdings angesichts der obigen Ausführungen nicht mehr zu rechtfertigen. Es kommt hinzu, dass zwischen primären und sekundären (daher auch schwer zu datierenden) „LesehilfenLese-hilfe (reading aid)“ zu unterscheiden ist5 – also solchen „typographischen“ Gestaltungsmerkmalen, die in der ursprünglichen Anlage der HandschriftHandschrift/Manuskript vorgesehen waren, und solchen Eintragungen, die Benutzer in die Texte eingetragen haben, die eine Hs. dann für einen Vortrag verwendet haben. In methodischer Hinsicht ist zu formulieren: Nur aus primären „typographischen“ Gestaltungsmerkmalen, die sich eindeutig nur dem Vortragslesen zuordnen ließen, könnte eine sichere Aussage über die primäre Verwendungsweise einer Hs. getroffen werden.
Ein Problem, insbesondere der Debatte um die Merkmale neutestamentlicher PapyriPapyrus, ist die einheitliche Kategorisierung von unterschiedlichen Phänomenen in den Hss.Handschrift/Manuskript als „LesehilfenLese-hilfe (reading aid)“ oder lectional signs, die m. E. getrennt voneinander besprochen werden müssen. Und zwar:
1 Markierungen auf der BuchstabenBuch-stabe- bzw. Wortebene;
2 Markierungen, die eine Bedeutung für die Syntax haben bzw. größere Texteinheiten strukturieren;
3 ParatextParatextuelle Elemente, die insofern von a) und b) zu unterscheiden sind, als es um textliche Elemente (Überschriften, Verfasserangaben, Seitenzahlen etc.) und Verzierungen geht;
4 die Breite der Kolumnen.
Die paratextuellenParatext Elemente c) werden zwar zumeist nicht unter „LesehilfenLese-hilfe (reading aid)“ gezählt, gehören aber in den Kontext der hier zu besprechenden Merkmale der Hss.Handschrift/Manuskript In diesem Zuge müssen auch andere, primär für die visuellevisuell Rezeption gedachte, Elemente wie Nomina sacra u. ä. kurz besprochen werden. Hinzu kommt das Problem, dass m. W. bisher keine umfassende, Handschriften übergreifende und systematische Untersuchung der als „Lesehilfen“ interpretierten Merkmale antiker Hss. existiert. Im Rahmen dieser Studie sind einige exemplarische Beobachtungen zu den frühen PapyriPapyrus (bis zum 3. Jh.) angezeigt, die auch dazu dienen, den Befund der neutestamentlichen Papyri in den Kontext antiker Hss. insgesamt zu stellen. Vorab ist auf ein gravierendes Erschließungsproblem der Forschungsdaten hinzuweisen.6 So werden insbesondere diakritischeDiakritika Zeichen und WortzwischenräumeWort-zwischenraum in den EditionenEdition von HandschriftenHandschrift/Manuskript nicht konsequent erfasst.7 In analogen Transkripten werden sowohl WorttrennungenWort-trennungen (s. Schrift) als auch diakritische Zeichen (gemäß den späteren grammatischen Regeln) hinzugefügt. Auch in digitalen Transkripten werden Informationen über diese Aspekte nicht konsequent in die Metadaten aufgenommen.
Ein Beispiel dafür sind die digitalen Transkripte, die im Rahmen der Erstellung der Edito Critica maior hergestellt werden. Hier wird in den Richtlinien zur Transkription (von Matthias Piontek und Marie-Luise Lakmann, Version III, 1. November 2013) explizit ausgeschlossen, dass AkzenteAkzent, Spiritus (außer sie seien „das einzige Unterscheidungsmerkmal einer Wort- oder Formvariante“) und TremataTrema mittranskribiert werden. Der Verzicht ist mit dem Erkenntnisinteresse des Projektes, der Rekonstruktion des AusgangstextesAusgangstext, zu erklären, der, so die Annahme, keine diakritischenDiakritika Zeichen gehabt hätte. Darauf wird unten zurückzukommen sein.
ad a) Markierungen auf der Buchstaben- bzw. Wortebene
HierunterBuch-stabe fallen die sog. diakritischenDiakritika Zeichen (das TremaTrema, AkzenteAkzent sowie Spiritus) und aus meiner Sicht auch der ApostrophApostroph. Diese Zeichen sind sowohl in christlichen als auch nicht-christlichen Hss.Handschrift/Manuskript zu finde, aber kommen, so der Stand der Forschung, selten vor und deren Verwendung folget keiner festen Systematik.8 Es gibt mittlerweile einige Studien zu den sogenannten scribal habitsscribal habits, in denen diese Phänomene z. T. berücksichtigt werden. Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar.9
TremataTrema sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen PapyriPapyrus zu finden.10 Schon in 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota (ϊ; ro,1 f; vo,2), die Hurtado als LesehilfeLese-hilfe (reading aid) interpretiert.11 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine DiäreseDiärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet.12 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen13 und frühchristlichen14 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss.15 und findet sich sogar vielfach in InschriftenInschriften.16 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden.17 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29Joh 1,29 in 66 im Vergleich zu 75. In 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben ist (λε-γει·ϊδε), während in 75 an dieser Stelle kein Mittelpunkt steht und das Trema tatsächlich die Funktion hat, die Diärese anzuzeigen. Das gleiche Phänomen lässt sich in Joh 1,36Joh 1,36 sehenSehen (vgl. 66, f. 4, Z. 1818). Diese (auch noch an anderen Stellen zu findende) Redundanz in 66 lässt sich vermutlich dadurch erklären, dass der Schreiber das Trema aus konventionellen Gründen gesetzt oder aus seiner VorlageVorlage übernommen und den Mittelpunkt selbst eingefügt hat.19 Außerdem stellt sich die Frage, inwiefern der Schreiber von 66 Tremata überhaupt als Lesehilfe aufgefasst haben kann, wenn er ein funktionslos gewordenes Trema stehen lässt. Insbesondere die weitgehende Beschränkung auf die Vokale ι und υ macht es zudem sehr unwahrscheinlich, dass das Trema die generelle Funktion hatte, ein neues Wort zu markieren.20 Insgesamt erscheint es mir vor diesem Hintergrund fragwürdig, dass Trema als „lectional sign that guide pronunciation“21 zu kategorisieren und eine eindeutige Verknüpfung zum vokaliserenden Lesen bzw. Vortragslesen (neutestamentlicher Texte im GottesdienstGottesdienst) herzustellen. Denn sollte das Trema tatsächlich als Lesehilfe gedacht gewesen sein, so ist diese auch für einen individuellen LeserLeser hilfreich, und zwar unabhängig davon, ob er vokalisierendStimmeinsatzvokalisierend liest oder seine innere LesestimmeStimmeinnere (inner reading voice) verwendet. Die griechischen Wörter werden im Folgenden bewusst ohne Berücksichtigung der konventionellen Akzentsetzung geschriebenSchriftGeschriebenes, um den Befund in den HandschriftenHandschrift/Manuskript darstellbar zu machen.
