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Ein langer Weg

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Geschwisterlichkeit – da sind sich alle einig – ist die längste Beziehung, die man eingeht. Selbst verstorbene Geschwister gehören dazu. Und auch wenn man sich im Streit getrennt hat und keinen Kontakt mehr haben will, bleiben Geschwister ein unauslöschlicher Teil der eigenen Biografie. Wenn man Bruder oder Schwester hat, dann erlebt man – wie auch immer – Geschwisterlichkeit. So wie man – frei nach dem Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick (1921–2007) – nicht nicht kommunizieren kann, so kann man nicht nicht Geschwister sein, wenn man diese an seiner Seite hat.

Das älteste Kind merkt schnell, dass seine jüngere Schwester oder sein jüngerer Bruder, diese »Windelscheißerin«, dieser »Schreihals«, kein vorübergehendes Ereignis ist. Das Baby bleibt, und man muss sich damit arrangieren – irgendwie.

Das gilt genauso für die Eltern: Da sind zwei Kinder mit unterschiedlichen Temperamenten, das eine wie eine Schnecke, das andere wie ein ICE, der kein rotes Signal erkennt und alles über den Haufen fährt. Kaum hat man ein Kind durch das Trotzalter mit seinen Wutattacken und Ausbrüchen mehr oder minder geglückt begleitet, da fängt es beim jüngeren Kind wieder von vorn an. Da können Bruder und Schwester liebevoll miteinander, häufig nebeneinander spielen, und mit einem Mal geht es zwischen den beiden drunter und drüber, sodass man denkt, sie bringen sich gleich um. Da können sie sich eine Zeit lang nicht riechen, aber dann sind sie wieder ein Herz und eine Seele und verbünden sich gegen die Eltern. Da lebt man den Kindern eine harmonische, friedliche Partnerschaft vor – doch die Kinder praktizieren das Gegenteil und machen einen hilflos. Da weiß man als Mutter oder Vater viel über Erziehung, schließlich hat man Ratgeber gelesen und meint, einen Kompass in der Hand zu haben, aber die Nadel spielt verrückt. Da will man es anders machen als die eigenen Eltern – schließlich wollte man doch nie werden wie sie –, doch man fällt in altbekannte Muster zurück, schreit, flucht und sagt Sätze im Zustand hormoneller Irritation. Und auch das gehört zum Erziehungsalltag: sich selbst so anzunehmen, wie man ist – mit allen Stärken und Unzulänglichkeiten. In dieser Reihenfolge wohlgemerkt!

Wer das macht, der kann auch seine Kinder so annehmen, wie sie sind. Sie leben das Prinzip der Unvollkommenheit, das Prinzip des Noch-nicht vor und kommen damit wunderbar durch die Welt, entwickeln sich zu einzigartigen, unverwechselbaren Persönlichkeiten. »Das hört sich gut an!«, sagten neulich Eltern auf einem Seminar. »Aber wie macht man das am besten?« »Am besten« geht gar nicht. Begleitung bedeutet, sich auf das Kind und seine Individualität einzulassen.

Die drei Lehrer

In der indischen Philosophie gibt es das Bild von den drei LehrerInnen – LehrerIn nicht als Beruf verstanden, sondern als Begleiterin und Begleiter der Kinder.

 Da sind jene, die im Kind ein leeres Fass sehen, das sie mit ihrem Wissen füllen, und dann zufrieden sind.

 Da sind andere, die sich als Töpfer begreifen und in den Kindern ungeformten Lehm sehen, den sie nach ihrem Bilde gestalten.

 Und da sind solche, die sich als Gärtner sehen, die wissen, dass jede Pflanze anders ist: Manche brauchen viel Wasser, manche wenig, weil sie ansonsten ertrinken. Einige benötigen viel Sonne, andere wenig, weil sie sonst verdorren. Eltern sind Gärtner, die darum wissen.

Geschwister - eine ganz besondere Liebe

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