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15. Kapitel
ОглавлениеBernd Wolf tauchte nicht auf. Während des gesamten Jahres 1988 war er nicht gekommen, abgesehen von der Beisetzung der Urne von Ralf.. Helene hatte mehrfach in der Gärtnerei angerufen, bis ihr eine Frau sagte, dass Bernd Wolf nicht mehr in der Gärtnerei arbeite. Er habe die Gärtnerei bereits vor einem halben Jahr verlassen. Helene hatte fast ein schlechtes Gewissen, ganz abgesehen von einer gewissen körperlichen Sehnsucht. Sie hatte das Gefühl, dem Mann kein Heim gegeben zu haben, kein Zuhause. Mitte Januar 1989 kam er eines Abends - es war schon so spät, dass die Kinder bereits im Bett waren. Helene hatte in ihrem Arbeitszimmer gesessen - das ehemalige Arbeitszimmer von Ralf. Sie erwartete eigentlich keinen Besuch. Als sie auf sein Schellen die Tür öffnete, war die Überraschung groß.
Es war für Bernd ganz offensichtlich, dass Helene sich freute, so etwas konnte sie nicht verbergen. Sie umarmte ihn und hieß ihn willkommen, bat ihn aber, wegen der Kinder sehr leise zu sein. Nein, sie machte ihm keine Vorwürfe, sie stellte auch keine dummen Fragen. Sie ahnte, dass er von sich reden würde, wenn er es wollte. Jetzt jedenfalls war sie froh, ihn zu sehen, ihn zu hören, ihn zu fühlen. Sie bot an, ihm etwas zu essen zu machen, sie bot auch Getränke an - das alles wollte er nicht. Er entkleidete sie sanft und ohne Worte im Wohnzimmer, und im Wohnzimmer liebten sie sich, ausdauernd, erschöpfend.
Sie gingen ins Bad, sie duschten sich, und dann erzählte er langsam, wie es seine Art war, dass er nun bei einem Holzschnitzer arbeite, in der Nähe von Harburg. Er wohne auch bei ihm, und es gehe ihm gut. Ja, er habe auch eine Frau - nein, nicht geheiratet, denn er habe ja sie, Helene. Helene musste lachen. Eifersüchtig? Nein, das war sie nicht. Sie hatte eigentlich immer gewusst, dass Bernd auch andere Frauen habe. Und sie? War sie ihm treu? Nein. In Wahrheit nein, denn sie hatte ihre Karriere, und mit ihrer Karriere und den Kindern war ihre Zeit knapp. In Wahrheit hatte sie keine Zeit für Bernd - oder?.
Helene erzählte auch von sich, von der Promotion, von ihrem täglichen Leben, von den Kindern. Bernd ließ sie reden. Er hörte zu, lächelte dabei, und fuhr immer wieder mit seinen Händen über ihren schlanken, warmen Körper. Sie liebte diese Berührung, und sie liebten sich erneut, auch beim zweiten Mal mit großer Leidenschaft. Sie hatte es gebraucht, und wie!
Bernd verschwand wieder. Helene lag noch lange wach in ihrem Bett, und sie überlegte sich, was für ein Mensch dieser Bernd eigentlich war. Ja, er war ein wunderbarer Körper, aber das konnte es ja nicht gewesen sein. Jetzt war er bei einem Holzschnitzer? War das eine künstlerische Tätigkeit? Vielleicht - und darüber schlief sie endlich ein. Am nächsten Tag hatte sie das Gefühl, als habe sie von Bernd nur geträumt, als sei er gar nicht da gewesen. Das war natürlich Unfug, denn die Hinterlassenschaften der Liebe im Wohnzimmer und im Badezimmer sprachen eine sehr deutliche Sprache.
Helene sprach mit Gerlinde über den nächtlichen Besuch ihres Mannes, denn sie wollte mit jemandem reden. Und als Onkel Otto kam, redete sie auch mit ihm darüber.
"Das ist mir eine sehr komische Ehe, die Ihr führt", war sein Kommentar. Aber dann meinte er noch: "Das ist Eure Art zu leben, und ich wünsche mir nur, dass dich das nicht kaputt macht."
Nein, Helene ging nicht kaputt - um Ottos Worte zu benutzen. Und als sie nach einiger Zeit merkte, dass sie wieder schwanger war, fühlte sie sich glücklich. Ja, ein drittes Kind, das würde vielleicht mehr Arbeit bringen - aber auch mehr Freude.
Im Oktober 1989 kam Louise zur Welt. Helene hatte dem gesunden Mädchen diesen Namen auf Bitten von Otto gegeben, denn Louise war Helenes Mutter und Ottos einstige Geliebte gewesen. Helene hatte dem Wunsch gern entsprochen. Wie Heinrich war auch Louise bereits zu Beginn ihres Daseins eher ein stilles Kind, ganz anders als Charlotte. Wo Charlotte war, gab es Unruhe. Man musste auf sie aufpassen, denn sie war praktisch überall da, wo auch Gefahren lauern konnten. Sie war nun ebenfalls im Kindergarten, und sehr bald erfuhren Helene und Gerlinde, dass Charlotte stets Mittelpunkt des Geschehens war. Bei Spielen war sie oft die Prinzessin, um die man sich zu bemühen hatte, und wenn nicht, so konnte sie richtig böse werden. Heinrich hingegen hatte zwei gleichaltrige Freunde gefunden. Das Trio spielte zusammen, bastelte - es war nicht nötig, ständig auf die drei Jungen aufzupassen.