AkzenteAkzent und spiritusspiritus sind im Vergleich zum TremaTrema deutlich seltener in den frühen PapyriPapyrus zu finden.22 Es ist aufschlussreich, dass es sich bei den spiritus überwiegend um einen spiritus asper handelt23 (ⱶ) – und zwar wird dieser in vielen Fällen nur dann gesetzt, wenn eine semantische Ambiguität bei einsilbigen Wörtern vermieden werden soll.24 Dies hat eine stichprobenartige Durchsicht der frühen Papyri (2./3. Jh.) ergeben. In der unten stehenden Tabelle finden sich einige Beispiele zur Illustration. Das bedeutet, die Frage der richtigen phonologischenPhonologie Realisierung kann nicht das primäre Interesse der Schreiber gewesen sein. Parallelphänomene lassen sich im Übrigen aus nicht-christlichen Papyri – auch in solchen, die definitiv nicht für den performativen Vortrag bestimmt waren25 – und InschriftenInschriften, die ebenfalls schwerlich zur performativen Lesung bestimmt waren,26 beibringen.
Gregory-Aland 27 Standardkürzel | Stellenangabe | Befund |
Gegenprobe (exemplarisch) | ||
13 (III/IV) P.Oxy. 4 657 | f. 47vo,21.27 (Hebr 3,6Hebr 3,6.8Hebr 3,8) | ὁυ: Relativpronomen vs. Adverb |
f. 47vo,11 (Hebr 3,1Hebr 3,1) | αγιοι ohne spiritusspiritus asp. | |
15 ([III]/IV) P.Oxy. 7 1008 | ro,5 (1Kor 7,201Kor 7,20) vo,13 (1Kor 7,241Kor 7,24) | ἡ: Artikel vs. Partikel (disjunktiv/komparativ o. Adverb) ὡ: Vereindeutigung des Relativpronomens |
z.B. vo 9 | Relativpronomen ο ohne spiritusspiritus asp. | |
45 (III) P.Beatty 1 | f. 10vo,5 (Lk 9,48Lk 9,48) f. 16ro,15 (Joh 10,16Joh 10,16) | ὁς: Vereindeutigung des Relativpronomens (könnte im Kontext mit ενος verwechselt werden) εἱς: Numeral vs. Präposition εἰς |
f. 10vo,6 | Relativpronomen ος nach και ohne spiritusspiritus asp. | |
4628 (200–225) P.Beatty 2 | z.B. f. 16ro,17 (Röm 12,5Röm 12,5) u. ö.29 f. 50ro 18 (1Kor 10,171Kor 10,17) | ἑν: Numeral vs. Präposition εἱς: Numeral vs. Präposition εἰς |
f. 6ro 22–24 | Relativpronomen ο ohne spiritusspiritus asp. | |
6630 (III) P.Bodm. II | f. 101,10 (Joh 13,29Joh 13,29) | ὡν: Relativpronomen vs. PartizipPartizip Präsens εἰμί |
f. 101,15 (Joh 15,31Joh 15,31) | Relativpronomen ο ohne spiritusspiritus asp. | |
77 (III) P.Oxy. 64 4405 | f. vo,2 (Mt 23,35Mt 23,35) | ὁν: Relativpronomen vs. PartizipPartizip Präsens von εἰμί |
104 (II) P.Oxy. 64 4404 | ro,5f. (Mt 21,35Mt 21,35) | ὁν: Relativpronomen vs. PartizipPartizip Präsens von εἰμί |
ro,4 (Mt 21,35Mt 21,35) | Relativpronomen οι ohne spiritusspiritus asp. | |
113 (III) P.Oxy. 66 4497 | vo,5 (Röm 2,29Röm 2,29) | ὁυ: Relativpronomen vs. Adverb |
Zahlreiche spiritusspiritus asper finden sich auch in KodexKodex P.Bodm 7–8 (=72).10–12.13, bei dem es angesichts der eigenartigen Zusammenstellung, die durchaus ein redaktionellesRedaktion/redaktionell Interesse erkennen lässt,31 sowie angesichts des im Vergleich zu anderen Hss.Handschrift/Manuskript eigenwilligen Formats fraglich erscheint, ob es sich um ein ManuskriptHandschrift/Manuskript handelt, das die VorlageVorlage für performative Lesungen gebildet hat. Es finden sich einige Stellen, an denen analog zu den schon angeführten Beispielen, einsilbige Wörter mit einem spiritus asper versehen worden sind.32 Daneben findet sich aber z.B. auch mitten im Kompositum εισὁδος ein spiritus asper (f. 25,3; 2Petr 1,112Petr 1,11), den A. Mugridge als Irregularität interpretiert.33 M. E. erklärt sich der spiritus asper hier aber durch den Zeilenumbruch, der durch das Wort geht (εισὁ-δος) und der möglicherweise auch die Disambiguierung von Vorsilbe und Präposition notwendig erscheinen ließ.
Auch die wenigen AkzenteAkzent,34 die sich in den frühen Hss.Handschrift/Manuskript finden lassen, haben zumeist die Funktion, eine semantische Ambiguität auszuschließen. Auch hier scheint es nicht um die richtige phonologischePhonologie Realisierung zu gehen. In 1 (P.Oxy. 1 1) findet sich vermutlich ein Akut auf einem ή (vo,14 [Mt 1,18Mt 1,18])35 und disambiguiert die Partikel vom Artikel oder Relativpronomen, möglicherweise auch vom folgenden Wort. In 46 (200–225; P.Beatty 2) zeigt der Akut auf πέρας (f. 26vo,7 [Hebr 6,16Hebr 6,16]) möglicherweise den Unterschied des Nom. Sg. ntr. vom Dat. Pl. fem. von πέρα bzw. von Formen des Verbes περάω in der 2. Pers. Sg. an.36 Der Akut in 66 (P.Bodm. II) f. 101.8 (Joh 13,29Joh 13,29) hilft potentiell -δοκουν vom PartizipPartizip von δοκοω zu disambiguieren. Es könnte hier im speziellen Fall als notwendig erachtet worden sein, weil das Augment in der vorhergehenden Zeile geschriebenSchriftGeschriebenes ist.
