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4. Kapitel
ОглавлениеHelene Marquart bekam einen Studienplatz, sehr zur Freude von Ralf und Onkel Otto. Und dann passierte etwas, womit Helene am wenigsten gerechnet hatte: Sie verliebte sich in Bernd Wolf, einen Gärtner. Helene war mit der S-Bahn zur Gärtnerei gefahren, so wollte ganz einfach ein paar Blumen für die Wohnung kaufen. Ohne Blumen sah die Wohnung traurig aus, fand sie, und weder Ralf noch Onkel Otto fanden die Zeit und Muße, Blumen zu besorgen.
Sie sah Bernd, und sie glaubte, auf einmal in einer anderen Welt zu sein. Bernd Wolf war groß, sicher fast zwei Meter groß, breit in den Schultern und schmal in den Hüften, er hatte ein längliches, fast kantiges Gesicht und strahlte eine spürbare animalische Wärme aus. Seine starken Muskeln zeugten von Sport und körperlicher Arbeit. Bernd hatte braune Haare, tief liegende hellbraune Augen, eine gerade Nase und einen breiten Mund, der immer zu lächeln schien. Als Helene ihm gegenüberstand, vergaß sie, was sie eigentlich wollte. Sie wollte den Mann berühren, und sie glaubte, ihr ganzer Körper verlangte ihn, einen Mann, den sie noch nicht einmal kannte, von dem sie nichts wusste.
"Kann ich etwas für sie tun", fragte er. Er hatte eine einschmeichelnde Stimme, die für Helene wie Musik klang. Sie nahm sich zusammen, sie errötete, und schließlich sagte sie:
"Eigentlich wollte ich ein paar Blumen." Wie dumm, sie schalt sich, denn was heißt "eigentlich"?
Bernd schien zu verstehen, was in ihr vorging. Sein Lächeln vertiefte sich, als er sie zu einer Tasse Kaffee einlud - wo? Ja, hinten, im kleinen Büro. Bernd bat eine Mitarbeiterin, den Laden zu übernehmen, dann führte er Helene ins Büro. Das, was sich Büro nannte, war ein kleiner Raum, in dem sich ein Schreibtisch, drei Stühle und viele Regale befanden, und Papier gab es überall.
Bernd nahm Helene in seine Arme, sanft, wie selbstverständlich aber keineswegs fordernd. Sie schloss die Augen, und ihr war, als lebe sie in einer Märchenwelt, in einer Welt, die sie bisher noch nicht kennengelernt hatte, die sie aber sehr glücklich machte. Mit seiner breiten Hand fuhr er über ihre Haare, die Hand glitt vorsichtig den Nacken hinab und landete leicht auf ihrem Rücken. Für Augenblicke war sie völlig willenlos - aber diese Augenblicke gingen vorüber. Sie gab sich einen Ruck und löste sich - langsam, fast liebevoll. Mit einem Lächeln sagte sie schließlich:
"Es tut mir leid - aber ich wollte wirklich nur ein paar Blumen kaufen."
Er lachte laut auf. Das Lachen steckte an, auch sie lachte.
Sie kaufte ein paar Blumen und sie verabschiedete sich - aber nicht, ohne sich mit Bernd für den Abend zu verabreden. Helene lächelte, als sie zu Hause die Blumen arrangierte, und sie konnte es kaum abwarten, am Abend auszugehen. Ralf merkte ihre Veränderung, als er nach seiner Arbeit nach Hause kam. Sie strahlte eine stille Heiterkeit aus, die er vorher noch nicht entdeckt hatte. Ja, sie sagte ganz offen, dass sie sich mit einem jungen Mann getroffen habe, ja, und nun sei sie verliebt, ja, sie sei sich sehr sicher, verliebt zu sein. Ralf freute sich, und das sagte er auch, und zum Abschied wünschte er ihr einen sehr schönen Abend.
Kaum hatte Helene das Haus verlassen, rief Ralf bei Otto an, aber es meldete sich ein Mitarbeiter von Otto, und der sagte, Herr Mundt sei in London, er habe wegen eines Geschäftes plötzlich abreisen müssen. Ralf bedankte sich. Ja, Otto hatte ihm gesagt, dass er in letzter Zeit viel unterwegs sein müsse. Was Otto beruflich machte, wusste Ralf nicht so genau. Er war Makler - aber was er kaufte, verkaufte oder vermittelte, war ihm nicht klar, und Otto redeten darüber auch nur sehr wenig.