Besonders aufschlussreich ist die Verwendung des ApostrophApostroph in den neutestamentlichen Hss.Handschrift/Manuskript Der Apostroph wird dort analog zu antiken Hss. insgesamt37 sowie zum inschriftlichenInschriften Befund38 vor allem als Auslassungszeichen verwendet.39 Die Funktion erschließt sich, berücksichtigt man, dass die parafovealeparafoveal preview WorterkennungWort-erkennung in der scriptio continuaSchriftscriptio continua vor allem durch Buchstabenkombinationen am Anfang und vor allem am Ende der Worte geleitet wird (s. o. 4.1). Fällt nun ein BuchstabeBuch-stabe aus lautlichen Gründen aus, wird dies markiert, um die gewohnte Worterkennung zu gewährleisten. Dadurch lässt sich auch die in ihrer Funktion für die Forschung z. T. nicht direkt erschließbare, in den frühen Hss. sehr regelmäßig zu findende40 Apostrophierung von indeklinablen semitischen Namen in den neutestamentlichen PapyriPapyrus erklären,41 die wegen der fehlenden Passung in das griechische Endungssystem ebenfalls sehr häufig mit einem Apostroph markiert werden.42 Die Praxis, fremdsprachliche Wörter mit einem Apostroph zu kennzeichnen, findet sich auch vielfach in dokumentarischen Papyri.43 Auch beim Apostroph handelt es sich also nicht um eine Vorlesehilfe und auch nicht um ein Zeichen, das zu „clarity of pronunciation in the public readingpublic reading“44 beitrüge – dagegen spricht auch der statistische Befund.45 Der Apostroph ist vielmehr eine Worterkennungshilfe, welche die parafoveale Wahrnehmung des Textes sowohl beim Vortragslesen, aber v.a. bei verschiedenen Modi des (nicht-vokalisierendenStimmeinsatznicht-vokalisierend) individuellen Lesens unterstützen kann.
Aus dem Vorkommen von TremataTrema, Akzenten, Spiritus und ApostrophenApostroph in einer Hs. kann also nicht auf ihren primären Verwendungskontext geschlossen werden.46 Dieses Ergebnis wird dadurch gestützt, dass sich diese Merkmale auch in nicht-christlichen Hss.Handschrift/Manuskript finden lassen, die eindeutig zu Studienzwecken verwendet worden sind – Grammatiklehrbücher,47 Manuskripte mit Kommentartexten,48 oder mit kommentierenden Annotationen (zumeist am Rand, aber z. T. auch interlinear).49 Noch eindrücklicher sind Belege von diakritischenDiakritika Zeichen in listenartigen50 oder anderen dokumentarischen PapyriPapyrus51 sowie in InschriftenInschriften,52 bei denen eine performative Lesung auch nicht anzunehmen ist. Ältere Studien deuten zudem darauf hin, dass die Zeichen in den nicht-christlichen Hss. ebenfalls in der Mehrzahl semantische Ambiguität vereindeutigen.
So kommt B. Laum in seiner einschlägigen Studie53 zum alexandrinischen Akzentuationssytem, in der er neben den Homerscholien zahlreiche PapyriPapyrus auswertet, zu dem Ergebnis: „Die LesezeichenLese-zeichen dienen dazu, bei Wörtern bzw. BuchstabenBuch-stabe- und Wortverbindungen, die verschieden gedeutet werden können, dem LeserLeser die richtige Auffassung klar zu machen. Das Zeichen für den Hauchlaut bzw. Psilose ist vornehmlich auf Wörtern gesetzt, die je nach dem Spiritus eine andere Bedeutung hatten […]. Das Quantitätszeichen dient in gleicher Weise der Unterscheidung von Vokalen oder Vokalverbindungen, die gleichgeschrieben waren, aber je nach Quantität Verschiedenes bedeuteten […]. Der Charakter als Unterscheidungszeichen tritt besonders bei der Akzentsetzung deutlich hervor. Vor allem werden jene Wörter, die in der Buchstabenzusammensetzung gleich sind, aber je nach der Bedeutung verschieden betont werden können, mit dem zukommenden AkzentAkzent versehen. […] Sodann hat der Gravis auch den Zweck gehabt, bei Textstellen, wo wegen der scriptio continuaSchriftscriptio continua Trennungen bzw. Zusammenfassungen von einzelnen Buchstaben bzw. Buchstabengruppen umstritten waren, dem Leser die richtige Auffassung zu verdeutlichen. Die frühen Alexandriner scheinen in solchen Fällen mit Vorliebe Akzente als Mittel der Unterscheidung angewendet zu haben (man hat, um die Verdeutlichung zu erreichen, sich nicht gescheut, gegen die Akzentregeln zu verstoßen, hat Doppelakzente gesetzt, Akzente vertauscht oder verrückt) […]. Alle Zeichen (Akzente, Spiritus, Quantitäten und Diastolai) dienen also dem Zwecke, an mehrdeutigen Stellen dem Leser die richtige Auffassung kenntlich zu machen. Diese Tatsache tritt sowohl aus der Interpretation der Homerscholien wie aus der prosodischen Praxis in den Papyri deutlich hervor.“54
Inwiefern dieser Befund auch den seit den 1920er Jahren erheblich gewachsenen Bestand an edierten PapyriPapyrus halten lässt, müsste eingehender untersucht werden. Eine dafür notwendige, sehr umfangreiche, vergleichende Untersuchung, die außerdem auch noch den inschriftlichenInschriften Befund miteinbezieht, kann im Rahmen dieser Studie jedoch nicht geleistet werden.55 Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass schon Aristoteles die Praxis reflektiert, dass im Schriftlichen diakritischeDiakritika Zeichen gesetzt werden, um Ambiguitäten zu vereindeutigen.56 Bei Ps.-ArcadiosPseudo-Arcadios – es gibt gute Gründe, Theodosios von Alexandria als VerfasserAutor/Verfasser zu vermuten,57 – findet sich im Kontext der Beschreibung der Funktionsbezeichnung der diakritischen Zeichen die Formulierung, dass „die Längen, AkzenteAkzent und Hauche – von Aristophanes geformt – entstanden sind für die Unterscheidung zweideutiger Wörter (πρός τε διαστολὴν τῆς ἀμφιβόλου λέξεως)“58. Dies entspricht exakt der hier diskutierten Funktionsbestimmung.
Auch viele der Beispiele für einen spiritusspiritus asper in dokumentarischen PapyriPapyrus, die R. Ast jüngst aufführt, „are clearly used in order to avoid ambiguity“.59 So handelt es sich auch dort zumeist um die „kleinen Wörter“, die mit einem spiritus asper versehen werden, wie in seiner Zusammenfassung des Befundes deutlich wird.
„While one might expect that spiritusspiritus asper would be used to alert the reader to cases of aspiration in rare or unusal words, quite the opposite is actually the case. By far the most common terms that are aspirated are relative pronouns (e.g. ὅς, οὗ, ὅν, ὧν, οἷς, οὕς, ἧς, ἥν, ἅ) […]. In addition, articles (ὁ, ἡ, οἱ), adverbs such as ὡς, and cardinal numbers, especially ἑν and on a couple of occasions ἕξ, can bear a rough breathing mark. [In Anm. 38 ergänzt er dann noch:] As an aside, I note that in Attic Greek inscriptionsInschriften, too, the same types of words tend to be marked with the spiritus asper.“60
Diese „kleinen Wörter“ wären ohne spiritusspiritus asper nicht nur in vielen Fällen ambigue, sondern viele von ihnen können auch leicht mit Endungen verwechselt werden, was wiederum die WorterkennungWort-erkennung erschwert. Denn, wie oben zu sehenSehen war und worauf schon bezüglich des Gebrauchs des ApostrophsApostroph bei fremdsprachlichen Termini hingewiesen wurde, wird die parafovealeparafoveal preview Worterkennung in der scriptio continuaSchriftscriptio continua vor allem durch Buchstabenkombinationen am Anfang und vor allem am Ende der Worte geleitet (s. o. 4.1).
ad b) Markierungen, die eine Bedeutung für die Syntax haben bzw. größere Texteinheiten strukturieren
In den frühen neutestamentlichen PapyriPapyrus finden sich verschiedene Merkmale, welche dazu dienen, die Texte zu strukturieren, wobei erstens kein einheitliches und durchgängiges System zu finden ist und zweitens der Textbestand bei zahlreichen Papyri zu fragmentarisch ist, um eine statistisch valide Aussage zu treffen.
WortzwischenräumeWort-zwischenraum (Spatien) und Interpunktion: Schon im mutmaßlich ältesten PapyrusPapyrus mit Texten aus dem NT, 52, finden sich Wortzwischenräume (ro., Z. 2: ουδενα|ινα; re., Z. 3 [ει]πεν|σημαινων; vs., Z. 2 [κοσ]μον|ινα), die L. Hurtado als „LesehilfenLese-hilfe (reading aid)“ interpretiert, die Sinneinheiten voneinander abtrennten.61 Auch wenn er im Anschluss an ROBERTS, 1936, 226f, Parallelen anführt (P.Ryl. 3 458; P.Egerton 2), an denen Wortzwischenräume möglicherweise Sinnabschnitte markieren, so ist die Stichprobe in 52 zu gering und zu disparat, um sichere Schlussfolgerungen zu ziehen. So ist etwa der Abstand zwischen ουδενα und ινα genauso groß wie der Abstand zwischen dem ι- und den beiden darauffolgenden BuchstabenBuch-stabe -να innerhalb von ινα: ουδενα|ι|να. Zudem ist im Übergang von Joh 18,32Joh 18,32 f zu 33 gerade kein Wortzwischenraum zu erkennen, obwohl ein neuer Hauptsatz beginnt, der eine deutlichere Zäsur zum Ausdruck bringt als die von Hurtado angeführten Beispiele. Interessant sind sodann die markanten Wortzwischenräume vor Relativpronomina in 104 (II, ro 3.5), die als Hilfe für die WorterkennungWort-erkennung der „kleinen Worte“ gedacht gewesen sein könnten, die in der scriptio continuaSchriftscriptio continua tendenziell etwas schwieriger zu identifizieren gewesen sein müssen, da sie leicht mit Endungen verwechselt werden können.62 Dennoch bleibt das methodische Problem bestehen, das die Untersuchung aller Wortzwischenräume in den frühen Papyri betrifft – nämlich intentionale und versehentliche Wortzwischenräume v. a. angesichts der geringen Stichprobe sauber voneinander zu unterscheiden.63 Einige neutestamentliche Papyri mit größerem Textbestand bieten mehr MaterialMaterialität für die Analyse des Gebrauchs von Wortzwischenräumen, wobei weder die Forschungsdaten vollständigUmfangvollständig digital erschlossen sind noch eine systematisch vergleichende Untersuchung vorliegt. Einzelne Texte sind allerdings in letzter Zeit untersucht worden. So hat E. B. Ebojo die Wortzwischenräume im Hebräerbrief von 46 (P.Beatty 2/P. Mich. inv. 6238) systematisch untersucht.64 Er kommt zu dem Ergebnis, dass a) „space-intervals, enough for one or more letters, occur before (almost always) and after (always) a nomen sacrumnomina sacra“65, dass b) die meisten ZitateZitat aus dem ATAT/HB/LXX durch Wortzwischenräume markiert werden,66 und dass c) Wortzwischenräume die Funktion von Interpunktion übernehmen, um Sinneinheiten bzw. syntaktische Gefüge zu markieren.67 Daneben finden sich dann auch schon in den Papyri Belege für die (gelegentliche) Interpunktion mit Doppelpunkten oder Punkten, die entweder oben, in der Mitte oder unten gesetzt werden.68 Auch eine vergleichende Untersuchung, die versucht, Muster bzw. Funktion der Interpunktion in den frühen Papyri zu erschließen, ist m. W. ein Desiderat.
EkthesisEkthesis und ParagraphosParagraphos: Allein aus der einen Hs. ist der Befund eines nach links ausgerückten Alphas in Mt 26,31Mt 26,31 in 64 nicht eindeutig, den L. Hurtados als Ekthesis interpretiert.69 So ist zunächst fraglich, ob aus den vier erhaltenen Zeilen eines linken Randes eine solche Schlussfolgerung gezogen werden kann. Zudem gehört das ausgerückte Alpha zum dritten Wort der Sinneinheit und steht mitten im Satz. Dies merkt auch Hurtado und argumentiert, dass der Schreiber die erste volle Zeile des neuen Abschnitts markiert. Er selbst führt hierfür keine exakten Parallelbeispiele an,70 diese lassen sich aber beibringen. Ebenfalls zu fragmentarisch bleibt der Befund in 90.71 Eindeutig strukturierende Funktion haben mehrere Ektheseis aber in 4, 64/67 (ursprünglich vermutlich aus einem KodexKodex), wie S. Porter herausgearbeitet hat.72 Die strukturierende Funktion der Ektheseis zeigt sich darin, dass sie in den meisten Fällen durch eine Paragraphos (ein horizontaler Strich) ergänzt werden und an Textstellen stehen, die sich auf Grund von Textsignalen als Einschnitte interpretieren lassen (vgl. v. a. Lk 1,76Lk 1,76.80Lk 1,80; 2,1Lk 2,1; 3,18Lk 3,18 f.21Lk 3,21.23Lk 3,23; 5,36Lk 5,36; 6,1Lk 6,1.6Lk 6,6.12Lk 6,12; Mt 5,21Mt 5,21.27Mt 5,27; 26,31Mt 26,31). Besonders aufschlussreich sind die Ektheseis in Lk 1,76Lk 1,76 (f. 1vo, col. 1,9 f: και|συ) und 6,12Lk 6,12 (f. 4 vo, col. 2,9 f: ε̣[γ]ε̣-|ν̣ετ̣ο̣), da jeweils nicht der erste BuchstabeBuch-stabe ausgerückt wird, sondern analog zum Befund in 64 und 90 die erste volle Zeile des neuen Abschnitts, der zusätzlich durch eine Paragraphos markiert wird. Interessant ist zudem der Befund am Übergang von Mt 23,36 fMt 23,36 f in 77, wo in der Zeile vor dem Beginn von V. 37, in modernen Bibelausgaben überschrieben mit „Klage über Jerusalem“, fast eine gesamte Leerzeile Platz gelassen wurde; ob die Zeile darunter mit einer Ekthesis beginnt, ist aufgrund des fragmentarischen Charakters nicht mehr festzustellen.73 In 66 finden sich zahlreiche Abschnittsmarkierungen, wobei zumeist eine Ekthesis auf eine nicht voll ausgeschriebene Zeile folgt, die zumeist durch Interpunktionszeichen beendet wird (vgl. exemplarisch Joh 1,24Joh 1,24; 2,11Joh 2,11; 2,23Joh 2,23; 3,22Joh 3,22; 4,1Joh 4,1).74 Ein recht elaboriertes System der Textstrukturierung in thematisch zusammenhängenden Einheiten, angezeigt durch Ekthesis und/oder einen kleinen WortzwischenraumWort-zwischenraum vor dem ersten Wort der Zeile und/oder einer Paragraphos und mit erstaunlichen Übereinstimmungen zu späteren Kapitel- und Perikopeneinteilungen, findet sich in 75,75 dessen Aussagekraft als Zeuge aber wegen der neuen Datierungsdiskussion unter einem kleinen Vorbehalt stehen muss.76 Die Schlussfolgerung von C. H. Roberts,77 dass die Anfänge des in den großen MajuskelnMajuskel des 4./5. Jh. zu findenden Systems von Textstrukturierung,78 in das späte zweite Jh. zurückgeführt werden können, ist daher unsicher.
Zuletzt ist ferner noch darauf hinzuweisen, dass vermutlich durch das Wiederansetzen des Schreibrohrs visuellevisuell Strukturierungsmerkmale in den Texten vorhanden waren, die möglichweise durch den Produktions- oder Reproduktionsprozess in gewisser Weise syntaktische Strukturen visuell darstellbar machten.79 Sowohl beim DiktatDiktat als auch beim inneren Diktat ist es plausibel anzunehmen, dass das re-inking80 tendenziell eher an syntaktischen Einschnitten vorgenommen worden ist.
Die Art und Weise der Markierungen, wie in den neutestamentlichen PapyriPapyrus der Text (vorwiegend nach inhaltlichen Kriterien) strukturiert wird, unterscheidet sich eigentlich nicht von derjenigen, die in Papyri mit nicht-christlichen Texten aus derselben Zeit zu finden ist.81 Auch hier werden Texte mit Leerzeilen und/oder ParagraphoiParagraphos und/oder EktheseisEkthesis82 nach inhaltlichen Kriterien (in der Forschung zumeist als „Sinneinheiten“ o. ä. bezeichnet) strukturiert. Ferner finden sich auch Eistheseis (eingerückte Zeilen) als Strukturmarker in den Hss.Handschrift/Manuskript; so z.B. in einem Papyrus mit Fragmenten aus KallimachosKallimachos Aetia (P.Lille 76d; 3./2. Jh.), in dem ein Kommentar zum Text jeweils drei bis vier BuchstabenBuch-stabe eingerückt wird.83 Angesichts des Befundes insgesamt kommt S. A. Adams zu Recht zu der Schlussfolgerung: „Accordingly, the use of sense-unit divisions needs to be viewed as a scribal convention and part of a culturally conditioned writing practice.”84
Wichtig sind zuletzt noch einige Beobachtungen zum Gebrauch die ParagraphosParagraphos. So wird diese bei Mss. mit dramatischen Texten üblicherweise dazu verwendet, um einen Figurenwechsel anzuzeigen, wobei der Name der Figur zuweilen am Rand notiert wird.85 Aus meiner Sicht ist es wahrscheinlich, dass es sich bei den meisten Textexemplaren dramatischerDrama Texte nicht um Vorlesemanuskripte oder Gebrauchsmanuskripte für das TheaterTheater handelt, sondern um Texte für die individuelle Rezeption.86 Dafür spricht etwa, dass PapyriPapyrus mit Tragödientexten gefunden wurden, die musikalische NotationMusik enthalten – also tatsächlich für performative Zwecke konzipiert worden sind87 –, während andere in den Chor-Passagen den bloßen Text bieten.88 Auch bei dramatischen Texten, die sekundär auf die Rückseite von (meist dokumentarischen) Papyri geschriebenSchriftGeschriebenes worden sind, finden sich Paragraphoi;89 genauso wie bei solchen, die Scholien enthalten.90 Zudem werden auch in einem ManuskriptHandschrift/Manuskript mit Platons Phaidon, ein philosophischesPhilosophie Werk in Dialogform, Paragraphoi verwendet, um den Sprecherwechsel der erzählten Figuren zu kennzeichnen.91
Dass die ParagraphosParagraphos in antiken Hss.Handschrift/Manuskript insgesamt eher als inhaltlich ausgerichteter Strukturmarker verwendet wurde,92 denn als Vorlesehilfe diente, legt sodann die Verwendung in Kommentartexten,93 in medizinischenMedizin Fachtexten,94 in dokumentarischen, insbesondere listenartigen PapyriPapyrus und OstrakaOstraka,95 die wiederum eindeutig in einen nicht-performativen Verwendungszusammenhang gehören, sowie in Texten nahe, die aus schulischen Kontexten stammen.96 Zudem existieren Quellenbelege, in denen exakt die Verwendung als Strukturmarker reflektiert wird. So hat die Paragraphos bei Isokr.Isokrates or. 15,59 die Funktion, eine Stelle in einem ManuskriptHandschrift/Manuskript zu finden, von der an vorgelesen werden soll: ἀρξάμενος ἀπὸ τῆς παραγραφῆς ἀνάγνωθι τὰ περὶ τῆς ἡγεμονίας αὐτοῖς. Die These von W. A. Johnson, die Paragraphos habe in literarischen Prosatexten dazu gedient, das Vortragslesen zu unterstützen, indem er anzeigte, wo eine Pause zu machen sei, wäre hingegen neu zu diskutieren.97 Einerseits ist die methodische Validität seines praktischen Selbstversuchs hinterfragbar, andererseits kann er keine wirklichen Belege anführen und kommt zu seiner Schlussfolgerung durch die Vorannahme, dass man in der Antike generell lautLautstärkelaut gelesen hat.98
ad c) Paratextuelle Elemente
In den frühen PapyriPapyrus finden sich sodann auch schon paratextuelleParatext Elemente99 und solche Elemente, die lediglich visuellvisuell wahrgenommen und nicht lautlich realisiert werden können. Auch hier besteht wiederum das Problem, dass die meisten Papyri zu fragmentarisch sind, um Aussagen über die paratextuellen Elemente zu machen. Immerhin sind in 4,100 66101 und 75 TitelangabenTitel erhalten. In zahlreichen neutestamentlichen Papyri haben sich Reste der PaginierungPaginierung erhalten (u. a. 1, 38, 39, 45, 46, 66, 100, 106; vgl. auch MajuskelMajuskel 0189 [P.Berol. inv. 11765]. Titelangaben (als inscriptiones und subscriptionessubscriptio), Paginierung und sogar Verzierungen102 finden sich sodann in KodexKodex P.Bodm 7–8 (=72).10–12.13, der allerdings eine eigenwillige Neuzusammenstellung nicht nur neutestamentlicher Schriften bietet.103 Interessant ist der Kodex für das Thema dieser Studie aber wegen des verzierten Friedenswunsches für den Schreiber und den LeserLeser, der jeweils unter der subscriptio mit dem Titel geschriebenSchriftGeschriebenes wurde: ειρηνη τω γραψαντι και τω αναγινωσκοντι. Ob der Schreiber sich hier selbst Frieden wünscht, er den Wunsch aus seiner VorlageVorlage abschreibt oder an einen zukünftigen Schreiber denkt, braucht hier nicht entschieden zu werden.104 Aufschlussreich ist, dass der FriedenswunschFriedenswunsch nicht etwa die auch in christlichen Quellen verbreitete Fachbezeichnung für einen VorleserVorleser/SekretärSekretär ἀναγνώστηςἀναγνώστης verwendet, sondern das PartizipPartizip von ἀναγιγνώσκωἀναγιγνώσκω, das für gewöhnlich den (individuellen) RezipientenRezipient meint105
So gut wie alle neutestamentlichen griechischen Hss.Handschrift/Manuskript (und von Beginn der Überlieferung an auch die lateinischen Hss.; ferner auch die anderen Versionalhandschriften) weisen die bekannten und vor allem bezüglich ihrer Herkunft und Funktion viel diskutierten Nomina sacra auf.106 Bei den Nomina sacra handelt es sich um Kontraktionskürzungen einiger wichtiger Namen in den neutestamentlichen Schriften, die mit einem Strich über der Abkürzung graphisch markiert werden. Diese recht eigenwillige Form der Abkürzung kann weder aus dem Gebrauch des TetragrammsTetragramm abgeleitet werden noch steht sie in einem Zusammenhang mit der Ersparnis von Platz oder von Zeit beim SchreibenSchreiben. Die Form entspricht auch nicht den gängigen Abkürzungskonventionen in der Antike, die vorrangig durch Suspensionskürzungen geprägt waren, wobei unterschiedliche Formen der Markierung – selten auch ein Strich über der Abkürzung analog zu den Nomina sacra – verwendet wurden. Zudem ist ein höherer Standardisierungsgrad erkennbar, vergleicht man den Variantenreichtum der situationsbezogenen Abkürzungspraxis in der Antike.107 Innerhalb der Uneinheitlichkeit der Anzahl und Stringenz der Abkürzungen in den Hss. kann ein gemeinsamer Bestand von vier Wörtern extrapoliert werden (Θεός, Κύριος, Ἰησοῦς, Χριστός), die wohl in allen neutestamentlichen Hss. relativ regelmäßig kontrahiert werden (, jeweils im Genitiv usw.). Der Befund ist dahingehend klar, dass das System der Nomina sacra schon sehr früh aufgekommen sein muss, auch wenn die genaue Herkunft umstritten ist.108 Eine besondere Stellung unter den symbolischen Zeichen in den neutestamentlichen Hss. nimmt das sog. StaurogrammStaurogramm ein (), das ebenfalls früh bezeugt ist (in 45, 66, und 75, also spätestens für die erste Hälfte des 2. Jh.) und zu Beginn innerhalb der Nomen-sacrum-analogen Abkürzung des Substantives σταυρός (), ferner z. T. auch des Verbes σταυρόω (z.B. 75 42vo 25, Lk 24,7Lk 24,7 ) verwendet wurde.109
Gerade beim StaurogrammStaurogramm ist es sinnfällig, dass es sich dabei um ein ikonographischesLese-ikonographie Zeichen für die Kreuzigung handelt.110 Aber auch die Nomina sacra insgesamt sind Phänomene die nur visuellvisuell wahrgenommen werden können und es erschließt sich nicht, dass sie eine Funktion für ein vermeintliches „lautes“ VorlesenRezeptionkollektiv-indirekt der neutestamentlichen Texte gehabt haben sollten. Eine solche These findet sich z.B. bei C. M. Tuckett, der – einer bestimmten Vorstellung der LesepraxisLese-praxis im frühen ChristentumChristentum in den Befund projizierend – formuliert: Nomina sacra „may have functioned primarily as reading aidsLese-hilfe (reading aid) to assist some who were perhaps not as proficient as others to read the text more easily.”111 Gerade angesichts der Schwierigkeiten des Lesens von scriptio continuaSchriftscriptio continua würden die Nomina sacra „key“ words herausheben: „the intent may been simply to enable the reader to get his/her bearings a little more easily when reading the text, to identify one or two key words in a passage and make the necessary mental adjustments (e.g. by fixing on at least one point where there was a word break) more easily.”112
Diese These ist nicht zuletzt deshalb fragwürdig, da sie Schwierigkeiten moderner LeserLeser mit der Entzifferung der scriptio continuaSchriftscriptio continua ins frühe ChristentumChristentum projiziert, die sich am Quellenbefund nicht belegen und sich aus Sicht der modernen LeseforschungLese-forschung nicht halten lassen (s. o.). Zudem würde die Auswahl der Wörter unter der Voraussetzung der These äußerst kontingent erschienen, da a) in unterschiedlichen Texten unterschiedliche „key“ words in Frage kämen und b) Namen, die Lesern, weil sie aus dem griechischen Endungssystem herausfallen, tatsächlich Schwierigkeiten bereiten haben, mit einem ApostrophApostroph markiert wurden, wie die Auswertung der hebräische Namen oben gezeigt hat. Hier wäre zu fragen, warum zwei unterschiedliche Markierungssysteme nebeneinander verwendet worden sind. Viel eher sind die Nomina sacra in einem weiteren Sinne einem Phänomen von Elementen in antiken Hss.Handschrift/Manuskript und InschriftenInschriften zuzuordnen, die bewusst für die visuellevisuell Wahrnehmung gestaltet worden sind und in der Forschung zum Lesen in der Antike als eigene Evidenz häufig unberücksichtigt bleibt. Hierzu gehören z.B. AkrostichaAkrostichon, BuchstabenBuch-stabe- und Alphabetspiele, PalindromePalindrom, das Phänomen der IsopsephieIsopsephie, Figurengedichte,113 ferner auch bildliche Darstellungen und kleinere Zeichnungen.114 Daraus folgt insgesamt: Durch die Nomina sacra bekommen die neutestamentlichen, aber auch andere frühchristliche Schriften einen unverwechselbaren „typographischen“ Charakter, in dem die christliche Identität zu Ausdruck kommt und durch den sie bis heute sehr einfach zu identifizieren sind.115
ad d) Die Breite der Kolumnen
Zuletzt ist noch die Frage nach dem Zusammenhang zwischen der Breite der Kolumnen in antiken Hss.Handschrift/Manuskript und ihrer Verwendung zu besprechen. Diesbezüglich hat Johnson postuliert, die literarischen PapyriPapyrus der Kaiserzeit seien für performative Lesungen im Kontext von Veranstaltungen der sozialen ElitenElite konzipiert gewesen. Dabei rekurriert er insbesondere auf seine systematische Untersuchung des Befundes literarischer Papyri in Oxyrhynchos,116 den er auf der Grundlage kognitionspsychologischerKognitionswissenschaften Erwägungen, die er vor allem aus der oben besprochenen Untersuchung von P. Saenger übernimmt,117 folgendermaßen auswertet: Die durchschnittliche Breite literarischer Texte auf RollenRolle (scroll) war mit 15 bis 25 BuchstabenBuch-stabe so schmal gestaltet,
“that the whole line could be taken in by the parafovealparafoveal preview vision, and approximated the amount of text typically read by the eye ahead of the voice. The result was that the line beginnings themselves provided natural points for the ocular fixation, and the ‚decoding‘ of the letters could proceed regularly on a line-by-line basis.”118
Das Problem von Johnsons Argumentation ist hier weniger, dass die zugrunde liegenden Überlegungen P. Saengers auf überholten Forschungspositionen basieren (s. o.). Denn es geht ja hier weniger um die Frage der WorterkennungWort-erkennung in der scriptio continuaSchriftscriptio continua als um den Vorteil schmalerer Kolumnen für den Leseprozess, der – unabhängig von der Frage nach der lautlichen Realisierung – unbestritten ist.119 Das eigentliche Problem besteht darin, dass er die kognitionspsychologischen Vorteile, die für den Leseprozess aus den relativ schmalen Kolumnen erwachsen, ohne weitere Nachweise und Argumentation mit dem performativen VorlesenRezeptionkollektiv-indirekt verknüpft. Eine solche Vereindeutigung ist aber auf der Grundlage des Befundes in den Hss.Handschrift/Manuskript (s. o.) nicht möglich und projiziert eine postulierte Form der LesepraxisLese-praxis in den Befund hinein. Noch viel schwerer wiegt allerdings, dass die kognitionspsychologischen Vorteile der kürzeren Kolumnen grundsätzlich für andere Modalitäten des Lesens genauso gelten. Dies hat L. Battezzato zuletzt überzeugend nachgewiesen – für die individuell-direkteLektüreindividuell-direkt Lektüre vielleicht sogar umso stärker. Zunächst bestätigt Battezzato anhand einer Auswertung stichometrischerStichometrie Daten den Befund Johnsons zu den durchschnittlichen Zeilenlängen und zeigt, dass ausgehend von einer älteren Praxis eine Entwicklung zu kürzeren Zeilen in der römischen Kaiserzeit feststellbar ist.120 Anhand antiker Referenzierungspraxis121 und von PapyriPapyrus, die eindeutig nicht für performative Lesezwecke geschriebenSchriftGeschriebenes worden sind, zeigt er dann aber, dass die relativ schmalen Kolumnen auch für eine Form des fast reading/scanning, also für diskontinuierlichKontinuitätdiskontinuierlich-selektiveUmfangselektiv Zugriffe, also informationsentnehmendes, individuell-konsultierendes Lesen konzipiert sind.
Battezzato verweist auf P.Berol. inv. 9782, einen Kommentar zu Platons Theaitetos aus dem 2. Jh., der in schmalen Kolumnen (Ø 15 BuchstabenBuch-stabe) geschriebenSchriftGeschriebenes ist, in dem die ZitateZitat aus dem zu kommentierenden Text graphisch (DipleDiple und ParagraphoiParagraphos) klar gekennzeichnet sind und das sogar Zeichnungen enthält (P. H ro col. 2). Zudem verweist er auf P.Oxy. 47 3329, ein Fragment des Lexikons von Diogenianos, und auf P.Ant. 1 28, der Fragmente medizinischerMedizin Schriften von Hippokrates enthält.122 Ergänzen könnte man z.B. noch P.Oxy. 15 1809 (Ø 19 Buchstaben), ein Fragment, das um 100 entstanden ist und umfangreiche Marginalscholien zu Plat.Platon Phaid. 102e enthält, also definitiv als Arbeitsmanuskript verwendet wurde und vermutlich sogar ursprünglich als ein Arbeitsexemplar konzipiert worden ist, worauf die schmalen Kolumnen und der großzügige Platz um den Text herum sprechen.
Dass relativ schmale Zeilen und die oben diskutierten sog. „LesehilfenLese-hilfe (reading aid)“ nicht in einem besonderen Interdependenzverhältnis zu performativen LesepraktikenLese-praxis stehen, wird sodann deutlich, betrachtet man die distinkten Merkmale derjenigen überlieferten Hss.Handschrift/Manuskript, die eindeutig performativen Zusammenhängen zugeordnet werden können.
1) Einen expliziten Gegenbeleg finden wir in einem BriefBrief von CiceroCicero, Marcus Tullius an Atticus, der letzteren dazu auffordert, sein mit Überarbeitungen und KorrekturenKorrektur (s. auch Evaluation) versehenen Entwurf (ἀρχέτυπον) für eine recitatiorecitatio (s. auch Publikation/Veröffentlichung) im Kontext eines Symposiums in macrocollum zu übertragen (vgl. Cic. Att. 16,5(3),1), wobei es sich um ein Papyrusblatt handelt, das sich durch eine besondere Breite auszeichnete.123 Hier wird also eindeutig ein ManuskriptHandschrift/Manuskript beschrieben, das für das VorlesenRezeptionkollektiv-indirekt gedacht war und mutmaßlich breite Kolumnen aufwies. Schon oben habe ich auf eine Hss.Handschrift/Manuskript mit einer Chorstelle aus dem Orestes von Euripides verwiesen, die NotationenNoten für die musikalische Aufführung enthält.124 Es ist nun aufschlussreich, dass eben dieser berühmte PapyrusPapyrus Vindob. G. 2315 (um 200 v. Chr.) deutlich mehr Zeichen pro Zeile enthielt (vermutlich zwischen 25–30) und die Kolumnen mit rekonstruierbaren 15,5 cm deutlich breiter angelegt sind als die Kolumnen in den vermeintlichen Vorlesemanuskripten. Auch andere Papyri mit musikalischer NotationMusik weisen deutlich breitere Kolumnen auf als bloße Textmanuskripte.125 Dieser Befund ist zwar nicht neu, aber nur wenn man a priori davon ausgeht, dass die Textmanuskripte mit den kürzeren Kolumnen für performative Leseanlässe gestaltet waren, erscheint diese Diskrepanz besonders erklärungsbedürftig. So erübrigt sich insbesondere die widersprüchliche Interpretation von W. A. Johnson, der die schmalen Kolumnen in Hss. mit Prosatexten als kognitivkognitiv vorteilhaft für den VorleserVorleser interpretiert (s. o.), zugleich aber auch die breiteren Kolumnen in den Papyri mit musikalischer NotationNoten als kognitiv vorteilhaft für die Musiker erklären muss.126 Demgegenüber vermutet etwa L. Battezzato, dass der Vorteil der breiteren Kolumnen insbesondere darin bestand, bei der Aufführung häufige Zeilen- und (noch entscheidender) Kolumnensprünge zu vermeiden.127
2) Sekundäre Markierungen durch Benutzer von Hss.Handschrift/Manuskript zeigen, dass Texte für den Vortrag präpariert wurden und die o. g. Merkmale als „LesehilfenLese-hilfe (reading aid)“ anscheinend nicht suffizient waren.128 Eindeutig sekundär (andere Tinte) sind z.B. die Markierungen in 46 (P.Beatty 2/P. Mich. inv. 6238), die nicht als AkzenteAkzent fungieren.129 Vielmehr handelt es sich um relativ regelmäßig gesetzte, vergleichsweise dicke und recht kurze Striche, die in einem relativ flachen Winkel von etwa 30° von links unten nach rechts oben verlaufen und über den Buchstabenlücken zwischen zwei Worten positioniert worden sind. Es liegt nicht nahe, diese sekundären Eintragungen als von einem Schreiber obligatorisch gesetzte Leseakzente zu beschreiben, die Stellen markieren, „wo ein LeserLeser bzw. ein VorleserVorleser kurz innehalten könnte“.130 Wahrscheinlicher ist m. E., dass es sich bei den Markierungen um die Eintragung eines Benutzers handelt, der das ManuskriptHandschrift/Manuskript für den Vortrag präpariert hat. Dafür spricht z.B., dass nur einzelne Briefe bzw. Briefpassagen markiert sind,131 die Markierungen, wenn sie gesetzt sind, in relativ regelmäßigen Abständen auftreten und weitgehend syntaktischen und inhaltlichen Gesichtspunkten folgen,132 also potentiell Stellen markieren, an denen verstehensfördernde PausenLese-pausen/-unterbrechung gemacht werden können bzw. an denen Luft geholt werden kann. Sehr ähnliche Markierungen finden sich darüber hinaus in 45, und zwar nur in Mk und ActAct, nicht aber in LkLk und JohJoh. Dieses Faktum als Beleg für die ursprünglich „westliche“ Reihenfolge der EvangelienEvangelium (Mt, Joh, Lk, Mk) heranzuziehen, wie T. C. Skeat es tut,133 ist fragwürdig und projiziert ein nicht weiter belegtes, lineares Bearbeitungsverfahren in den Befund hinein.134 Wahrscheinlicher ist angesichts des analogen Befundes in 46 die Annahme, dass ein Leser lediglich die Texte präpariert hat, die er vorlesen wollte.135 Ebenfalls sekundäre Markierungen finden sich in 37, die sich aber wegen des fragmentarischen Zustands der Hs. nicht systematisch auswerten lassen,136 aber häufig am Ende von Phrasen stehen oder im Kontext wörtlicher Rede auftreten, was zumindest auf Vorlesehilfen hindeutet. Ferner finden sich analoge sekundäre Markierungen lt. H. A. Sanders auch in 13 (P.Oxy. 4 657), in 17 (P.Oxy. 8 1078) und im LXXAT/HB/LXX-PapyrusPapyrus 967 (Rahlfs; P.Beatty 7 9–10; P.Köln Theol. 3ff.).137
Die durchschnittliche Buchstabenzahl von ca. 27–32 BuchstabenBuch-stabe pro Zeile in 46 und im Schnitt ca. 45–50 Buchstaben pro Zeile in 45 übersteigt im Übrigen deutlich die von Johnson angegebenen Werte von 15 bis 25 Buchstaben für literarische Texte, die s. E. auf das VorlesenRezeptionkollektiv-indirekt optimal zugeschnitten wäre (s. o.). Der Befund in 46 und noch mehr in 45, deren Kolumnenbreite eher den PapyriPapyrus mit musikalischer NotationNoten entspricht, spricht daher zusätzlich gegen diese Annahme.
Aus dem Befund von sekundären Markierungen durch LeserLeser in den besprochenen Hss.Handschrift/Manuskript ist auch nicht zu schließen, dass die meisten performersBiblical Performance Criticism keine Markierungen eingetragen hätten.138 Dies setzt wiederum a priori voraus, dass die erhaltenen Manuskripte grundsätzlich für gottesdienstlicheGottesdienst bzw. performative Lesungen gedacht gewesen sind.
Es ist festzuhalten: Nur wenige der erhaltenen Hss.Handschrift/Manuskript gehören eindeutig in einen performativen Zusammenhang. Viele der diskutierten Indizien deuten sogar darauf hin, dass ein Großteil der frühen Hss. eher für die individuelle, primär visuellvisuell konzipierte Lektüre verwendet wurden.139 Damit stehen insgesamt auch viele der Kriterien zur Disposition, nach denen S. D. Charlesworth die neutestamentlichen PapyriPapyrus in privateÖffentlichkeitnicht-öffentlich/privat und offizielle unterteilt.140 Offen bleibt jedoch, inwiefern der regional auf Ägypten beschränkte Befund, zeitlich auf das 1. Jh. und die erste Hälfte des 2. Jh. übertragen werden kann (also auf die Autographen bzw. auf frühe Sammlungen/EditionenEdition) und ob daraus Schlussfolgerungen über den Charakter und das Aussehen der Hss. gemacht werden können, die in den Zentren der östlichen und westlichen Mittelmeerwelt (insbesondere Rom und Ephesus) entstanden und gelesen worden sind. Immerhin stammen die Papyri ja aus den trockenen Gebieten des ägyptischen Hinterlandes und schon die Frage des Zusammenhangs zu Alexandria ist nicht einfach zu beantworten.
In jedem Fall problematisch erscheint es mir allerdings, davon auszugehen, dass die Autographen bzw. die Hss.Handschrift/Manuskript des „AusgangstextesAusgangstext“ bzw. früher Sammlungen oder EditionenEdition in „reiner“ scriptio continuaSchriftscriptio continua geschriebenSchriftGeschriebenes waren.141 Muss man nicht vor dem Hintergrund antiker Schreiberpraxis und dem Hss.-Befund in seiner ganzen Breite insgesamt davon ausgehen, dass auch diese Hss. ein gewisses Maß an Strukturmarkern, diakritischenDiakritika Zeichen o. ä. aufwiesen? Allerdings ist die Form dieser Manuskripte mit großer Sicherheit nicht mehr rekonstruierbar, da die Schreibgewohnheiten von Paulus bzw. eines „Paulussekretärs“, der VerfasserAutor/Verfasser der EvangelienEvangelium, von den Verfassern der zahlreichen PseudepigraphenPseudepigraphie, aber auch von mutmaßlichen Redaktoren usw. nicht mehr zu erheben sind und der Befund in den neutestamentlichen Hss. zu heterogen ist, um daraus sichere Schlussfolgerungen zu ziehen.